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Israel und die Palästinenser: Die Zwei-Staaten-Illusion

Zwei-Staaten-Lösung mit einem demilitarisierten »Palästina«: Die Biden-Doktrin bringt Israel in Gefahr
Zwei-Staaten-Lösung mit einem demilitarisierten »Palästina«: Die Biden-Doktrin bringt Israel in Gefahr (© Imago Images / ZUMA Wire)

Die US-Regierung Biden setzt sich für die Anerkennung eines palästinensischen Staates ein, der eine Gefahr für die Sicherheit Israels darstellen würde.

Elliott Abrams

Jeder glaubt zu wissen, was im israelisch-palästinensischen Konflikt zu tun sei: Die Zwei-Staaten-Lösung durchsetzen. Das ist seit Jahrzehnten ein Gemeinplatz, der auf die Osloer Abkommen, diverse internationale Konferenzen, die »Roadmap« und die Bemühungen einer Reihe amerikanischer Präsidenten und ihrer Stäbe eifriger Friedensverfechter zurückgeht.

Im Westen ist der Ruf nach einer Zwei-Staaten-Lösung heutzutage meist so etwas wie eine magische Beschwörung. Diplomaten und Politiker wollen, dass der Gaza-Krieg aufhört. Sie wollen einen Ausweg, der den Wählern fair und gerecht erscheint und der sich für gute Reden eignet. Aber sie setzen sich nicht einmal ansatzweise mit den Fragen auseinander, welche die Verhandlungen über eine Zwei-Staaten-Lösung aufwerfen würden und sie stellen nicht ernsthaft die Frage, welcher Art Staat dieses zu gründende Palästina sein soll.

Stattdessen stellen sie sich einfach einen friedlichen, geordneten Ort namens Palästina vor und versichern jedem, dass er gleich um die Ecke liege. Auf diese Weise vermeiden sie es, die wichtigste Frage zu stellen: Wäre ein autokratischer, revanchistischer palästinensischer Staat nicht eine Bedrohung für den Frieden?

Mantra Zwei-Staaten-Lösung

Dies allem zum Trotz: Der Glaube an die Zwei-Staaten-Lösung ist heute so stark wie eh und je. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock bezeichnete sie als »einzige Lösung«, und der britische Verteidigungsminister fügte hinzu: »Ich glaube nicht, dass wir zu einer Lösung kommen, wenn wir nicht eine Zwei-Staaten-Lösung haben.« UN-Generalsekretär António Guterres ließ sich nicht lumpen und sagte: »Die Weigerung, die Zwei-Staaten-Lösung für Israelis und Palästinenser zu akzeptieren und die Verweigerung des Rechts auf Staatlichkeit für das palästinensische Volk sind inakzeptabel.«

Der EU-Außenminister Josep Borrell erklärte kürzlich: »Ich denke, wir sollten nicht mehr über den Nahost-Friedensprozess sprechen. Wir sollten konkret über den Prozess zur Umsetzung der Zwei-Staaten-Lösung sprechen.« Was aber, wenn Israel dem nicht zustimmt, weil es einen palästinensischen Staat als inakzeptable Sicherheitsbedrohung ansieht? Borrells Antwort lautete: »Eines ist klar: Israel kann kein Vetorecht gegen die Selbstbestimmung des palästinensischen Volks besitzen. Die Vereinten Nationen erkennen das Selbstbestimmungsrecht des palästinensischen Volks an und haben es bereits mehrfach anerkannt. Niemand kann ein Veto einlegen.«

In den Vereinigten Staaten haben neunundvierzig der einundfünfzig Demokraten im Senat eine Resolution unterstützt, die laut Senator Brian Schatz »eine Botschaft an die Welt darstellt, dass der einzige Weg in die Zukunft eine Zwei-Staaten-Lösung ist«. Beamte der Biden-Regierung haben sich in der Öffentlichkeit etwas zurückhaltender gezeigt. Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos im Januar sagte Außenminister Anthony Blinken seinem Gesprächspartner, dem New-York-Times-Kolumnisten Thomas Friedman, die regionale Integration muss »einen Weg zu einem palästinensischen Staat beinhalten«.

