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Abbas’ Entlassung von PA-Gouverneuren: Ein letzter verzweifelter Versuch

In einem verzweifelten Versuch der Machtkonsolidierung entlässt Mahmoud Abbas fast alle PA-Gouverneure
In einem verzweifelten Versuch der Machtkonsolidierung entlässt Mahmoud Abbas fast alle PA-Gouverneure (© Imago Images / APAimages)

Die Entlassung der überwiegenden Mehrheit der palästinensischen Gouverneure interpretieren Experten als Zeichen eklatanter Schwäche des über achtzigjährigen Präsidenten.

Bradley Martin

Einer Einschätzung von Analysten aus Washington zufolge, welche die Region genau beobachten, macht der Versuch, mehr als achtzig Prozent der Regionalgouverneure seiner Behörde zu entlassen, den Grad der Verzweiflung und Korruption deutlich, von dem der 87-jährige, kränkelnde Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmoud Abbas, mittlerweile befallen ist.

Es sei mehr als deutlich, »dass Abbas die Kontrolle über die palästinensischen Gebiete verliert«, so etwa die führende Direktorin des Jewish Policy Center, Shoshana Bryen. Abbas, der mit zahlreichen Gesundheitsproblemen zu kämpfen hat, darunter auch Krebserkrankungen, glaube »angesichts der Spekulationen über ein Abkommen zwischen Israel und Saudi-Arabien, dass er sich in Stellung bringen und Forderungen an die Vereinigten Staaten stellen kann«.

Abbas traue den dreizehn entlassenen (von insgesamt sechzehn) Gouverneuren der Palästinensischen Autonomiebehörde nicht und wolle sie durch dieses »sich in Positur bringen« in die Schranken weisen, so Bryen, die den Schritt auch als Verzweiflungstat bezeichnete, da Abbas seit mehr als fünfzehn Jahren keine Kontrolle mehr über den Gazastreifen hat und damit auch keinen Einfluss auf die dortigen Gouverneure. Fraglich sei auch, ob die Betroffenen in der Westbank nicht einfach ignorieren werden, dass Abbas sie eigentlich entlassen hat.

Angesichts all dessen sei die Kritik der Regierung von US-Präsident Biden an der israelischen Justizreform, von der Biden erklärt hat, sie bedrohe Israels Demokratie, inkonsequent und einseitig, da zu den Entlassungen der PA-Gouverneure bisher nur Schweigen herrsche. »Der erste Fall stellt eine Einmischung der USA in die Innenpolitik eines demokratischen Verbündeten dar, während der zweite Fall den Unwillen zeigt, sich mit etwas zu befassen, das grenzüberschreitende Auswirkungen hat«, sagte Bryen diesbezüglich.

Das Weiße Haus, das US-Außenministerium und der Nationale Sicherheitsrat reagierten auch nicht auf mehrfache Anfragen des Jewish News Syndicate nach einem Kommentar und wollten auch die Frage nicht beantworten, ob Abbas’ fortgesetzte Herrschaft seit seiner Wahl im Januar 2005, die für eine vierjährige Amtszeit gelten sollte, eine Bedrohung der Demokratie darstelle.

Versagen der PA

Der stellvertretende Leiter der Forschungsabteilung der Foundation for Defense of Democracies, Jonathan Schanzer, erklärte, Abbas habe es versäumt, Vertrauen in die Fähigkeit der Palästinensischen Autonomiebehörde zu schaffen, im Westjordanland zu agieren. Der panische Schritt, jetzt die Gouverneure zu entlassen, sei »gleichbedeutend mit dem Versuch, die Liegestühle auf der Titanic umzustellen«, um das Schiff am Sinken zu hindern.

Die öffentlichen Reaktionen der Biden-Administration auf die Justizreform in Israel und das Fehlen eines Kommentars zu Abbas’ angekündigten Entlassungen seien laut Schanzer ein Hinweis auf die »Standardbetriebsverfahren«, die der frühere Präsident Barack Obama eingeführt hat, um Israel zu kritisieren und zugleich die PA bedingungslos zu unterstützen.

»Dies ist eine Fortsetzung der Politik der Obama-Regierung, der Palästinensischen Autonomiebehörde Unterstützung zu gewähren, ohne notwendige Reformen zu verlangen«, sagte Schanzer. Die Palästinensische Autonomiebehörde müsste unter anderem gegen die Korruption vorgehen, die Bezahlung von »Märtyrerrenten« für Terroristen beenden und einen Nachfolger für Abbas benennen. »Die US-Regierung muss der PA gegenüber Härte zeigen, aber sie hat ihre Stimme kaum dazu genutzt, die Herausforderungen anzugehen«, fügte er hinzu.

Schanzer nannte auch die jüngste zweitägige Operation der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte in Dschenin als Beispiel für das Versagen der Palästinensischen Autonomiebehörde, die Kontrolle innerhalb ihres eigenen Zuständigkeitsbereichs durchzusetzen. »Die Palästinensische Autonomiebehörde war jahrelang entweder nicht willens oder nicht in der Lage, für Sicherheit und Ordnung in Dschenin zu sorgen«, sagte er. Infolgedessen sei es der Hamas, dem Palästinensischen Islamischen Dschihad und Gruppen wie der Höhle der Löwen »erlaubt worden, sich auszutoben«.

Jüngste Umfragen zeigen, dass Abbas zutiefst unpopulär ist. Einem Bericht der palästinensischen Nachrichtenagentur Wafa zufolge entließ Abbas kürzlich die Gouverneure von Dschenin, Nablus, Qalqilya, Tulkarm, Bethlehem, Hebron, Tubas und Jericho sowie die Vertreter der Palästinensischen Autonomiebehörde für Nord-Gaza, Gaza-Stadt, Khan Younis und Rafah.

(Der Artikel erschien auf Englisch beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)

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