Der seit seinem Auftritt bei der Berliner »Hijacking Memory«-Konferenz auch in Deutschland bekannte amerikanische Politikwissenschaftler und Journalist Peter Beinart versucht, den Juden die Auflösung ihres Staates als Weg zum Frieden schmackhaft zu machen.
Einat Wilf / Adi Schwartz
Peter Beinart ist nahe dran. Er nähert sich langsam dem Verständnis des Kerns des Konflikts. Endlich erkennt er, dass es bei dem Konflikt eindeutig nicht um all die Dinge geht, die uns jahrzehntelang erzählt wurden. Es geht nicht um die militärische Besetzung von Gebieten, die als Ergebnis des Krieges von 1967 unter israelische Kontrolle kamen. Es geht nicht um die Siedlungen, die in diesen Gebieten gebaut wurden. Es geht nicht einmal um die israelische Kontrolle über Ostjerusalem.
Obwohl die palästinensischen Araber natürlich wollen, dass all diese Dinge aufhören, versteht Beinart, dass ein Ende dieser Dinge zu keinem Ende des Konflikts führen würde. Vielleicht dämmert Beinart nach der Lektüre unseres Buches The War of Return endlich, dass die Palästinenser schon immer mehr wollten. Er versteht nun, dass die palästinensische Forderung, sich im Namen der »Rückkehr« innerhalb des souveränen Territoriums des Staates Israel niederzulassen – bekannt als »Recht auf Rückkehr« – für die Palästinenser weitaus wichtiger ist als die Fragen im Zusammenhang mit der »Besetzung«, den »Siedlungen« und sogar Jerusalem.
Knapp vorbei und doch daneben
Peter Beinart schlägt daher vor, Israel solle die Forderung akzeptieren, Millionen von Palästinensern innerhalb Israels anzusiedeln, und argumentiert, dass dies sowohl machbar als auch wünschenswert wäre und vor allem eine Verwirklichung der jüdischen Werte darstelle. Seiner Meinung nach würde dies jahrzehntealte palästinensische Missstände beseitigen, was wiederum Frieden und Wohlstand ermöglichen würde.
Beinarts Vorschlag geht jedoch völlig an dem vorbei, was mit dem »Recht auf Rückkehr« erreicht werden soll. Wie wir in unserem Buch ausführlich erörtern, wurde diese Idee eines »Rechts« aller Palästinenser, sich unter Verletzung der israelischen Souveränität massenhaft in Israel niederzulassen, das nach internationalem Recht nie als Recht anerkannt worden ist, von den Arabern nach ihrer Niederlage im Krieg von 1948 entwickelt, um diesen Krieg mit anderen Mitteln fortzusetzen. Die Forderung nach »Rückkehr« war nie dazu gedacht, Frieden zu schaffen, sondern um doch noch das Ziel zu erreichen, das den Arabern im Krieg von 1948 misslungen war: die Verhinderung jüdischer nationaler Selbstbestimmung.
Die Ansiedlung der ursprünglichen Flüchtlinge und ihrer Millionen Nachkommen im Staat Israel war und ist keine humanitäre Geste, wie Beinart zu glauben scheint, sondern eine politische Aktion, die darauf abzielt, die arabische und muslimische Vorherrschaft in einem Land wiederherzustellen, das die Palästinenser als ausschließlich ihnen gehörend betrachten. Insofern war das »Recht auf Rückkehr« nie eine unschuldige Idee, die von der breiteren arabischen politischen Ablehnung der jüdischen Selbstbestimmung losgelöst war. Es ging nie einfach um die Rückkehr der Araber in das gesamte Land, sondern darum, den Arabern das gesamte Land zurückzugeben.
Aus diesem Grund lehnte die palästinensische Führung die Rückkehr vieler palästinensischer Flüchtlinge in ihre Heimat während des Krieges von 1948 oder unmittelbar danach mit dem Argument ab, dass dies zu jenem Zeitpunkt die faktische Anerkennung der Existenz Israels bedeuten würde. Es war klar, dass die Frage der Rückkehr der Flüchtlinge der übergeordneten Frage der Ablehnung der Legitimität Israels untergeordnet war. Solange die Rückkehr der Flüchtlinge als Zustimmung zur Legitimität Israels angesehen wurde, wurde sie abgelehnt.