Der Nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan forderte »eine Zwei-Staaten-Lösung, bei der Israels Sicherheit garantiert ist«. Und Präsident Joe Biden wand sich um eine wichtige Frage in Sachen Sicherheit herum, als er meinte: »Es gibt eine Reihe von Arten von Zwei-Staaten-Lösungen. Es gibt eine Reihe von Ländern, die Mitglieder der Vereinten Nationen sind, die … kein eigenes Militär haben; eine Reihe von Staaten, die Beschränkungen haben, und so denke ich, dass es Wege gibt, wie das funktionieren kann.«

Die Biden-Regierung schließt sich also der aufgeklärt geltenden Meinung an und sagt, dass es einen palästinensischen Staat geben muss, fügt aber hinzu, dass er keine Armee haben darf. Weitere Vorbedingungen für die Schaffung dieses Staates scheint es nicht zu geben, sobald die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) erst einmal »umgestaltet« oder »wiederbelebt« worden ist, sodass sie »effektiv« wird. Erst kürzlich hat Außenminister Blinken seinen Stab um die Ausarbeitung politischer Optionen gebeten, welche die formelle Anerkennung eines palästinensischen Staates beinhaltet, sobald der Krieg in Gaza beendet ist.

Dies wäre eine massive Änderung der US-Politik, die seit Jahrzehnten darauf besteht, dass ein palästinensischer Staat nur aus direkten israelisch-palästinensischen Verhandlungen hervorgehen kann. Aber der Druck scheint zu wachsen, solche Feinheiten wie Verhandlungen zu überspringen und die Zwei-Staaten-Lösung schnell umzusetzen.

Frage der Grenzen

An diesem Szenario sind drei Dinge falsch. Erstens werden in keinem der aktuellen Vorschläge die Hindernisse, welche die Zwei-Staaten-Lösung immer verhindert haben, auch nur anerkannt geschweige denn überwunden. Zweitens sind die Reformen für eine »effektive Staatsführung« der PA weit davon entfernt, einen »anständigen« Staat zu schaffen, in dem die Palästinenser frei leben können. Und am wichtigsten ist, dass jeder denkbare palästinensische Staat eine gefährliche Bedrohung für Israel darstellen wird.

Beginnen wir mit den jenseits von Gewalt und Terror liegenden Fragen, die in den Verhandlungen zur Schaffung eines palästinensischen Staates geklärt werden müssen und die momentan ignoriert werden, zum Beispiel die Grenzen: Wo verlaufen diese? In der 2008 stattgefundenen Verhandlungsrunde nach der Annapolis-Konferenz von 2007 forderten palästinensische Vertreter, dass Israel die Städte Ariel und Ma’ale Adumim im Westjordanland – mit 20.000 bzw. 38.000 Einwohnern – aufgibt. Ist das immer noch eine palästinensische Forderung? Wie viele der im Westjordanland lebenden Israelis müssen gehen? Muss der neue Staat Palästina »judenrein« sein?

Aber das sind noch die einfacheren Grenzfragen; die schwierige Frage bezieht sich auf Jerusalem. Wird Ostjerusalem die Hauptstadt eines palästinensischen Staates sein? Wenn ja, was bedeutet das? Nur das alte arabische Viertel oder auch das christliche und das armenische Viertel? Haben deren Bewohner ein Mitspracherecht?

Wird tatsächlich vorgeschlagen werden, dass die Klagemauer die israelische Grenze sein soll und man von dort auf ein anderes Land blickt? Oder dass die Davidzitadelle und der Davidsturm in Palästina liegen würden? Allein ein Blick auf die Karte Jerusalems zeigt, wie unpraktisch die Teilung Jerusalems ist, wenn die Stadt gedeihen soll. Aber was ist mit der Politik? Welche israelischen Politiker der Linken oder der Mitte würden eine erneute Teilung Jerusalems befürworten und zu den Zeiten vor 1967 zurückkehren – und das nach den Hamas-Massakern vom 7. Oktober 2023?

