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Wo liegen eigentlich Bethlehem und Jaffa?

Straße in Jaffa. Quelle: עומר מרקובסקי

Von Florian Markl

Die Haltung der Europäischen Union und vieler anderer Kritiker zur Frage der Anerkennung Jerusalems als israelischer Hauptstadt erweist sich bei näherem Hinsehen als historisch unbegründet und inkonsistent. Zuweilen stützt sie sich nämlich auf Begründungen, die sie in anderen gleichgelagerten Fällen ignoriert. Durchgängig ist daran nur eines: der willkürliche Bezug auf angebliches internationales Recht, das freilich jeweils so zurechtgebogen wird, dass am Ende Israel stets anders behandelt wird als jeder andere Staat der Welt.


Das „corpus separatum“ Jerusalem

Wenn die EU Präsident Trumps Entscheidung kritisiert, Jerusalem als Israels Hauptstadt anzuerkennen, stützt sie sich vor allem auf zwei Argumente. Erstens bezieht sie sich auf die  UN-Resolution 181 (II) vom 29. November 1947 über die „künftige Regierung Palästinas“, besser bekannt als der Teilungsbeschluss, mit dem die UN-Generalversammlung die Teilung des damals noch britisch kontrollierten Mandatsgebietes Palästina empfahl. Entstehen sollte „ein unabhängiger arabischer Staat und ein unabhängiger jüdischer Staat“.

Jerusalem sollte als „corpus separatum“ unter internationale Verwaltung gestellt werden. Dazu kam es allerdings nicht: Am Ende des israelischen Unabhängigkeitskriegs verlief eine Trennlinie mitten durch die Stadt: Israel kontrollierte den Westteil, den es zu seiner Hauptstadt erklärte, Jordanien kontrollierte den Ostteil Jerusalems inklusive der Altstadt, vertrieb sämtliche dort lebenden Juden, zerstörte alle Synagogen und verweigerte den freien Zugang zu den heiligen Stätten, obwohl diese dem Waffenstillstandsabkommen gemäß gewährleistet hätte werden müssen. Bis zum Sechstagekrieg 1967 blieb die Klagemauer für Juden unzugänglich, ohne dass die Vereinten Nationen dagegen auch nur ein Mal ihre Stimme erhoben hätten.

Die EU stellt sich nun auf die Position, dass der offizielle Status Jerusalems noch immer der des „corpus separatum“ sei, von dem in der Teilungsresolution die Rede war, und daher nicht als Teil des souveränen Staatsgebiets Israels anerkannt werden könne.

Dies, so das zweite Argument der EU, werde sich erst ändern, wenn in einem zwischen Israelis und Palästinensern ausgehandelten Friedensabkommen, mit dem ein palästinensischer Staat ins Leben gerufen werden müsse, die Grenzen zwischen den beiden Staaten und die Frage der jeweiligen Hauptstädte geregelt würden.

Mogherinis Widerspruch

Bleiben wir zuerst beim letztgenannten Punkt. Wenn einerseits behauptet wird, über die Grenzen Israels und Palästinas könne man nichts sagen, weil man sich auf diese erst in Verhandlungen einigen müsse, wie kann die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini dann immer und immer wieder behaupten, die gemeinsame EU-Position laute, dass „Jerusalem die Hauptstadt des zukünftigen palästinensischen Staates“ sein und dass es „zwei Staaten entlang der [Waffenstillstands-]Linien von 1967“ geben müsse, „die beide Jerusalem als Hauptstadt“ hätten?

Wie Stefan Frank zurecht betont, widerspricht sich die EU selbst, oder besser gesagt: sie misst mit zweierlei Maß, wobei immer das Maß angesetzt wird, das für Israel gerade ungünstiger ist. Geht es also darum, wo die „palästinensischen Gebiete“ anfangen und wo Israelis per definitionem nichts zu suchen hätten und sich nur „illegal“ aufhielten, dann gibt es am Verlauf der „Grenze“ keinen Zweifel.