Im Sommer 1948 unterzeichnete der Jerusalemer Mufti Haj Amin al-Husseini, der Führer der palästinensischen Araber, im Namen des Arabischen Oberkomitees ein Dekret, in dem er die Bereitschaft der arabischen Staaten zur Rückkehr der Flüchtlinge nach Israel mit der Begründung angriff, dies setze Verhandlungen mit dem neugeborenen Staat voraus und verschaffe ihm somit faktische Anerkennung und Legitimität.
In diesem Sinne lehnte auch Emil Ghury, ein weiterer Funktionär des Arabischen Oberkomitees, jede Möglichkeit einer Rückkehr der Flüchtlinge in ihre Heimat ab, da dies »der erste Schritt zur arabischen Anerkennung des Staates Israel und der Teilung [des Mandatsgebiets Palästina] wäre«. Die Lösung, so Ghury, sei »nur durch die erneute Eroberung der von den Juden eroberten Gebiete und die Rückkehr ihrer Bewohner möglich«. Die Rückkehr sei ein Teil der Rückeroberung des Gebiets. Er warnte ausdrücklich davor, das Problem unter einem zu engen Gesichtspunkt zu sehen, als sei es bloß eine humanitäre Frage. Er beklagte, dass damit »eine Frage des Dschihad in ein Flüchtlingsproblem verwandelt wurde«. Mit Blick auf die Zukunft stellte Ghury klar:
»Es geht uns darum, zurückzukehren und die Frage wieder in eine Frage des Dschihad zu verwandeln. Es geht uns darum, den Judenhass im Herzen eines jeden Arabers zu wecken.«
Rückgängigmachen der Geschichte
Dies markiert den Beginn einer Verbindung, die bis heute zwischen dem Flüchtlingsproblem und den umfassenderen Zielen der arabischen Welt in diesem Konflikt besteht. Die palästinensischen Führer machten klar, dass sie die Notlage der Flüchtlinge als zweitrangig gegenüber der für sie wichtigsten politischen Frage betrachteten: der Beseitigung Israels, der Umkehrung des Kriegsverlaufs und der Verhinderung einer territorialen Teilung des Gebiets.
Die Rückkehr war und ist also nicht nur eine Frage der Geografie, sondern auch eine der Zeit. Es geht nicht nur darum, zehn oder zwanzig Meilen weiter in zurückgelassene Häuser zu ziehen, sondern vor allem darum, in eine Zeit vor der Gründung Israels und der empfundenen Katastrophe, der Nakba, zurückzukehren. Damals bezog sich der Begriff Katastrophe nicht nur auf die Vertreibung der palästinensischen Araber, sondern auch auf die erniedrigende Erfahrung der Niederlage gegen die Juden. In der arabischen Vorstellung geht es bei der »Rückkehr« also nicht nur um die physische Übersiedlung von einem Ort zum anderen, sondern um die Umkehrung aller früheren Ereignisse.
Der palästinensische Historiker Walid Khalidi führte in den 1950er Jahren aus, dass die Rückkehr kein Selbstzweck sei. In Worten, die wie eine direkte Antwort auf Beinarts fehlgeleitete Vorstellungen klingen, schrieb er:
»Immer wieder wird suggeriert, der Weg zur Lösung des Palästina-Problems bestehe darin, es stückweise anzugehen. Würden die Flüchtlinge angesiedelt sein, wäre das größte Hindernis für eine Lösung beseitigt, heißt es dann. … Aber das Palästina-Problem wird auch dann so akut bleiben wie jetzt, wenn jeder Palästina-Flüchtling angesiedelt ist. Die Flüchtlinge mögen der sichtbare Beweis für das Verbrechen sein, der aus dem Blickfeld geräumt werden muss, aber nichts wird die Narbe Palästinas aus den arabischen Herzen entfernen können. … Die Lösung des Palästina-Problems kann nicht in der Ansiedlung der Flüchtlinge gefunden werden.«
Dieses Eingeständnis ist der Kern der Sache: Das Flüchtlingsproblem ist weder damals noch heute eine rechtliche oder humanitäre Frage, sondern in erster Linie ein politisches Problem, das den arabischen Wunsch widerspiegelt, das gesamte Land zu beherrschen und den Juden die Souveränität in jedem Teil davon abzusprechen.
