UNO adaptiert »Nakba«-Ideologie

Mahmoud Abbas bei seiner Rede anlässlich des »Nakba-Tages« der UNO
Mahmoud Abbas bei seiner Rede anlässlich des »Nakba-Tages« der UNO (© Imago Images / APAimages)

Schlimmer noch als die antisemitische Rede von Mahmoud Abbas beim »Nakba-Tag« der UNO, wenn auch keineswegs überraschend, ist die Tatsache, dass die UNO diesem Hasstheater eine Bühne bietet.

Ist denn bei der UNO nicht jeder Tag »Nakba-Tag«? Zumindest gibt es einen weiteren Gedenktag im November, der exakt denselben Zweck hat: Der 29. November ist für die UNO seit dem Jahr 1977 der »Tag der Solidarität mit dem palästinensischen Volk«. Der 29. November 1947 war jener Tag, an dem die UN-Generalversammlung mit großer Mehrheit den von der multilateralen UN-Mission UNSCOP vorgeschlagenen Teilungsplan für Palästina annahm. Die Resolution sah die Gründung eines jüdischen und eines arabischen Staates in Palästina mit Jerusalem als corpus separatum unter einer besonderen internationalen Regelung vor.

»Von den beiden Staaten, die gemäß dieser Resolution geschaffen werden sollten, ist bisher nur einer, Israel, entstanden«, heißt es vorwurfsvoll auf der Website der UNO. Doch warum verschweigt man, an wem es scheiterte, dass kein arabischer Staat gegründet wurde?

Waren es denn die Juden – und nicht die arabischen Führer –, die den Plan seinerzeit ablehnten und stattdessen einen Krieg mit dem Ziel begannen, das gesamte Land zu erobern? War zwischen 1948 und 1967 nicht hinreichend Zeit, um im jordanisch besetzten Westjordanland, dem jordanisch besetzten Jerusalem und dem ägyptisch besetzten Gazastreifen den arabischen Staat Palästina zu gründen? Warum wurde stattdessen im Jahr 1964 die PLO gegründet, deren erklärtes Ziel nicht etwa die Ausrufung eines palästinensischen Staates in den jordanisch und ägyptisch besetzten Territorien war, sondern allein die Zerstörung Israels? 

Am 10. November 1975 verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen auf Initiative der Sowjetunion die berüchtigte Resolution 3379 mit dem Titel »Beseitigung aller Formen der Rassendiskriminierung«, besser bekannt als »Zionismus-ist-Rassismus-Resolution«. Darin hieß es:

»Die Generalversammlung … stellt fest, dass Zionismus eine Form des Rassismus und der Rassendiskriminierung ist.«

Um keinen Zweifel daran zu lassen, wie mit dem jüdischen Staat zu verfahren sei, wurde dieser mit Regimen gleichgesetzt, die international isoliert und diskreditiert waren:

»Das rassistische Regime im besetzten Palästina und das rassistische Regime in Zimbabwe und Südafrika haben einen gemeinsamen imperialistischen Ursprung, bilden ein Ganzes, haben dieselbe rassistische Struktur und sind organisch in ihrer Politik verbunden, die darauf abzielt, die Würde und Unversehrtheit des menschlichen Wesens zu unterdrücken.«

Die Resolution wurde 1991 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen widerrufen (gegen die Stimmen der arabischen Länder), doch der Ungeist des Antisemitismus ist in der UNO heute ebenso stark verankert wie damals im Jahr 1975. Die »große rote Lüge«, wie der amerikanische UN-Botschafter Daniel Patrick Moynihan die »Zionismus-ist-Rassismus-Resolution« genannt hat, lebt. 

Die »Nakba«-Ideologie

Nun haben die Vereinten Nationen also einen »Nakba-Tag«, welcher der Trauer über die »Katastrophe«, so die deutsche Übersetzung, der Gründung Israels gewidmet ist: den 15. Mai. Das ist der Tag, an dem im Jahr 1948 das britische Palästina-Mandat endete, die Briten abzogen und fünf arabische Armeen den soeben ausgerufenen Staat Israel mit dem Ziel, diesen zu vernichten, überfielen. 

Die Behauptung, die Juden hätten 1948 Hunderttausende Araber vertrieben, was eben die »Nakba« sei, entstand erst viel später in unseren Tagen. Es war vielmehr die militärische Niederlage der arabischen Streitkräfte im selbst begonnenen Angriffskrieg, was 1948 und in den Jahren danach in der arabischen Welt als »die Katastrophe« betrauert wurde, ähnlich jenen Niederlagen, welche die deutsche Wehrmacht in Stalingrad und Nordafrika erfahren musste, oder dem Desaster der russischen Armee bei ihrem Angriff auf die Ukraine.

