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Umfrage: Mehrheit der Palästinenser hat sehr negatives Bild von Israel

Umfrage: was denken Palästinenser über Israel und die Hamas?
Umfrage: was denken Palästinenser über Israel und die Hamas? (Imago Images / Sipa USA)

Mehr gehasst werden von den Palästinensern laut einer aktuellen Erhebung nur die USA, die von 97 Prozent der Befragten als »sehr negativ« betrachtet werden, während es bei Israel 96 Prozent sind.

Eine große Mehrheit der Palästinenser unterstützt angeblich den Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober. Das ist das Ergebnis einer Umfrage die das Meinungsforschungsinstituts Arab World for Research and Development (AWRAD) mit Sitz in Ramallah zwischen dem 31. Oktober und dem 7. November durchgeführt hat.

Wie ernst kann man eine solche Umfrage nehmen? AWRAD ist ein seit mehr als 15 Jahren etablierter Demoskop in den Palästinensischen Autonomiegebieten, dessen Erhebungen in der Vergangenheit unter anderen von der offiziellen Nachrichtenagentur der Palästinensischen Autonomiebehörde (WAFA) und dem renommierten amerikanischen Thinktank Carnegie Endowment for Peace zitiert wurden. Andererseits sind unter den Bedingungen einer Diktatur, wie sie in der West Bank, viel mehr aber noch im Gazastreifen besteht, keine ehrlichen Antworten garantiert, zumal die Befragungen nicht anonym waren.

Wie AWRAD erläutert, führte das Team »die Umfrage mittels Tablet-gestützter, persönlicher Interviews im gesamten Westjordanland sowie in Unterkünften und Haushalten in den drei südlichen Gouvernements des Gazastreifens (Deir Al Balah, Khan Younis und Rafah) durch, in denen sich die Menschen derzeit aufhalten.«

Befragt wurden laut AWRAD 668 Personen: 391 im Westjordanland, 277 im Gazastreifen. Das ist zwar keine große Stichprobe, wohl aber im Rahmen dessen, was bei einer angemessenen Gewichtung noch als seriös betrachtet werden kann. Zum Vergleich: Bei den häufig durchgeführten Umfragen zu den Präferenzen der Wähler bei US-Präsidentschaftswahlen in den relevanten Bundesstaaten nutzen manche Demoskopen ein Sample von lediglich 400 Befragten. Für Wahlumfragen in Österreich werden in der Regel zwischen 800 und 2000 Bürger befragt.

Die Stichprobe der Umfrage umfasst laut AWRAD alle sozioökonomischen Gruppen und stelle sicher, dass erwachsene Männer und Frauen gleichermaßen vertreten seien, proportional über das Westjordanland und den Gazastreifen verteilt. Die Fehlermarge für die Umfrage beziffert AWRAD mit lediglich (±) 4 Prozent.

Die Einstellung der Fragesteller ist erkennbar parteiisch gegen Israel. So werden die Teilnehmer der Umfrage etwa danach gefragt, ob sie glaubten, dass die Menschen in ihrer Umgebung »vergessen« beziehungsweise »vergeben« könnten, was »Israel in diesem Krieg getan hat«. Es wird also per se eine Schuld Israels impliziert, aber keine der Hamas.

Die Gräueltaten und Entführungen, welche die Hamas und Zivilisten aus dem Gazastreifen am 7. Oktober an Israelis verübt haben, werden in der Fragestellung euphemistisch als »Militäroperation« verklärt, die der »von der Hamas geführte palästinensische Widerstand« am 7. Oktober angeblich durchgeführt habe. Das ist einfach falsch; es war vielleicht ein Kriegsverbrechen, aber gewiss keine »Militäroperation«.

Rund 60 Prozent der Palästinenser unterstützen laut Umfrage diese Verbrechen der Hamas »extrem«, weitere rund 15 Prozent »etwas«. Sollten diese Ergebnisse annähernd realistisch sein, halten also drei von vier Palästinensern die Verbrechen an wehrlosen, unschuldigen Zivilisten für eine prinzipiell gute Sache. 5,4 Prozent äußerten sich eher ablehnend, nur 7,3 Prozent meinten, sie seien »extrem« dagegen.

76 Prozent mögen die Hamas

Ein »sehr positives« Bild der Hamas haben 48 Prozent der Palästinenser; weitere 28 Prozent stehen der Terrororganisation »eher positiv« gegenüber. Von zehn bzw. 13 Prozent wird die Hamas »eher negativ« oder »sehr negativ« gesehen. Viel schlechter werden hingegen die Fatah und die Palästinensische Autonomiebehörde beurteilt. Nur wenige sehen sie »sehr positiv«; eine »sehr negative« Meinung haben 45 Prozent der Befragten über die Fatah und 65 Prozent über die Palästinensische Autonomiebehörde.

