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Neue Politik gegenüber Palästinensischer Autonomiebehörde ist notwendig

Bewaffnete palästinensische Kämpfer der Fatah-Fraktion von PA-Präsident Abbas
Bewaffnete palästinensische Kämpfer der Fatah-Fraktion von PA-Präsident Abbas (© Imago Images / ZUMA Wire)

Israel muss palästinensische Kräfte fördern, die keine extremistischen Narrative verbreiten oder sich am Terror beteiligen, um sich für den Tag eins nach Mahmoud Abbas vorzubereiten.

Yossi Kuperwasser

Seit der Unterzeichnung der Osloer Abkommen im Jahr 1993 hat die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) eine Kampagne gegen Israel geführt, mit der sie wiederholt, systematisch und absichtlich gegen ihre Verpflichtungen aus diesen Abkommen verstoßen hat. Der Hauptgrund für das Verhalten ist die Treue der PA zum Narrativ des palästinensischen Kampfes, zu dem auch das Ziel gehört, einen palästinensischen Staat im gesamten Gebiet westlich des Jordans zu errichten.

Ein weiterer Grund liegt in der Kenntnis der palästinensischen Führung, dass Israel es vorzieht, eine harte Reaktion auf ihre Verstöße zu vermeiden, da es befürchtet, eine solche Reaktion würde die Stabilität der Palästinensischen Autonomiebehörde und ihre Sicherheitszusammenarbeit mit Israel untergraben.

Israels entgegenkommende Haltung beruhte lange Zeit auf einer Kombination aus vorsätzlichem Wegsehen und der Ansicht, Zugeständnisse würden die pragmatischeren palästinensischen Fraktionen stärken. Darüber hinaus glaubte Israel, seine Zurückhaltung würde die internationale Kritik abschwächen. Beide Hoffnungen wurden enttäuscht. In den vergangenen Jahren hat sich die israelische Haltung allmählich geändert, auch wenn es noch zu früh ist, um sagen zu können, ob dieser Wechsel substanziell sein wird.

Permanenter Verstoß gegen Oslo

Die Palästinensische Autonomiebehörde hat seit der Unterzeichnung der Osloer Abkommen durchgehend gegen diese verstoßen. So unternimmt sie nicht nur sehr wenig, um den palästinensischen Terror zu bekämpfen, wozu sie laut Abkommen verpflichtet ist, sondern ist auch in anderen Bereichen ihrer Verantwortung nicht nachgekommen: Die Palästinensische Autonomiebehörde verhaftet keine Terroristen, verhindert nicht systematisch Anschläge, stellt Terroristen nicht vor Gericht und inhaftiert sie nicht. Werden doch einmal Anschläge vereitelt, schließt die Staatsanwaltschaft die Bemühungen zur Unterbindung des Terrors nicht mit Ermittlungen, Verhören oder Waffenbeschlagnahmungen ab.

Die Palästinensische Autonomiebehörde unterstützt den Terror in vielerlei Hinsicht, insbesondere durch die hohen Gehälter, die sie den in Israel inhaftierten Terroristen zahlt, und die monatlichen Zuwendungen an die Familien von Terroristen, die wegen ihrer Aktivitäten getötet wurden.

PA-Chef Mahmoud Abbas hat wiederholt erklärt, diesen Zahlungen höchste Priorität einzuräumen. Solche im Voraus garantierten finanziellen Zuwendungen an Terroristen stellen zweifellos einen Anreiz dar und machen die PA zu einem aktiven Partner bei Terroranschlägen. Außerdem sind viele Terroristen Mitglieder der offiziellen palästinensischen Sicherheitskräfte oder der Fatah-Organisation.

Palästinensische Propaganda, die das Existenzrecht Israels ablehnt (Delegitimierung), Israelis als abscheuliche Kreaturen darstellt (Dämonisierung) und zur Gewalt aufruft, ist in den Lehrplänen der Palästinensischen Autonomiebehörde, in den palästinensischen Medien, in Äußerungen hochrangiger Beamter der Palästinensischen Autonomiebehörde und in der palästinensischen Kultur allgemein weit verbreitet und wird von der Palästinensischen Autonomiebehörde gebilligt.

Trotz ihrer in Oslo eingegangenen Verpflichtung zur Bekämpfung von Hetze und Aufwiegelung verfolgt die Palästinensische Autonomiebehörde eine unverhohlen antisemitische Linie. In den vergangenen Jahren lag der Schwerpunkt auf der Verleumdung Israels als grausamen Apartheidstaat und der Untergrabung des zionistischen Narrativs, dem ein verzerrtes und historisch falsches palästinensisches Narrativ entgegengesetzt wurde.