Ziel ist die Vernichtung Israels
Kurz nach dem Krieg von 1948, als dessen Resultate immer offensichtlicher wurden und Israels Gründung immer schwerer zu ignorieren war, änderte die palästinensische Führung ihre Position radikal. Die palästinensischen Führer erkannten, dass die Forderung nach der Rückkehr der Flüchtlinge den neuen Status quo ins Wanken bringen und die Existenz des Staates Israel untergraben könnte. Die Forderung nach Rückkehr, so analysierte der palästinensische Historiker Rashid Khalidi die damalige Stimmung in der arabischen Welt, war eindeutig auf die Befreiung Palästinas, d. h. auf die Auflösung Israels ausgerichtet.
Einige arabische Politiker und Medien verknüpften die Forderung nach Rückkehr ausdrücklich mit der Beseitigung des Staates Israel. Im Oktober 1949 sagte der ägyptische Außenminister Muhammad Salah al-Din:
»Es ist bekannt und wird so verstanden, dass die Araber, wenn sie die Rückkehr der Flüchtlinge nach Palästina fordern, deren Rückkehr als Herren des Landes und nicht als dessen Sklaven meinen. Mit größerer Klarheit: Sie meinen die Liquidierung des Staates Israel.«
Auch der palästinensische Journalist und Historiker Nasir al-Din Nashashibi erklärte:
»Wir wollen nicht zurückkehren, wenn auf einem einzigen Quadratmeter unseres Landes die Flagge Israels weht, und wenn wir tatsächlich zurückkehren wollen, dann in einer ehrenhaften Rückkehr und nicht in einer entwürdigenden Rückkehr, nicht in einer Rückkehr, die uns zu Bürgern des Staates Israel macht.«
In einem Artikel der libanesischen Wochenzeitung Al-Sayyad hieß es im nach Ende des Krieges im Februar 1949:
»Wir sind nicht in der Lage, [die Flüchtlinge] ehrenhaft zurückkehren zu lassen. Versuchen wir also, sie zu einer fünften Kolonne im vor uns liegenden Kampf zu machen.«
Ein Jahr später erklärte ein Artikel in derselben Zeitung, die Rückkehr der Palästinenser
»schafft eine große arabische Mehrheit, die als das wirksamste Mittel zur Wiederbelebung des arabischen Charakters Palästinas dienen und gleichzeitig eine mächtige fünfte Kolonne für den Tag der Rache und der Abrechnung bilden würde«.
»Nachdem sie den Krieg verloren hatten«, brachte der Historiker Avi Shlaim diese Entwicklung auf den Punkt, »nutzten die arabischen Regierungen jede Waffe, die sie finden konnten, um den Kampf gegen Israel fortzusetzen, und das Flüchtlingsproblem war eine besonders wirksame Waffe, um Israel in der internationalen öffentlichen Meinung in die Defensive zu drängen«. Wie Benny Morris schrieb, »waren und blieben die Flüchtlinge ein politisches Problem«, und die arabischen Staaten argumentierten, dass ihre Rückkehr nach Israel »dazu beitragen könnte, den jüdischen Staat zu untergraben, gegen dessen weitere Existenz sie Einwände erhoben«.
Aud diese Weise entstand die palästinensische Forderung nach Rückkehr, und das ist der Grund dafür, dass sie seit mehr als 70 Jahren aufrechterhalten wird. Sie soll dem Ziel dienen, Israel zu vernichten. Wann immer sich eine Gelegenheit bot, den humanitären Aspekt des Problems zu lösen, ohne das politische Ziel der arabischen Vorherrschaft in dem Land zu erreichen, wurde sie abgelehnt.