Die Diskrepanz ist auf den ersten Blick überraschend, schließlich stellt die Fatah ja das Personal der Palästinensischen Autonomiebehörde. Der Unterschied ist wohl, dass Letztere eben in erster Linie als Regierungs- und Verwaltungsorgan wahrgenommen wird, während das Label »Fatah« an die unter diesem Namen verübten Terroranschläge auf Israelis denken lässt. Und diese kommen, wenn die Umfrage denn stimmt, offenbar bei vielen Palästinensern gut an.

Israel sehen nur zwei Personen (0,3 Prozent) »sehr positiv« und eine weitere Person (0,1 Prozent) »eher positiv«. 96 Prozent entschieden sich für »sehr negativ«. Die Hisbollah wird von einer leichten Mehrheit negativ gesehen. Hier könnte sich auswirken, dass Nasrallah es bislang abgelehnt hat, sich dem uneingeschränkten Krieg der Hamas anzuschließen. Der Islamische Dschihad hingegen wird von 85 Prozent positiv beurteilt. Nur leicht weniger populär sind die Al-Aqsa-Brigaden, jener Arm der Fatah, der etwa jüdische Mütter in ihren Autos ermordete.

Die USA, der seit Jahrzehnten mit Abstand größte Geldgeber der Palästinenser, werden von den Spendenempfängern fast einhellig gehasst: 97 Prozent der Palästinenser sehen die Vereinigten Staaten »sehr negativ«. Das Geld hätte sich Washington also sparen können. Kleiner Trost für Amerika: Auf alle anderen Länder und Staatenbündnisse sind die Palästinenser ebenfalls nicht gut zu sprechen, auch auf die EU nicht. Den Beliebtheitswettbewerb gewinnt Russland mit rund 40 Prozent Zustimmung, gefolgt vom Iran und der Türkei.

Nach den Motiven für die vom »palästinensischen Widerstand« am 7. Oktober durchgeführte »Operation« gefragt, antwortet eine relative Mehrheit von 35 Prozent, es sei darum gegangen, die »Verletzungen Al-Aqsas« (also des Jerusalemer Tempelbergs, den die Muslime Al-Haram ash-Sharif nennen) zu stoppen. Acht Jahre Dauerpropaganda der Palästinensischen Autonomiebehörde, wonach die Juden angeblich die Al-Aqsa-Moschee mit ihren »schmutzigen Füßen entweihen«, haben offenbar verfangen.

Als Motiv für den Angriff gaben 31,7 Prozent der Befragten im Westjordanland und 24,9 Prozent der Befragten im Gazastreifen die »Befreiung Palästinas« an. Weitere 23,3 Prozent der Befragten im Westjordanland und 17,7 Prozent der Befragten aus dem Gazastreifen glauben, der Grund für den Angriff sei »die Aufhebung der Belagerung des Gazastreifens« gewesen. Nur fünf Prozent sind der Ansicht, dass der Angriff den Interessen des Irans diente. Dass er den »Friedensprozess« oder die »Siedlungen« stoppen sollte, glaubt weniger als ein Prozent der Befragten.

Die »Lösung«: kein Israel

Nach einer »Lösung« gefragt, entschieden sich 75 Prozent der Befragten für die Option »ein palästinensischer Staat vom Fluss bis zum Meer«, also Vernichtung Israels und ethnische Säuberung. 17 Prozent waren für eine Zwei-Staaten-Lösung. Eine Koexistenz von zwei Völkern in einem gemeinsamen Staat streben nur fünf Prozent an. Bei dieser Frage gab es große Unterschiede zwischen dem Westjordanland und Gaza. Eine Zwei-Staaten-Lösung findet im Gazastreifen mit 23 Prozent wesentlich mehr Zuspruch als im Westjordanland mit 13 Prozent. Die Unterschiede zwischen Männern und Frauen hingegen sind auch bei dieser Frage marginal.

Dass der jetzige Krieg mit einem Friedensschluss endet, erwartet etwa ein Drittel. 75 Prozent glauben, der Krieg werde mit einem »Sieg« der Hamas enden. Eine etwa gleich große Zahl ist unter dem Eindruck der gegenwärtigen weltweiten Demonstrationen »hoffnungsvoll für die Zukunft der Menschheit«.

Knapp zwei Drittel betrachten den Konflikt als einen zwischen Israel und Palästinensern, 19 Prozent als einen zwischen Israel und der Hamas. Dass dies ein Krieg zwischen »dem Westen und der arabischen und muslimischen Welt« sei, glauben rund neun Prozent. Nur fünf bzw. zwei Prozent entschieden sich für die Antworten »Krieg zwischen Israel und der islamischen Welt« beziehungsweise »Krieg zwischen Israel und der arabischen Welt«.