In diesem Bestreben arbeitet die PA unter anderem mit der antisemitischen Israelboykott-Bewegung BDS zusammen, welche die Existenz Israels als jüdischem Staat beenden und Israel durch einen palästinensischen Staat im gesamten Land Israel ersetzen möchte.

Die Palästinensische Autonomiebehörde weigert sich auch, einseitige Aktivitäten und internationale Vorgehen im Allgemeinen zu unterlassen, wozu sie gemäß den Osloer Verträgen ebenfalls verpflichtet ist. Einer der Höhepunkte dieser Kampagne war die Entscheidung der Palästinensischen Autonomiebehörde, sich selbst zu einem Staat zu erklären, und ihr Erfolg bei der Förderung einer Resolution der UN-Generalversammlung, die sie als Beobachterstaat anerkannte. Auf Grundlage dieser Resolution trat die Palästinensische Autonomiebehörde zahlreichen internationalen Organisationen bei, zum Beispiel der UNESCO, und konnte in all diesen Organisationen Anti-Israel-Resolutionen durchsetzen.

Im Gebiet C, in dem gemäß den Osler Abkommen die Zivil- als auch die Sicherheitsadministration in israelischen Händen liegt, wird ohne israelische Genehmigung gebaut, obwohl in den Verträgen eindeutig festgelegt ist, dass nur Israel den Bau in diesem Gebiet genehmigen kann. Dabei arbeitet die Palästinensische Autonomiebehörde mit den Vereinten Nationen, der Europäischen Union und vielen einzelnen europäischen Ländern zusammen.

Die Palästinensische Autonomiebehörde bezieht die Hamas in die Wahlen zu den Institutionen der Palästinensischen Autonomiebehörde ein, obwohl die islamistische Terrororganisation die notwendigen Voraussetzungen dafür nicht erfüllt, vor allem die Anerkennung der Osloer Abkommen.

Unhaltbarer Status quo?

Warum stärkt Israel angesichts all dessen weiterhin die Palästinensische Autonomiebehörde und ihren Chef Mahmoud Abbas?  Die Antwort liegt im Festhalten Israels und insbesondere seines Verteidigungsapparates am Status quo. Auch wenn er niemandem gefällt und auch von niemandem geplant wurde, ist er die Realität, die sich aus den Handlungen beider Seiten und der internationalen Akteure ergibt. Für Israel gibt es keinen Anreiz, die Kosten zu tragen, die aus einem Versuch erwachen würden, diesen Status quo zu ändern.

In der Tat handelt es sich nicht wirklich um einen Status quo, da sich die Realität ständig ändert. Bestimmte Entwicklungen werden das Tempo des Wandels in naher Zukunft wahrscheinlich noch beschleunigen:

In den vergangenen Jahren verfolgten die israelischen Regierungen aus Furcht vor einer Eskalation eine Kombination aus Terrorbekämpfung, Abschreckung der Hamas, Unterstützung der Palästinensischen Autonomiebehörde und Verbesserung der Lebensqualität der Palästinenser. Sie waren bereit, den diplomatischen Druck, den die Palästinensische Autonomiebehörde auf Israel ausübte, in Kauf zu nehmen, während sie gleichzeitig versuchten, die Abraham-Abkommen zu stärken und zu erweitern. Heute ist klar, dass die Logik hinter diesem Ansatz gescheitert ist.

Das Verteidigungsestablishment irrt sich gewaltig, begründet es seine Befürwortung der Hilfe für Abbas damit, Abbas sei gegen den Terror. Er und seine Palästinensische Autonomiebehörde fördern in Wirklichkeit den Terror. Gegenwärtig betrachtet Abbas bestimmte Arten von Terror als kostspieliger denn als nützlich für den palästinensischen Kampf, aber diese Kosten-Nutzen-Rechnung könnte sich jederzeit ändern und Abbas dazu übergehen, solche Formen des Terrors zu unterstützen, die er momentan für kontraproduktiv hält.