So lehnten die Palästinenser beispielsweise israelische Angebote ab, einige der Flüchtlinge gleich nach dem Krieg als israelische Staatsbürger in Israel anzusiedeln. Sie lehnten auch Entschädigungsangebote Israels für den Verlust von Eigentum im Krieg ab, wenn dies bedeutete, ein umfassendes Friedensabkommen unterzeichnen zu müssen, das die Existenz Israels legitimieren würde. Selbst als ein namhafter Palästinenser Anfang der 1950er Jahre den Plan umsetzen wollte, in einem Versuchsdorf neue Häuser und Lebensgrundlagen für die palästinensischen Flüchtlinge zu bauen und so ihre Lebensbedingungen zu verbessern und ihre Menschenwürde wiederherzustellen, reagierten die Palästinenser mit dem Niederbrennen des Dorfes.
Bei all dem ging und geht es nicht darum, eine moralische oder humanitäre Ungerechtigkeit zu beheben, wie Beinart meint, sondern darum die jüdische Unabhängigkeit rückgängig zu machen. Das ist in den Augen der Palästinenser und Araber die größte Ungerechtigkeit überhaupt: dass die Juden souverän sind und ihr Schicksal in einem Gebiet bestimmen, das nach Ansicht der Araber ausschließlich ihnen gehören sollte.
Ziele unvereinbar
Im Januar 2001 wiederholte die offizielle Zeitschrift der Fatah diese Idee mit dem Argument, dass die Massenrückkehr von Flüchtlingen
»den Juden helfen würde, sich von dem rassistischen Zionismus zu befreien, der ihnen eine dauerhafte Isolation vom Rest der Welt aufzwingen will«.
Bei der Ausübung des Rückkehrrechts geht es also eindeutig nicht um humanitäre Belange, sondern um das politische Ziel, den Charakter Israels zu verändern, seinen Charakter als Nationalstaat des jüdischen Volkes zu beenden und es in einen weiteren arabisch dominierten Staat zu verwandeln. Dabei präsentierten sich die Palästinenser als freundliche Ärzte, die Euthanasie für einen Patienten anbieten, der noch sehr gerne leben möchte.
Diese zugrunde liegende Weltanschauung erklärt, warum der Nakba bis heute am 15. Mai, dem Tag nach der Gründung des Staates Israel, gedacht wird. Wenn die Nakba die Erinnerung an die arabische Enteignung oder das Leiden der Palästinenser bedeuten würde, hätte man sie an dem Tag begehen können, an dem Haifa oder Jaffa, vor dem Krieg zwei der wichtigsten arabischen Städte, in jüdische Hände fielen. Sie hätte auch an dem Tag begangen werden können, an dem das Dorf Deir Yassin verloren ging – ein wichtiger Meilenstein, der zu einer größeren arabischen Flucht im Krieg führte.
Aber die Nakba steht nicht für den humanitären Verlust von Menschenleben oder die Tatsache, dass Palästinenser zu Flüchtlingen wurden, sondern für den Verlust der politischen Vorherrschaft in einem Teil des Landes an die Juden und für die demütigende Niederlage der arabischen Streitkräfte. In den Augen der Palästinenser dauert die Nakba daher bis heute an, nicht wegen möglicher Delogierungen in Sheikh Jarrah, sondern weil die Nakba ein Synonym für die Existenz Israels selbst ist: Sie wird in dieser Vorstellung weitergehen, solange Israel existiert, und nur das Verschwinden des jüdischen Staates würde ihr ein Ende setzen. Für die Palästinenser geht es beim Gedenken an die Nakba nicht um die Erinnerung an die Vergangenheit, sondern darum, sich eine Zukunft vorzustellen, in der diese Vergangenheit umgekehrt, Israel verschwunden und das Land in seiner Gesamtheit arabisch ist.
Man kommt nicht um die einfache Tatsache herum, dass der Konflikt fortbesteht, weil die Ziele beider Seiten unvereinbar sind. Die Juden wollen zumindest in einem Teil des Landes einen souveränen Staat haben, und die palästinensischen Araber wollen, dass die Juden in keinem Teil des Landes einen souveränen Staat haben. Wie der britische Außenminister Ernest Bevin am Vorabend der Teilung treffend formulierte:
»Die Regierung Seiner Majestät stand also vor einem unüberbrückbaren Prinzipienkonflikt … Für die Juden ist der wesentliche Grundsatz die Schaffung eines souveränen jüdischen Staates. Für die Araber besteht der wesentliche Grundsatz darin, der Errichtung jüdischer Souveränität in irgendeinem Teil Palästinas bis zum Letzten Widerstand entgegenzusetzen.«
Bevin verstand sehr gut, dass es sich nicht um einen Konflikt zwischen zwei nationalen Bewegungen handelte, die beide in erster Linie ihre eigene Unabhängigkeit anstrebten, sondern dass eine Gruppe – die Araber – in erster Linie versuchte, die Unabhängigkeit der anderen Gruppe – der Juden – zu verhindern. Nur eine klare Entscheidung zwischen diesen unvereinbaren Zielen könne daher den Konflikt ein für alle Mal lösen.