Geht es dagegen darum, Israels Souveränität zu bestreiten, z.B. indem man Westjerusalem nicht als israelische Hauptstadt anerkennen will, wird immer auf die Verhandlungen verwiesen, in denen die Grenzen erst vereinbart werden müssten. „In der Gesamtschau ergibt sich der Eindruck: Dass ‚Ostjerusalem‘ und alle von Jordanien 1948 eroberten Gebiete Teil eines arabischen Staates werden, ist für diejenigen, die sich über Trumps Schritt empören, bereits ausgemachte Sache; lediglich über den Westen Jerusalems muss noch verhandelt werden“.


Das „corpus separatum“

Wo liegen eigentlich Bethlehem und Jaffa?
Bethlehem. Quelle: Mujaddara

Deshalb hat die EU auch nicht das geringste Problem, Abu Dis oder gar Bethlehem ganz selbstverständlich als palästinensische Stadt zu betrachten, obwohl deren Status sich von dem Jerusalems überhaupt nicht unterscheidet, wenn man die Argumentation der EU ernst nimmt.

Denn das „corpus separatum“, von dem in der Teilungsresolution von 1947 die Rede war, umfasste „das derzeitige Stadtgebiet von Jerusalem sowie die umliegenden Dorf- und Stadtgemeinden“, darunter eben z.B. auch Bethlehem. Hielte sich die EU daran, dürfte sie Bethlehem, das explizit zu dem Gebiet „unter einem internationalen Sonderregime“ gezählt wurde, als Stadt mit ungeklärtem Status betrachten. Das findet freilich nicht statt; Anwendung findet der selektive Bezug auf das „corpus separatum“ nur, wenn es um das Bestreiten israelischer Souveränität geht.

Ohne die EU und andere Gegner der Entscheidung Trumps auf noch mehr dumme Gedanken bringen zu wollen: Beruft man sich auf den Teilungsbeschluss von 1947, so dürfte man nicht einmal Jaffa als Teil Israels betrachten – denn laut Resolution 181 sollte es eine „arabische Enklave“ darstellen und zum arabischen Staat gehören. Auf diese Idee ist, bisher wenigstens, nicht einmal Frau Mogherini gekommen.


Die Gültigkeit von Resolution 181

Die Leugnung der Realität im Hinblick auf Jerusalem als israelische Hauptstadt wäre vielleicht ein wenig überzeugender, wenn Resolution 181 mit all ihren verschiedenen territorialen Bestimmungen jemals rechtskräftig geworden wäre.

Doch das ist sie nicht: Einerseits sind Resolutionen der UN-Generalversammlung (von wenigen Ausnahmen abgesehen) nicht rechtlich bindend, sondern haben Empfehlungscharakter. Deshalb war auch der in Resolution 181 enthaltene Teilungsvorschlag als Empfehlung an den UN-Sicherheitsrat formuliert – das einzige Gremium, das international rechtlich bindende Beschlüsse fassen kann.

Andererseits war die UN-Teilungsresolution schon an dem Tag hinfällig, an dem sie verabschiedet wurde. Denn die arabischen Staaten lehnten sie grundsätzlich ab und starteten nach Monaten des Krieges zwischen den Juden und irregulären arabischen Banden sofort nach der Proklamation der Gründung des Staates Israel mit ihren regulären Armeen eine Invasion mit dem erklärten Ziel, den jüdischen Staat zu vernichten. Es war der erste Krieg dieser Art seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges – und die Vereinten Nationen scheiterten schon an dieser ersten Herausforderung kläglich, indem sie nichts gegen die Aggressoren unternahmen.

Die Teilungsresolution war ein Kompromissvorschlag zur Lösung der Palästina-Frage. Sie war in dem Moment vom Tisch, in dem die arabische Seite sich jeglichem Kompromiss verschloss und stattdessen auf Krieg setzte. Damit waren aber auch alle territorialen Vorschläge hinfällig, inklusive der Sonderregelung für Jerusalem.

Wie der Völkerrechtler Eugene Kontorovich unlängst in einer Anhörung im US-Repräsentantenhaus ausführte,  erwies sich die in Resolution 181 vorgeschlagene Regelung als „völlig irrelevant im Jahre 1948 und ist heute nicht mehr als eine historische Fußnote.“ Das „corpus separatum“ Jerusalem ist nie Wirklichkeit geworden und hat heutzutage keinerlei rechtliche Bedeutung – außer für die EU und einige andere Akteure, die daran partout festhalten wollen, weil sie darin eine Waffe gegen israelische Souveränitätsansprüche sehen.

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