Israel geht davon aus, dass die Palästinensische Autonomiebehörde ohne israelische Unterstützung jeden Moment zusammenbrechen könnte. Die Behörde ist jedoch nicht vom Zusammenbruch bedroht und funktioniert im zivilen Bereich weiterhin. Es stimmt zwar, dass nach Mahmoud Abbas’ Abgang ein Chaos ausbrechen könnte, das eine vorübergehende israelische Übernahme des PA-Gebiets erforderlich machen würde. Es ist jedoch unklar, ob die israelischen Bemühungen, Abbas zu stärken, ein solches Szenario abwenden könnten. Es gibt keine Garantie für einen geordneten Übergang oder eine fortgesetzte Kontrolle durch Abbas’ mutmaßliche Nachfolger.

Israels Koordination mit den Sicherheitsmechanismen der Palästinensischen Autonomiebehörde wird als Beitrag zur Sicherheit des Landes wahrgenommen. Das Verteidigungsestablishment übertreibt allerdings gewöhnlich den Wert dieser Zusammenarbeit, da die Palästinensische Autonomiebehörde nur gegen jene Terroristen vorgeht, die sie herausfordern.

Israel ist der Ansicht, dass die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage und der Lebensqualität der Palästinenser durch die PA ihre Neigung, Terror zu fördern und zu begehen, dämpft. Diese Annahme entbehrt jedoch ebenfalls jeglicher Grundlage. Auch wenn sich die Palästinenser tatsächlich eine bessere Lebensqualität wünschen, entspringt der Terrorismus nicht dem Gefühl wirtschaftlicher Not, sondern dem Bekenntnis zum Narrativ der palästinensischen Nationalbewegung. Die PA selbst fördert dieses Narrativ aber weiterhin, und die Unruhen unter jungen Palästinensern halten trotz aller Bemühungen um eine Verbesserung des Lebensstandards an.

Die internationale Gemeinschaft, darunter die Vereinigten Staaten, Ägypten, Jordanien und in gewissem Maße auch die Staaten der Abraham-Abkommen, erwartet von Israel, dass es die Palästinensische Autonomiebehörde stärkt. Diese Politik, so glauben sie, ermögliche es, die palästinensische Frage an den Rand der internationalen und arabischen Agenda zu drängen, halte die Hamas in Schach, fördere die Lebensqualität der Palästinenser und schaffe eine Infrastruktur für die künftige Umsetzung der Zweistaatenlösung. In den vergangenen Jahren wurden diese Faktoren mit der illusorischen Drohung der Möglichkeit eines binationalen Staates kombiniert, die Israel nötigen würde, zwischen dem Charakter eines jüdischen oder eines demokratischen Staates zu wählen. In Wirklichkeit wird Israel unter keinen Umständen einem binationalen Staat zustimmen.

Eine Reihe Dilemmata

Die Palästinensische Autonomiebehörde wird sich nicht aus eigenem Antrieb auflösen, denn die Palästinenser betrachten sie als die herausragendste Errungenschaft ihres nationalen Kampfes und als die grundlegende Infrastruktur für den künftigen palästinensischen Staat, auch wenn sie deren zügellose Korruption ablehnen und sich von ihrer Führung abgestoßen fühlen. Darüber hinaus ist sie auch der größte Arbeitgeber der Palästinenser.

An dieser Realität wird sich nichts ändern, ob Abbas nun gestärkt wird oder nicht. Selbst wenn die Palästinensische Autonomiebehörde nach seinem Abgang in einem Bürgerkrieg zusammenbricht, werden fast alle palästinensischen Gruppierungen das Ziel verfolgen, sie wieder zu errichten.

Israel steht also vor einem Dilemma: Je deutlicher die problematischen Eigenschaften der PA und ihres Führers zutage treten, desto schwieriger wird es, die Fortsetzung der Beziehungen zu ihr zu rechtfertigen. Es bleibt zu hoffen, dass die Politik, die keine Eskalation will, aber das Gesamtbild sieht, und die Sicherheitsdienste – die davon überzeugt sind, dass kurzfristige Erwägungen im Vordergrund stehen müssen – in Israel eine offene Diskussion über diese Frage führen.

Auch Mahmoud Abbas befindet sich in einem schwierigen Dilemma. Er ist nicht bereit, sich mit der Rolle zufrieden zu geben, die Israel ihm als Chef der Zivilverwaltung im Westjordanland zugesteht. Aus seiner Sicht besteht die Aufgabe der Autonomiebehörde darin, die nationalen Ziele der Palästinenser im Einklang mit dem palästinensischen Narrativ voranzubringen und nicht nur die Situation im zivilen, wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Bereich zu verbessern.