Die arabische Friedensinitiative von 2002 wird manchmal als Grundlage für Verhandlungen vorgeschlagen, aber sie fordert »den vollständigen Rückzug Israels aus allen seit 1967 besetzten Gebieten, einschließlich der syrischen Golanhöhen, bis zu den Linien vom 4. Juni 1967 sowie die verbleibenden besetzten libanesischen Gebiete im Süden des Libanon«. Noch mehr Grenzstreitigkeiten! Zumal die USA die israelische Souveränität über die Golanhöhen anerkannt haben, zu denen auch Gebiete gehören, die von den Libanesen beansprucht werden.

Und was ist mit der Frage der »Flüchtlinge«? Die UNRWA, das diskreditierte, aber mächtige palästinensische Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, spricht von 5,9 Millionen »palästinensischen Flüchtlingen«, wobei es eine Definition zugrunde legt, die Generation für Generation einschließt, egal, welche Staatsangehörigkeit diese haben.

Wird es ein »Recht auf Rückkehr« geben? Bei den Verhandlungen im Jahr 2008 war die nicht öffentlich geäußerte, palästinensische Forderung wesentlich geringer und lag bei 10.000 oder 15.000. Die israelischen Unterhändler lehnten diese Zahlen jedoch ab, da sie grundsätzlich gegen ein »Rückkehrrecht« waren, aber auch auf das unlösbare Problem hinwiesen zu entscheiden, wer dafür infrage käme und wer nicht. Werden die palästinensischen Politiker bereit sein, das »Rückkehrrecht« ein für alle Mal aufzugeben? Wenn nicht, wie sollen dann Verhandlungen gelingen?

Frage der Demokratie

Darüber hinaus: Einmal angenommen, die Verhandlungen sind erfolgreich und die Grenzen eines palästinensischen Staates werden gezogen. Interessiert es irgendjemanden, was sich innerhalb dieser Grenzen abspielt? Im Januar sagte US-Außenminister Blinken: »Ich glaube, es ist sehr wichtig für das palästinensische Volk, dass es eine effektive Regierung hat.« Dazu bedürfte es einer Palästinensischen Autonomiebehörde, die »tatsächlich das leisten kann, was das palästinensische Volk will und braucht«, wie Blinken damals meinte. In all den Forderungen nach einem palästinensischen Staat fehlen allerdings ein paar Worte, darunter Demokratie, Menschenrechte, Freiheit.

EU-Außenminister Josep Borrell übermittelte 2022 »unsere Botschaft an die neue israelische Regierung, von der wir hoffen, dass sie das uneingeschränkte Bekenntnis des Landes zu den gemeinsamen Werten von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit bestätigt und mit der wir hoffen, ernsthafte Gespräche über den Konflikt zu führen und über die Notwendigkeit, den politischen Horizont für die palästinensische Bevölkerung wieder zu öffnen.« Solche Konzentration auf Israel ist nicht neu: In seiner Rede in Israel im Jahr 2013 forderte der damalige amerikanische Präsident Barack Obama »Zwei Staaten für zwei Völker. … [D]er einzige Weg für Israel, als jüdischer und demokratischer Staat zu überleben und zu gedeihen, ist die Verwirklichung eines unabhängigen und lebensfähigen Palästinas.«

Es scheint also, dass der bestehende Staat zwischen Jordanien und dem Mittelmeer demokratisch sein muss, nicht aber der neu zu schaffende Staat. Warum diese Unterscheidung? Weil niemand glaubt, dass der palästinensische Staat ein demokratischer Staat sein wird – oder weil es niemanden zu interessieren scheint: Palästina würde frei sein, aber niemand scheint sich darum kümmern, ob die Palästinenser frei sein werden.