Falsche Gleichsetzung
Beinarts Lösung für diese Frage scheint klar: Für ihn sind Juden diejenigen, die ihren Staat aufgeben sollten. Dies ist das langfristige Projekt, das Beinart verfolgt, und er versucht, die Juden davon zu überzeugen, dass der Verzicht auf ihren Staat, ihre Souveränität und ihre Selbstverteidigung die wahre Verwirklichung jüdischer Werte sei. Diese Vorstellung ist das Echo eines uralten, dunklen Wunsches, der immer im jüdischen Leben lauerte: der Wunsch, dem historischen Gewicht des Jüdischseins zu entkommen, indem man völlig verschwindet; indem man aufhört, jüdisch zu sein oder zumindest nicht mehr so sichtbar und offensichtlich jüdisch ist, wie Israel und der Zionismus es ohne Frage sind. Zumindest, darauf läuft das Argument hinaus, werde als machtloses Volk ohne Wahlmöglichkeiten die jüdische Moral bewahrt; ein Argument, das auch als die Ansicht bekannt ist, die Juden seien das letzte Mal wirklich moralisch gewesen, als sie darauf warteten, die Duschen von Auschwitz zu betreten.
Im Zuge seines Versuchs, die Auflösung der jüdischen Souveränität als jüdischen Wert darzustellen, setzt Beinart die jüdische mit der palästinensischen »Rückkehr« gleich. Doch sind die jeweiligen Vorstellungen beider Seiten von »Rückkehr« lediglich die Widerspiegelung ihrer sich gegenseitig ausschließenden Ziele: der jüdischen Selbstbestimmung bzw. ihrer Verweigerung.
Da zurzeit der Entstehung des Zionismus die überwiegende Mehrheit der seit Jahrtausenden in der Diaspora verstreuten Juden außerhalb des Landes Israel lebte, konnte die Selbstbestimmung in diesem Land nur durch jüdische Einwanderung – die »Rückkehr« – in das Land verwirklicht werden. Die jüdische »Rückkehr« in das Land Israel an sich war nie ein Ziel des Zionismus, das Ziel war die (nationale) Selbstbestimmung. Zuvor konnten Juden konnten in das Land Israel »zurückkehren«, die Tora studieren, dort leben und nach langer Zeit im Exil dort begraben werden. Das an sich war alles kein Ziel des Zionismus. Die Frage, um die es ging, war, dass das Land von anderen regiert wurde und die Juden sich nicht selbst regieren konnten. Der Zionismus führte die Möglichkeit ein, dass die Juden das Land selbst regieren konnten und forderte sie zu diesem Zweck auf, in das Land zurückzukehren und beim Aufbau ihres – nach dem Babylonischen Exil, der Zerstörung des Zweiten Tempels durch die Römer – dritten Souveräns mitzuhelfen.
Da das oberste Ziel des Zionismus die Souveränität über das Land war und nicht die »Rückkehr« auf jeden einzelnen Quadratmeter, den ihre hebräischen, israelitischen und judäischen Vorfahren jemals betreten hatten, stimmten die zionistischen Führer jedem der Teilungspläne zu, die ihnen zu verschiedenen historischen Zeitpunkten unterbreitetet worden waren.
Es ist nicht so, dass die Juden anfangs nicht davon geträumt hätten, das gesamte Land zu besitzen. Die Karte, die Chaim Weizmann 1919 auf der Pariser Friedenskonferenz vorlegte, umfasste nicht nur den heutigen Staat Israel, Judäa, Samaria und Gaza, sondern auch Teile des heutigen Südlibanon und das Ostufer des Jordan, das heute zum Königreich Jordanien gehört. Als dieser Plan jedoch mit der Realität kollidierte, vor allem mit der Anwesenheit einer großen arabischen Bevölkerung, die sich den zionistischen Ambitionen widersetzte, war der Zionismus pragmatisch genug, seine romantischen und spirituellen Wünsche an diese Realität anzupassen. Da das Ziel die Selbstbestimmung war, waren die Grenzen verhandelbar.