Der PA-Chef könnte sich daher für eine Eskalation entscheiden, insbesondere, wenn er die Schuld der »extremistischen israelischen Regierung« zuschieben und so die internationale Gemeinschaft auf seine Seite ziehen kann. Seine Erfahrung hat ihn jedoch gelehrt, dass es leicht ist, aufzuwiegeln, aber schwierig vorherzusehen, wie sich ein solcher Konflikt weiterentwickeln könnte. Daher wird er trotz der Versuchung wahrscheinlich Vorsicht walten lassen.

Die derzeitige israelische Regierung würde den Status quo wahrscheinlich gerne weitreichend ändern. Sie erkennt aber auch die Grenzen ihrer Macht und wird davon absehen, israelisches Recht auf das umstrittene Gebiet C anzuwenden. Es scheint jedoch, dass sie einige Maßnahmen ergreifen wird, die das Potenzial haben, die Leidenschaften zu entfachen, und dass sie Israels Entschlossenheit überdenken könnte, die PA um jeden Preis zu sichern.

Im Gegensatz zu ihren Vorgängern wird die neue Regierung Abbas wahrscheinlich darauf hinweisen, dass er einen Preis dafür zahlen muss, hält er am verlogenen und antisemitischen Narrativ, das er vertritt, fest und unterstützt weiterhin den Terror.

Die Regierung wird weiterhin hart gegen die Terrorinfrastruktur in der Palästinensischen Autonomiebehörde kämpfen. Sie wird wahrscheinlich an der Politik der Vorgängerregierung gegenüber dem Gazastreifen festhalten, solange die Hamas den Terrorismus eindämmt. Sie könnte jedoch eine größere Entschlossenheit gegenüber der Hamas an den Tag legen, wenn diese sich am Terror beteiligt. In der heiklen Frage des Tempelbergs wird Benjamin Netanjahu wahrscheinlich eine grundlegende Änderung des Status quo vermeiden, könnte sich allerdings von extremeren Elementen in seiner Regierung herausgefordert sehen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Palästinensische Autonomiebehörde als Rahmenwerk zwar dazu beiträgt, mit dem andauernden Konflikt zu leben, ihn zu bewältigen und den Boden für eine Friedensregelung zu bereiten, dass ihre Politik jedoch äußerst problematisch ist. Anstatt den Status quo aufrechtzuerhalten, sollten die Palästinenser ermutigt werden, die PA zu verändern, damit sie schließlich Israels Existenz als demokratischen Nationalstaat des jüdischen Volkes akzeptiert. Je mehr die Palästinenser davon überzeugt werden können, dass ihre Chancen auf die Verwirklichung ihrer maximalistischen Bestrebungen schwinden, desto eher wird eine schrittweise Verbesserung möglich sein.

Die Wahl der gegenwärtigen israelischen Regierung sollte dazu beitragen, den Palästinensern diese Botschaft zu vermitteln. Das nachlassende Interesse an der palästinensischen Frage der mit anderen Problemen beschäftigten internationalen Gemeinschaft dürfte ebenfalls dazu beitragen. Der Trumpf in diesem Zusammenhang ist das Bemühen, Saudi-Arabien in den Reigen jener Länder aufzunehmen, die ihre Beziehungen mit Israel normalisiert haben.

Die Teile der palästinensischen Bevölkerung, die kein extremistisches Narrativ vertreten und nicht in den Terror verwickelt sind, sollten ermutigt werden, Maßnahmen zu ergreifen, welche die Lebensqualität der Palästinenser verbessern und Sicherheitsrisiken so weit wie möglich beseitigen. Dies wäre eine Alternative zu den Gesten an die Palästinensische Autonomiebehörde.

Israel muss seine Freunde über die Probleme aufklären, die eine Fortsetzung des Status quo mit sich bringt. Dies ist umso wichtiger, als sich die Ära Mahmoud Abbas ihrem Ende nähert. Viele der Szenarien für den »Tag danach« werden es erforderlich machen, dass Israel das Thema mit besonderer Dringlichkeit angeht.

Yossi Kuperwasser ist Direktor des Projekts über regionale Entwicklungen im Nahen Osten am Jerusalem Center for Public Affairs. Zuvor war er Generaldirektor des israelischen Ministeriums für strategische Angelegenheiten und Leiter der Forschungsabteilung des militärischen Geheimdienstes der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte. (Der Artikel erschien auf Englisch beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)

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