Es war der syrische arabisch-nationalistische Historiker Constantin Zureiq, der den Begriff »Nakba« zur Beschreibung der arabischen Niederlage 1948 zuerst benutzt hatte. Zureiq rügte die arabischen Führer dafür, dass sie den leichten Sieg, den die an Soldaten und Waffen weit überlegenen fünf angreifenden arabischen Armeen erwarteten, als sie am 14. Mai 1948 den gerade gegründeten Staat Israel überfielen, durch Schlampigkeit aus der Hand gaben und deshalb das Ziel der Vernichtung Israels verfehlten:

»Als der Kampf ausbrach, begann unsere Propaganda von unseren imaginären Siegen zu sprechen, die arabische Öffentlichkeit einzuschläfern und einen einfach zu erringenden Sieg vorherzusagen – bis die Nakba geschah … Wir müssen unsere Fehler zugeben … und das Ausmaß unserer Verantwortung für die Katastrophe erkennen, die unser Schicksal ist.«

Diese Sichtweise war die lange Zeit vorherrschende. Der palästinensische Historiker Muhammad Izzard Darwaza schrieb im Jahr 1972 dazu:

»Die Araber versagten bei ihrer schicksalhaften Prüfung nicht wegen einer etwaigen numerischen oder materiellen Unterlegenheit, denn die Juden hatten in keiner der beiden Kategorien einen Vorsprung. Sie versagten wegen des Geistes, der sie seit längerer Zeit geleitet hatte und das immer noch tut. … Ein Geist der Faulheit, der Nachlässigkeit, der Inkompetenz, des Zauderns, der Spaltung, der Selbsttäuschung, des Schwindels … Mangel an Ernsthaftigkeit, an Opferbereitschaft und Solidarität … und kein wahrer Glaube an die Sache, für die sie kämpften.«

In dieselbe Kerbe schlug die PFLP-Terroristin und zweifache Flugzeugentführerin Leila Khaled in ihrem 1973 veröffentlichten autobiografischen Buch Mein Volk soll leben. Sie gehörte 1948 als damals Vierjährige mit ihrer Familie zu jenen Arabern in Haifa, die auf Befehl des von Amin al-Husseini geführten Arab Higher Command (AHC), des zentralen Führungsorgans der Araber im britischen Mandatsgebiet Palästina, die Stadt zu verlassen hatten. Leila Khaled kommentierte das Motiv des Massenexodus so:

»Es wird auch berichtet, dass die palästinensischen Araber hofften, in ihre Häuser zurückkehren zu können, nachdem die ›eindringenden‹ arabischen Armeen Haifa zurückerobert, die Juden in die See gestoßen und ihre Rechte wiederhergestellt hätten.«

Leider, so Khaled, sei dieses Vorhaben an Inkompetenz und fehlender Moral gescheitert – an einer »sterbenden Gesellschaftsordnung«, »die auch noch glaubte, man könne einen leichten Sieg erringen«. Auch sie machte also den Glauben an einen leichten Sieg über die Juden für die Niederlage der Araber verantwortlich. An der im August 1947 beginnenden Serie von Bombenanschlägen auf jüdische Zivilisten hatte sie nur auszusetzen, dass das Morden planlos und nicht zielgerichtet durchgeführt worden sei: »Die arabische Gewalt war schlecht geplant und erschöpfte sich in ziellosen Einzelaktionen.«

An der Invasion der fünf arabischen Armeen (das Wort »Invasion« setzte sie in Anführungszeichen) bemängelte sie, die Araber hätten »kein zentrales Kommando« gehabt, »von einer Moral gar nicht zu sprechen«. Man habe sich die Sache zu einfach vorgestellt. Nachdem »die Juden in die See gestoßen« worden wären, würde man »das Leben wieder neu pachten«. Das habe sich als folgenschwere Selbsttäuschung erwiesen:

»Die arabische ›Invasion‹ lieferte, wie sich herausstellte, den Zionisten einen Vorwand, dem jüdischen Teil ein wesentliches Stück des von der UN geschaffenen arabischen Palästinas hinzuzufügen und machte es König Abdullah und seinen palästinensischen Hilfstruppen möglich, das Land Palästina auszulöschen, indem der Rest Palästinas Jordanien einverleibt wurde.«

Versteckte Wahrheit

Abgesehen davon, dass auch Khaled hier so tut, als hätten die »Zionisten« den arabischen Überfall, bei dem über sechstausend Juden Palästinas getötet wurden, auf irgendeine geheimnisvolle Art selbst eingefädelt, blieb die Terroristin vor fünfzig Jahren doch näher an der historischen Wahrheit als die Vereinten Nationen im Jahr 2023.

Dass die Gründung Israels nicht verhindert werden konnte, ist genau das, was die arabischen Führer als Katastrophe empfanden und empfinden und dessen sich die Verantwortlichen bei den Vereinten Nationen bewusst sind, sonst würden sie den »Nakba-Tag« nicht ausgerechnet am Jahrestag der israelischen Staatsgründung begehen. Beide Daten, die mit der Rolle der Vereinten Nationen bei der Gründung des Staates Israel zusammenhängen, werden von der UNO heute als »Trauertage« begangen. Stärker könnte die UNO von heute nicht zum Ausdruck bringen, dass sie nicht mehr jene von 1947/48 ist, sondern sich dafür schämt, einst an der Wiege des jüdischen Staates gestanden zu haben.

Literatur:

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