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Vom Elend des »israelkritischen« Kulturbetriebs

Die Documenta musste das antisemitische Machwerk der Künstlergruppe Taring Padi letztlich abhängen. (© imago images/Hartenfelser)
Die Documenta musste das antisemitische Machwerk der Künstlergruppe Taring Padi letztlich abhängen. (© <a href="http://www.imago-images.de">imago images</a>/Hartenfelser)

Fragmentarische Betrachtungen zur Kunstschau documenta in Kassel und zur Tagung »Hijacking Memory« in Berlin.

Erwartungsgemäß antisemitisch

Wo BDS draufsteht, ist Antisemitismus drin. So einfach ist das, aber bei den documenta-Verantwortlichen wollte man diese schlichte Tatsache entweder nicht wahrhaben, oder man hat sie hingenommen, wenn nicht gar begrüßt.

Schon im Januar hatte das Bündnis gegen Antisemitismus Kassel eine umfangreiche Recherche veröffentlicht und darauf hingewiesen, dass sich in der Findungskommission, der künstlerischen Leitung, dem künstlerischen Team und den eingeladenen Künstlergruppen allerlei Unterstützer der antisemitischen Bewegung für einen Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen gegen Israel tummeln. Der Zentralrat der Juden hatte eindringlich vor den Folgen dieses Umstands gewarnt.

Doch vonseiten der documenta-Generaldirektorin Sabine Schormann und des Kasseler Oberbürgermeisters Christian Geselle, der dem Aufsichtsrat der documenta vorsteht, hieß es in völliger Verkennung der Realität, Antisemitismus habe auf der documenta keinen Platz, es werde dort deshalb auch keinen Antisemitismus geben.

Es gab ihn dann aber erwartungsgemäß doch. Und er manifestierte sich nicht nur im riesigen Schlachtengemälde »Peoples‘ Justice« des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi, in dem Juden als Nazis und Schweine dargestellt sind. Sondern beispielsweise auch im Zyklus »Guernica Gaza«, der die israelische Armee mit der deutschen Wehrmacht während des Nationalsozialismus gleichsetzt, und in einem Propagandafilm zur Verherrlichung der terroristischen Japanischen Roten Armee, die im Mai 1972 am Flughafen Lod bei Tel Aviv ein Massaker mit 26 Toten ins Werk gesetzt hatte. Der Film solle »Auskunft über die weitestgehend übersehene und nicht dokumentierte antiimperialistische Solidarität zwischen Japan und Palästina geben«, heißt es dazu auf der Website der documenta. Eine Solidarität, die in einem Blutbad in Israel kulminierte – das muss sie sein, die Zärtlichkeit der Völker.

Nun wurde auf der Kunstschau auch noch die faksimilierte Broschüre eines algerischen Frauenkollektivs mit antisemitischen Darstellungen israelischer Soldaten gesichtet – von Karikaturen im »Stürmer«-Stil über die Kindermörder-Legende bis zu Vergewaltigungsfantasien war alles dabei. Vermutlich wird es nicht das letzte judenfeindliche Exponat sein, das auf der documenta zu finden ist. So etwas kommt eben dabei heraus, wenn man Kuratoren und Künstler einlädt und gewähren lässt, die den Boykott des jüdischen Staates für eine gute Idee halten.

Das hätten die documenta-Verantwortlichen wissen können, ja, wissen müssen, doch sie zogen es vor, die Kritik des Bündnisses gegen Antisemitismus und verschiedener Medien als »rassistisch« zurückzuweisen und als neokoloniale Attacke auf den »globalen Süden« zu geißeln.

Zurückgetreten ist nach wochenlanger Kritik lediglich Generaldirektorin Schormann, ansonsten gibt es keinerlei politische oder personelle Konsequenzen. Der Antisemitismus auf der documenta bleibt schlicht folgenlos, von der Kritik in den Feuilletons abgesehen. Schormanns kommissarischer Nachfolger Alexander Farenholtz darf sogar ungeahndet Sätze sagen wie: »Die Zahlen sind sehr gut, die Stimmung auch. Ich glaube, dass die documenta als Ausstellung auf einem hervorragenden Kurs ist.« In ihrem Lauf hält sie jedenfalls weder Ochs noch Esel auf, so viel ist sicher. Farenholtz hat ja nicht einmal Hakennasen gesehen, sondern bloß die »unsympathische Darstellung von militärischer Gewalt«.

Es ist wirklich bemerkenswert, wie sehr die Verantwortlichen für die Kunstschau mit jedem Statement noch tiefer in die Peinlichkeit hinabgleiten, ohne deshalb etwas befürchten zu müssen. Finanziert wird die documenta übrigens aus Mitteln der Stadt Kassel, des Landes Hessen und der Kulturstiftung des Bundes. Hier sollte eigentlich der Hebel zu finden sein, um der störrischen Ignoranz der Führung angemessene Konsequenzen folgen zu lassen. Dass das passieren wird, darf man allerdings bezweifeln. Wenn es schon keine einschneidenden personellen Maßnahmen gibt, wird es der documenta auch nicht ans Budget gehen.