Vergleicht man Weizmanns Karte mit David Ben Gurions Vorschlag für die Aufteilung des britischen Mandats im Jahr 1946, so wird deutlich, wie pragmatisch der Zionismus war. Auf dieser Karte, welche die Jewish Agency dem anglo-amerikanischen Untersuchungsausschuss vorlegte, sind die Zugeständnisse der Zionisten deutlich zu erkennen, die selbst vorschlugen, in den für das Judentum historisch bedeutendsten Gebieten des Heiligen Landes einen arabischen Staat zu gründen. Innerhalb von etwa 25 Jahren ging der Zionismus von der Forderung nach einem großen Stück des Landes dazu über, das Land aufzuteilen und sich mit dem zufrieden zu geben, was er vernünftigerweise bekommen konnte.
Als die Vereinten Nationen im November 1947 für die Teilung stimmten, blieb Jerusalem – Zion auf Hebräisch, der Ursprung des Wortes Zionismus – als corpus separatum in internationaler Hand. Auch das als Judäa bekannte Gebiet südlich von Jerusalem – von dem sich das Wort Jude ableitet – blieb in arabischer Hand. Als jedoch bekannt wurde, dass die UNO für einen jüdischen Staat auf etwa der Hälfte des Mandatsgebiets gestimmt hatte, gingen Tausende von Juden auf die Straße und feierten die bevorstehende Erlangung der Souveränität auch nur über einen kleinen Teil des Landes. Obwohl der jüdische Staat eine beträchtliche arabische Bevölkerung haben sollte, war klar, dass der jüdische Staat, sobald er endlich seine Tore für Juden aus aller Welt öffnen konnte, eine solide jüdische Mehrheit haben würde, wobei alle bisherigen Einwohner an ihrem Platz bleiben würden. Dies und nicht die Vertreibung der palästinensischen Araber, wie Beinart fälschlicherweise behauptet, war die Art und Weise, wie der jüdische Staat gegründet werden sollte.
Alle Verhandlungen scheiterten
Im Gegensatz zu diesem jüdischen Ziel der Selbstbestimmung, selbst in einem stark verkleinerten Gebiet, bestand das übergreifende arabische Ziel darin, die jüdische Souveränität in jedem Teil des Landes zu verhindern. Dieses Ziel war der Auslöser für zahlreiche Gewaltausbrüche gegen die frühe jüdisch-zionistische Präsenz im Land, zunächst unter den Osmanen und später unter den Briten, sowie für die pauschale Ablehnung verschiedener Teilungspläne, die in dem Krieg gipfelte, der von 1947 bis 1949 von Arabern aus der gesamten Region geführt wurde, um die Teilung und die Gründung eines jüdischen Staates in allen Grenzen zu verhindern. Es kann nicht genug betont werden, dass es zwei Staaten – einen jüdischen und einen arabischen – geben könnte, die friedlich nebeneinander leben, wenn die Araber einen der Teilungspläne akzeptiert hätten; und niemand wäre vertrieben worden.
Hätten die Juden die palästinensische Version der »Rückkehr« nachgeahmt, die darauf besteht, sich an allen Stätten niederzulassen, an denen ihre Vorfahren gelebt haben, dann hätten sich die Juden immer wieder gegen die Teilung gewehrt und darauf bestanden, dass nur die vollständige »Rückkehr« zum Tempelberg, nach Silo und Beit El, nach Hebron und Jericho und zu allen biblischen historischen Stätten, an denen Israel als Nation geformt wurde, akzeptabel ist – und alles, was dahinter zurückbleibt, der Grund für einen auf Auslöschung zielenden Krieg. Aber die zionistischen Juden waren pragmatisch und realistisch genug, um zu verstehen, dass die Forderung nach einer Rückkehr zu den Stätten ihrer Vorfahren unter Missachtung der Veränderungen vor Ort und unter Missachtung der Rechte ihrer Nachbarn einen ewigen Krieg bedeutet hätte.