Bei der Frage nach den Gründen für die westliche Unterstützung Israels waren Mehrfachnennungen möglich. 70 Prozent sehen darin Unterstützung für israelische Zivilisten; 90 Prozent führen sie auf das Wirken einer »israelischen Lobby« in jenen Ländern zurück; ebenfalls 90 Prozent sehen »Hass auf den Islam und die Muslime« als Grund; 85 Prozent »Hass auf Araber«; 77 Prozent »Abschreckung gegen den Iran und die Hisbollah und Angst vor einer Eskalation«, 86 Prozent sehen »wirtschaftliche und politische Motive« in der Region.

Die meisten Palästinenser vertrauen Al-Jazeera

Interessant ist die Frage nach den Hauptinformationsquellen. Auch hier waren Mehrfachnennungen möglich. Was das Fernsehen betrifft, gab nur knapp ein Viertel an, sich in erster Linie über palästinensische Sender zu informieren. Von diesen Befragten wiederum nannten 55 Prozent das Fernsehen der Palästinensischen Autonomiebehörde. Den privaten Sender Ma’an News und den Hamas-Sender Al-Aqsa TV führten jeweils 16 Prozent an; sieben Prozent informieren sich in erster Linie über Palestine Today TV, den Sender des Islamischen Dschihads. Zwei Drittel vertrauen auf die Berichterstattung ausländischer arabischer Satellitensender. Von diesen nannten 92 Prozent den katarischen Sender Al-Jazeera als ihre Hauptinformationsquelle, alle anderen Sender kommen jeweils nur auf wenige Prozentpunkte.

Für 85 Prozent sind soziale Medien im Internet eine wichtige Informationsquelle. Diese verteilen sich im Wesentlichen auf Telegram (48 Prozent), Facebook (31 Prozent), Instagram (zehn Prozent) und WhatsApp (neun Prozent). Twitter (ein Prozent) und TikTok (0,5 Prozent) spielen so gut wie keine Rolle.

Für 70 Prozent sind »Familie und Freunde« eine weitere wichtige Nachrichtenquelle. Nur 18 Prozent gaben an, dass bislang nicht genannte Quellen für sie wichtig seien. Von diesen entschieden sich 56 Prozent für »Radio im Allgemeinen« und 17 Prozent für Radio Al-Aqsa. Der Rest entfiel auf kleinere Sender. Printmedien jeglicher Art standen in der Umfrage offenbar nicht zur Auswahl.

Nach ihrer Wunschlösung für den Gazastreifen nach dem Krieg gefragt, befürworteten 72 Prozent »eine Regierung der nationalen Einheit«. 14 Prozent wünschen sich eine Regierung der Hamas, nur neun Prozent eine der Palästinensischen Autonomiebehörde.

Mehrheitlich antisemitische Einstellung

Sollten diese Umfrageergebnisse annähernd zutreffend sein, kann jemand, der gegen die Ermordung von Israelis ist, sich kaum Hoffnung machen, in den Palästinensischen Autonomiegebieten jemals eine relevante Rolle zu spielen. Bei den letzten Parlamentswahlen im Jahr 2006 entfielen über 90 Prozent der Stimmen auf aktive Terrororganisationen: 44 Prozent auf die Hamas, 41 Prozent auf die Fatah, vier Prozent auf die PFLP und drei Prozent auf die DFLP.

Westliche Demoskopen führen nur selten Erhebungen in den Palästinensischen Autonomiegebieten durch. Die amerikanische Anti-Defamation League (ADL) hatte 2014 weltweit Umfragen über das Vorhandensein antisemitischer Einstellungen in Auftrag gegeben, darunter auch in den Palästinensischen Autonomiegebieten.

Das Ergebnis war, dass 93 Prozent der Befragten den meisten der abgefragten antisemitischen Stereotype zustimmte. So waren etwa 91 Prozent der Meinung, Juden hätten »zu viel Macht in der Wirtschaft«; 88 Prozent glaubten, dass die Juden »die Medien weltweit« kontrollierten;  84 Prozent sagten, Juden interessierten sich nicht für das Wohl von Nichtjuden; 64 Prozent gaben der Aussage Recht, Juden redeten »zu viel über den Holocaust«, und 87 Prozent stimmten der Aussage »Die Menschen hassen die Juden aufgrund der Art, wie die Juden sich benehmen« zu.

»Der Antisemitismus der Palästinensischen Autonomiebehörde ist keine Ansammlung unzusammenhängender Hassreden«, schrieb Itamar Marcus, der Direktor der israelischen NGO Palestinian Media Watch, in einer Stellungnahme zu einer Anhörung vor dem Menschenrechtsausschuss des US-Repräsentantenhauses, die im Juni stattfand. »Er ist eine systematisch verbreitete Ideologie, die inzwischen tief in der palästinensischen nationalen und politischen Identität verwurzelt ist. Er dient als Hauptquelle des Hasses gegenüber Juden und Israelis und ist ein wichtiger Motivator für palästinensischen Terror.«

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