Bühne frei für BDS-Sympathisanten

Das ideologische Intro zur documenta wurde auf der Tagung »Hijacking Memory« gespielt, die wenige Tage vor dem Beginn der Ausstellung im Berliner Haus der Kulturen der Welt stattfand. Stefan Laurin hatte Recht, als er urteilte: »Ziel des vom Steuerzahler finanzierten Stelldicheins war es, das Gedenken an den Holocaust und die Solidarität mit Israel als rechts und provinziell zu denunzieren.« Daniel Botmann, Geschäftsführer des Zentralrats der Juden in Deutschland, sagte, auf der Tagung seien »ähnlich wie auf der documenta auch Vertreter von postkolonialen Positionen besonders aktiv daran beteiligt« gewesen, »die Ängste und Befürchtungen der in Deutschland lebenden Juden lächerlich zu machen oder in den Dunstkreis rechtspopulistischer Gesinnung zu stellen«.

Die Referenten und Organisatorinnen waren das Who is Who der linken »Israelkritik«, man war ganz unter sich, und entsprechend fielen die Botschaften von »Hijacking Memory« aus. Der Bundestagsbeschluss, die BDS-Bewegung als antisemitisch zu verurteilen und sie von jeglicher staatlichen Unterstützung auszuschließen, wurde dort als Instrumentalisierung der deutschen Geschichte gesehen. Denn er marginalisiere die Stimmen des »globalen Südens«, bringe also vor allem Palästinenser zum Schweigen. Folgerichtig wurde auf der Konferenz der Film »Boycott« aus dem Jahr 2021 gezeigt, produziert von der BDS-Unterstützerin Suhad Babaa. Darin geht es um Amerikaner, die vor Gericht die BDS-Bewegung unter Berufung auf die Freiheit der Rede verteidigen.

Namhafte BDS-Sympathisanten bekamen auf der Konferenz eine Bühne geboten; auf den Gedanken, dass sie selbst »Hijacking Memory« betreiben, kämen die Veranstalter und die weitaus meisten Redner der Tagung vermutlich nie. Der polnische Historiker Jan Grabowski, einer der Podiumsgäste der Konferenz, hat immerhin öffentlich sein Entsetzen über den palästinensischen Referenten Tareq Baconi zum Ausdruck gebracht. Baconi hatte, umtost vom Beifall des Publikums, das Motiv vom kindermordenden jüdischen Apartheidstaat bedient und die Diskussionen über Israel, den Antisemitismus und die Shoa als »jüdisches Psychodrama« bezeichnet.

Bei solchen Veranstaltungen des postkolonialen Milieus steht am Ende immer die Botschaft, dass Israel die Erinnerung an den Holocaust missbraucht, um die Kolonisierung der Palästinenser zu rechtfertigen, und jede Kritik daran als antisemitisch brandmarkt. Dagegen soll nur BDS helfen, und wer diese Bewegung für antisemitisch hält, ist ein Rassist, der die Palästinenser mundtot machen will und die Kolonialmacht Israel unterstützt. In diesem Milieu geriert man sich gerne als Opfer, und so mussten einige Teilnehmer von »Hijacking Memory« auch noch einen offenen Brief schreiben, in dem sie sich über den »Schwall an verleumderischen Vorwürfen aus unterschiedlichen Richtungen […] gegen die Organisatorinnen, Sponsoren sowie den Konferenzort selbst« beklagen. Mit Kritik kann man in diesen Reihen nicht umgehen, es ist immer gleich alles Verleumdung. Man teilt gerne aus, kann aber nicht einstecken.


In Antisemitismusverharmlosung geschult

Die Autorin Emily Dische-Becker, Mitorganisatorin von »Hijacking Memory«, hat auch documenta-Guides geschult. Nämlich darin, wie sich bei Begriffen aus dem Repertoire des israelbezogenen Antisemitismus, etwa »Siedlerkolonialismus« und »Apartheidstaat«, der antisemitische Gehalt wegdefinieren und damit leugnen lässt. Oder darin, dass die »Jerusalemer Erklärung zum Antisemitismus«, die den Hass auf Israel kleinredet und ihn vom Stigma des Antisemitismus befreien will, viel mehr taugt als die IHRA-Definition. Die Online-Sitzung mit den Mitarbeitern fand vor dem Beginn der Ausstellung statt und sollte die Guides nach der Kritik im Vorfeld offensichtlich auf Linie bringen.

Dische-Becker gehört auch zur »Initiative GG 5.3 Weltoffenheit«, einem Zusammenschluss großer, staatlich alimentierter Kultureinrichtungen, der im Dezember 2020 mit einem »Plädoyer« gegen den Anti-BDS-Beschluss des deutschen Bundestages an die Öffentlichkeit trat und eine »Öffnung für alternative Weltentwürfe« aus dem »globalen Süden« befürwortet, auch wenn ein jüdischer Staat in diesen Entwürfen keinen Platz hat. Wenn der Kulturbetrieb mal wieder Bedarf an »Israelkritik« hat, hilft Dische-Becker gerne weiter. Und wenn das dann jemand hinterfragt, ist es keine Kritik, sondern gleich eine »Kampagne«. Darunter macht es in diesem Milieu kaum jemand.