Tatsächlich hatten die palästinensischen Flüchtlinge und ihre Nachkommen mehrfach die Möglichkeit, es der jüdisch-zionistischen Version der »Rückkehr« in einen eigenen souveränen Staat gleichtun können. Die Palästinenser hätten in einen palästinensischen Staat zurückkehren können, der nicht wie der jüdische Staat jeden einzelnen Ort umfassen würde, zu dem sie eine historische und emotionale Verbindung haben. Dies wurde ihnen von Bill Clinton im Jahr 2000 und von Ehud Olmert im Jahr 2008 angeboten. Doch die Palästinenser lehnten diese Angebote wiederholt ab und machten deutlich, dass sie die »Rückkehr« in einen unabhängigen, souveränen palästinensischen Staat in einem Teil des Landes einfach nicht wollten.
Beinart und viele andere wollen uns glauben machen, dass es einmal eine Zeit gab, in der die Palästinenser eine Zweistaatenlösung unterstützten, aber da Israel Schritte unternommen habe, um diese zu verhindern, bestehe die einzige verbleibende moralische Wahl derzeit darin, die palästinensischen Flüchtlinge und ihre Nachkommen innerhalb Israels anzusiedeln. Aber die Zweistaatenlösung war nie lebendig; und dies nicht wegen der israelischen Maßnahmen, sondern wegen des palästinensischen Beharrens auf einer Ansiedlung innerhalb Israels im Namen der »Rückkehr«. Dies war der Grund für das wiederholte Scheitern der zahlreichen Verhandlungsrunden.
Welche Lösung präferiert Beinart?
In seinem Bemühen, die Auflösung der jüdischen Souveränität als höchsten jüdischen Wert darzustellen, hofft Beinart, die Juden dazu zu bringen, sich bereitwillig an der Entmachtung ihres souveränen Staates zu beteiligen, indem er sie mit grausamen Details israelischer Aktionen im Krieg von 1948 überhäuft. Dabei scheint er, wie viele Palästinenser, zu suggerieren, dass die Unterstützung der »Rückkehr« der Palästinenser das Mindeste wäre, was von den Juden erwartet wird, um für ihre Taten in der Vergangenheit zu büßen.
Aber die Schrecken des Krieges selbst können unmöglich der Grund dafür sein, dass die Palästinenser eine »Rückkehr« fordern. Wenn überhaupt, dann ist es genau umgekehrt. Der arabische Groll gegen die zionistischen Juden bestand schon vor dem Krieg. Der Krieg selbst war das Ergebnis und der Höhepunkt der gewaltsamen arabischen Ablehnung des Zionismus, die begann, sobald die Juden Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Aufbau ihrer nationalen Heimstätte in ihrem angestammten Land begonnen hatten. Der Krieg, die Opfer und die begangenen Gräueltaten sind nicht die eigentliche Quelle des palästinensischen Unmuts: Es ist vielmehr der Verlust eines Teils des Landes – eines beliebigen Teils – an die jüdische Souveränität.
Die palästinensischen Araber und die arabischen Armeen haben während des gesamten Unabhängigkeitskrieges grausame Taten begangen, die nicht nötig gewesen wären, hätten sie nur die Teilung akzeptiert. Andere Konflikte in der Welt, die zur selben Zeit stattfanden, waren weitaus blutiger und hatten wesentlich mehr Tote und Flüchtlinge zur Folge. Dennoch kann sich niemand vorstellen, dass die Deutschen in die Tschechische Republik zurückkehren, aus der sie 1946 vertrieben wurden, wobei einige von ihnen mit ausgestochenen Augen in Viehwaggons geworfen wurden, als man sie über die Grenze schickte. Auch denkt niemand daran, dass Pakistaner und Inder nach dem blutigen Bevölkerungstransfer, der während der Teilung des indischen Subkontinents stattfand, als überfüllte Zugwaggons, die nur die Leichen von Flüchtlingen transportierten, die neue Grenze überquerten, in ihre alte Heimat zurückkehren.
