Mahmud Abbas setzt auf ein Einheitsabkommen mit allen palästinensischen Terrorgruppen und wünscht sich die Hamas als Juniorpartner in einer künftigen Regierungsorganisation.
Akiva Van Koningsveld
Hamas-Führer Khaled Mashal reichte der Fatah-Fraktion von Palästinenserchef Mahmud Abbas am Mittwoch die Hand und erklärte gegenüber der französischen Zeitung Le Figaro, dass die Terrorgruppe bereit sei, einen Beitritt zu einem von der Palästinensischen Autonomiebehörde geführten Regierungsgremium für den Gazastreifen und das Westjordanland zu erwägen. Der Wiederaufbau der palästinensischen politischen Arena sei »ohne die Hamas zum Scheitern verurteilt, aber wir sind bereit, uns im Rahmen der PLO als Teil eines nationalen Konsenses neu zu organisieren«, informierte Mashal Le Figaro von seinem Wohnsitz im Botschaftsviertel der katarischen Hauptstadt Doha aus.
Früher oder später würden die Vereinigten Staaten um das Argument nicht herumkommen, »dass die Hamas eine Realität ist und in der Bevölkerung Legitimität genießt. Wir müssen aus der Geschichte lernen. Die Amerikaner haben die Taliban akzeptiert. [PLO-Gründer] Jassir Arafat hat sogar den Friedensnobelpreis erhalten.«
Das von der Hamas am 7. Oktober verübte Massaker an mehr als 1.200 Menschen im Südwesten Israels habe »die Weltöffentlichkeit aufgerüttelt. Umfragen in den USA zeigen eine wachsende Unterstützung für die palästinensische Sache«, fuhr er fort. Die Hamas würde nicht vernichtet werden, da sie »den Glaubwürdigkeitstest gegen Israel bestanden hat. Nach drei Monaten [israelischer] Bombardierung erreichen unsere Raketen immer noch Tel Aviv. Derjenige, der sich Sorgen macht, ist nicht die palästinensische Seite. … Es ist klar, dass wir Verluste haben, aber sie hatten keine Konsequenzen für die militärischen Fähigkeiten oder die Führung der Hamas.«
Keine Verurteilung durch Abbas
In einem Interview mit dem ägyptischen Fernsehsender ON am Dienstag meinte der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde Mahmud Abbas, er hoffe, ein Versöhnungsabkommen mit allen palästinensischen Terrorgruppen aushandeln zu können, egal, ob sie bei den Einigungsgesprächen Ende Juli nun »anwesend oder abwesend« gewesen seien. An den angesprochenen Verhandlungen in der ägyptischen Küstenstadt El-Alamein nahm damals Hamas-Terrorchef Ismail Haniyeh teil, während der vom Iran unterstützte Islamische Dschihad aus Protest gegen die Inhaftierung seiner Mitglieder durch die Palästinensische Autonomiebehörde die Gespräche boykottierte.
Abbas wiederholte letzte Woche die Verhandlungspositionen seiner Behörde in Ramallah, nämlich die Errichtung eines palästinensischen Staates mit internationaler Legitimität sowie »friedlicher Widerstand« und die »Einheit des palästinensischen Volks«. Die anderen Fraktionen seien jedoch nicht unbedingt mit diesen Zielen einverstanden, so Abbas weiter.
In dem Interview, das Abbas’ erster Medienauftritt seit dem Massaker vom 7. Oktober war, versäumte es der Palästinenserführer erneut, die Gräueltaten der Hamas ausdrücklich zu verurteilen, zu denen neben Massenmord auch Folter, Vergewaltigung und andere Sexualdelikte zählen. »Nach dem 7. Oktober war die öffentliche Meinung in Europa drei oder vier Tage lang gegen uns, aber nach Gesprächen mit diversen Präsidenten und Premierministern haben viele von ihnen ihre Position geändert«, erklärte Abbas laut einer von der palästinensischen Nachrichtenagentur Wafa veröffentlichten Mitschrift.
Die Regierung von US-Präsident Joe Biden zielt darauf ab, dass die Palästinensische Autonomiebehörde den Gazastreifen übernimmt, sobald die israelische Operation dort beendet ist, was sowohl die israelische Regierung als auch die Opposition wegen der offenen Unterstützung des Terrorismus durch Ramallah vehement ablehnen. Das amerikanische Außenministerium weigerte sich sogar explizit die Möglichkeit auszuschließen, dass die Hamas die Macht behält oder sich der Palästinensischen Autonomiebehörde anschließt. So erklärte es etwa am 15. Dezember gegenüber Jewish News Syndicate, die Zukunft der palästinensischen Führung sei letztlich »eine Frage des palästinensischen Volks«.
Hamas als wesentlicher Bestandteil?
Die Palästinensische Autonomiebehörde präferiere nach dem israelischen Verteidigungskrieg gegen die Terrororganisation im Gazastreifen den Beitritt der Hamas als Juniorpartner in einer von der PA geführten Regierungsorganisation, zitierte Bloomberg den palästinensischen Premierminister Mohammad Shtayyeh Anfang des Monats.
Die Hamas sei ein »wesentlicher Bestandteil des palästinensischen politischen Mosaiks«, sagte Shtayyeh am 10. Dezember auf dem Doha-Forum in Katar vor den dort versammelten Staats- und Regierungschefs und fügte hinzu, dass das Ziel Jerusalems, die islamistische Terrorgruppe zu eliminieren, für ihn »inakzeptabel« sei.
Laut einer im November veröffentlichten Umfrage befürworten 89 Prozent der Palästinenser die Bildung einer Regierung, welche die Hamas einschließt oder sogar von ihr geführt wird. Nur etwa 8,5 Prozent sprachen sich für eine ausschließlich von der Fatah kontrollierten Behörde aus. Eine weitere Umfrage, die am 13. Dezember veröffentlicht wurde, ergab, dass die Mehrheit der Palästinenser der Meinung ist, die Hamas verdiene es »aktuell am meisten, das palästinensische Volk zu vertreten und zu führen«.
(Der Artikel erschien auf Englisch beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)