Den Verständnisinnigen geghostet

Meron Mendel, der Leiter der Bildungsstätte Anne Frank, hielt selbst kurz nach der Entdeckung der ersten antisemitischen Exponate auf der diesjährigen documenta noch an seiner Position fest, »dass ein Großteil und vielleicht alle Antisemitismusvorwürfe im Vorfeld unberechtigt waren«. Die »Masse der Vorwürfe und deren Ursprung – sogenannte Antideutsche, die zuvor vor allem durch antimuslimischen Rassismus aufgefallen sind«, hätten ihm gezeigt, »dass es hier nicht in erster Linie darum ging, echten Antisemitismus anzuprangern«. Er habe sich zudem »die Vorwürfe gegen The Question of Funding und Ruangrupa genau angeschaut«, und ihm sei dabei »keine Äußerung bekannt [geworden], die ich explizit als antisemitisch einstufen kann«.

Das war so unhaltbar und so offensichtlich falsch, dass die damals noch im Amt befindliche documenta-Direktorin Sabine Schormann nicht lange zögerte, Mendel als Berater zu verpflichten. Tatsächlich hätte er ihr bei der Imagerettung helfen können. Doch dann meldete sich Schormann einfach nicht mehr bei ihm, weshalb Mendel hinwarf und sagte: »Mir drängt sich der Eindruck auf, dass hier auf Zeit gespielt werden sollte, bis die documenta vorüber ist.« Dass Ausstellungsstücke wie das Triptychon von Taring Padi eine antisemitische Bildsprache bedienen, sieht er auch so, trotzdem findet er weiterhin »jede Menge Gutes« an der documenta und will nach wie vor »Dialog« und »Differenzierung«. Dass die Verantwortlichen der Kunstschau selbst den verständnisinnigen Mendel geghostet haben, spricht Bände, und zwar regalmeterdicke.


Postkoloniale Umwegkommunikation

Im Gespräch mit dem Spiegel sagt der Soziologe Natan Sznaider, angesprochen auf die Tagung »Hijacking Memory«: »Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Menschen, die diese Veranstaltung mitgetragen haben, glauben, sie helfen dem Frieden im Nahen Osten. Aber sie machen genau das Gegenteil. Sie machen jegliche Form der politischen Annäherung zwischen Palästinensern und jüdischen Israelis schwieriger. Denn letztlich geht es ihnen um Prinzipien, um Ideologie.« Die Konferenz sei zwar nicht im klassischen Sinne antisemitisch gewesen, aber sie trage »sehr wohl zu dieser neuen Form des Antisemitismus bei, den man als postkolonialistischen Antisemitismus bezeichnen kann, wo der Jude auf den Israeli übertragen wird, der auf seine Partikularität beharrt«.

Diesen postkolonialistischen Antisemitismus gebe es »gerade im Milieu der bürgerlichen Kulturelite«. Dort fröne man einem vermeintlich weltoffeneren Universalismus, wie er sich auch »in der Einladung des sogenannten globalen Südens zur documenta« artikuliere. Die Shoa sei aber ein Verbrechen gegen Juden gewesen, »also etwas Partikulares«. Die »Israelkritiker« versuchten, »die Vernichtung der europäischen Juden zu universalisieren« und »zu einem Verbrechen zu machen, das in einer langen Reihe anderer Verbrechen steht, zum Beispiel des Kolonialismus«. Juden, die dieser Universalisierung der Shoa widersprächen, würden als Störfaktoren betrachtet.

Ergänzen ließe sich noch: Der Postkolonialismus ist für seine westlichen Anhänger eine Möglichkeit der Umwegkommunikation, wenn es um Juden und Israel geht. Festzustellen ist das nicht zuletzt an den Entgegnungen auf die Kritik, die es an der documenta gab und gibt: Die Zustimmung zu BDS, die Darstellung Israels, die Abbildung von Juden, all dies müsse man mit den Augen des »globalen Südens« sehen, der nun mal ein anderes Bild vom jüdischen Staat habe; seine diesbezügliche Bildsprache müsse deshalb nicht so antisemitisch sein, wie man sie im Westen empfinde, hieß es verschiedentlich. Es sei eine Frage des Kontextes und der Perspektive.

Das hätte man gerne so, um auf diese Weise verbreiten zu können, was man sich selbst nicht zu sagen, zu schreiben oder ins Werk zu setzen traut. Doch »Peoples‘ Justice« folgt einer Ästhetik, wie sie aus westlichen Agitprop-Bildern seit Jahrzehnten bekannt ist, und die Darstellung von Juden als Nazis und Schweine ist in jedem Kontext antisemitisch. Die Ikonografie des Antisemitismus ist zudem uralt und global, natürlich kennt man sie bei Taring Padi. Genauso hat die Gleichsetzung der israelischen Armee mit der deutschen Wehrmacht, wie sie im Zyklus »Guernica Gaza« betrieben wird, in den palästinensischen Gebieten keine andere Bedeutung als in Europa. Die Botschaft lautet: Die Israelis sind wie die Nazis. Und so versteht man sie auch hier wie dort.

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