Man kann die Augen nicht vor der einfachen Erkenntnis verschließen, dass der Konflikt zwischen Juden und Arabern nur endet und vollständig gelöst wird, wenn eine der beiden drastischen Konsequenzen gezogen wird: Entweder resultiert der Antizionismus darin, dass die Juden nicht mehr im Besitz der Selbstbestimmung in dem Land sind, wie es Beinart vorzuschlagen scheint. Oder der Zionismus wird schließlich von der arabischen Welt akzeptiert und die jüdische Selbstbestimmung zugelassen. Kommt es nicht zu einer dieser beiden Möglichkeiten, wird der Konflikt weitergehen, wobei die Gewalt immer wieder aufflammt und bloß die Formen und Mittel wechselt.
Das Land zwischen dem Jordan und dem Mittelmeer kann geteilt werden, ebenso wie das Wasser, die Luft und die natürlichen Ressourcen. Es könnten Sicherheitsvereinbarungen getroffen werden. Siedlungen könnten aufgelöst werden, wie es schon in der Vergangenheit passierte. Was jedoch nicht in Einklang gebracht werden kann, ist der Zionismus mit dem Antizionismus. Eine Lösung des Konflikts in dem Sinne, dass er vollständig beendet wird, bedeutet, dass entweder der Zionismus oder der Antizionismus bestehen bleibt. Beides geht nicht. Es gibt keine »Mittelweg« zwischen Zionismus und Antizionismus. Der Mittelweg ist der Konflikt, den wir in den letzten 150 Jahren hatten.
Friedensstifter müssen sich entscheiden, welchen Weg zum Frieden sie bevorzugen, um den Konflikt zu lösen. Es gibt diejenigen, die den Konflikt beenden wollen, indem sie den Zionismus abschaffen, wie Beinart es tut, und deshalb befürworten sie eine Vielzahl von Mitteln, um die Juden ihrer Souveränität zu berauben. Ob sie nun »einen Staat« oder »zwei Staaten« samt »Rückkehr« für alle Palästinenser oder »Gerechtigkeit und Rechte für die Palästinenser« fordern: All das sind bloß Formulierungen, die leider immer noch bedeuten, dass die Juden nirgendwo und in keinen Grenzen selbst regieren und Macht ausüben werden.
Wir sind jedoch der festen Überzeugung, dass es noch keine praktikable Alternative zur jüdischen Selbstbestimmung als einem Mittel zur Gewährleistung der Sicherheit, der Würde und des Gedeihens des jüdischen Volkes gibt. Und wir weigern uns, uns durch leere Versprechungen beschwichtigen zu lassen, dass es den Juden als Minderheit, die unter anderen lebt, gut gehen würde, auch wenn es kein Israel mehr gibt. Wir fragen uns, was diejenigen tun werden, die die Sorgen über das Schicksal der Juden ohne souveränen Staat beiseiteschieben, wenn ihre Vorschläge und Fantasien sich als falsch erweisen.
Nur Akzeptanz führt zum Frieden
Unser Weg zum Frieden ist also der der arabischen Akzeptanz des Zionismus. Die arabische Akzeptanz des Zionismus ist ein erreichbares Ziel, und das Abraham-Abkommen hat gezeigt, wie eine solche Zukunft aussehen könnte. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass dies die vorherrschende Position in der arabischen Welt wird, bevor die meisten Araber und Palästinenser alle Mittel – von Kriegen über Terrorismus bis hin zu internationaler Verurteilung – ausgeschöpft haben und sie für unzureichend halten, um die Region von jüdischer Souveränität zu »befreien«. Dies wird nicht geschehen, solange der Westen der palästinensischen Idee der »Rückkehr« nachgibt.
Der Westen hat einmal eine grundlegende Wahrheit verstanden: Damit es Frieden gibt, muss der Krieg beendet werden. Wenn sich die Palästinenser endlich mit der Tatsache abfinden, dass ihr langer Krieg gegen die jüdische Souveränität vorbei ist und sie sich eine Zukunft neben, aber nicht anstelle von Israel aufbauen wollen, dann wird es Frieden geben.
Der Artikel erschien auf Englisch beim Fathom Journal, bei dem wir uns für die Erlaubnis zur Übersetzung und Republikation bedanken möchten.