Und warum nicht? Natan Sharansky erklärte im Jahr 2000, dass »Israel und der Westen sich zu schnell auf starke Führer verlassen, um Stabilität zu erreichen. Demokratien ziehen es oft vor, mit Diktatoren zu verhandeln, welche die volle Kontrolle haben.« Diese Ansicht vertrat Israel bei den Osloer Verträgen, mit denen die Palästinenser Jassir Arafat überantwortet wurden.

Dabei wurde Arafats diktatorische Kontrolle als Vorteil für Israel angesehen, da er vermutlich die Hamas zerschlagen würde. Der aktuelle Gaza-Krieg zeigt, wie tragisch falsch diese Annahme war, denn die korrupte und ineffektive Fatah-Autokratie war den korrupten und effektiven Hamas-Terroristen, die den Gazastreifen in ein bewaffnetes Lager verwandelten, nicht gewachsen.

Heute fordert so gut wie niemand außer Sharansky eine palästinensische Demokratie. Die arabischen Staaten tun das natürlich nicht, denn kein einziger von ihnen ist eine Demokratie. Die Europäer und Amerikaner tun es nicht, weil sie nicht glauben, dass die Palästinenser eine funktionierende Demokratie aufbauen können. Die USA und die EU sind also bereit, einen palästinensischen Staat zu gründen in der Hoffnung, dass er eine bessere Autokratie sein wird als der jetzige; dass er in der Lage sein wird, die terroristischen Gruppen besser zu kontrollieren, die Korruption besser zu bekämpfen und weniger repressiv zu sein.

Wie wahrscheinlich ist das? Zur Bekämpfung der Korruption bedarf es beispielsweise einer freien Presse, die diese aufdeckt, und unabhängiger Gerichte, die Fälle verhandeln. Aber niemand – außer Sharansky – fordert so etwas als Vorbedingung für die Ausrufung eines palästinensischen Staates. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass eine neue Palästinensische Autonomiebehörde bald genauso korrupt sein wird wie die jetzige.

Frage von Frieden und Sicherheit

Aber es gibt noch ein viel größeres Problem: Niemand erklärt, wie dieser Staat in »Frieden und Sicherheit« mit Israel leben soll, wenn seine Bevölkerung einen Krieg mit Israel vorzieht. Was ist, wenn, um es mit Blinkens Worten auszudrücken, »das palästinensische Volk vor allem Israel zerstören möchte«?

Und exakt das könnte der Fall sein: Meinungsumfragen deuten darauf hin, dass sehr viele Palästinenser, nicht nur die in der Hamas organisierten, den Staat Israel für illegitim halten, ihn beseitigen wollen und den »bewaffneten Kampf« befürworten. Das heißt, ihr palästinensischer Nationalismus ist nicht positiv in dem Sinn, dass es ihnen hauptsächlich um den Aufbau eines eigenen demokratischen, wohlhabenden und friedlichen Staates ginge, sondern negativ in dem Sinn, dass sie hauptsächlich die Zerstörung des jüdischen Staates anstreben. Einer kürzlich durchgeführten Umfrage zufolge würde die Hamas bei einer Wiederholung der bislang letzten Parlamentswahlen aus dem Jahr 2006 eine absolute Mehrheit erringen.

Aber was ist dann der palästinensische Staat, den die westlichen Regierungen fordern? Ein terroristischer Staat? Ein Staat mit einer Koalitionsregierung, die zur Hälfte aus Terroristen besteht und auf der Aufnahme der Hamas in die PLO beruht? Ein Staat, der eine Autokratie ist und in dem der »bewaffnete Kampf« gegen Israel weithin populär ist und nur durch strenge Unterdrückung seitens der lokalen Behörden verhindert wird, die sich zwangsläufig immer unbeliebter machen werden, je mehr sie sich dem Willen der Bevölkerung zum Kampf widersetzen? Oder umgekehrt ein Staat wie der Libanon, in dem die Behörden zu schwach sind, um der Hisbollah Einhalt zu gebieten und sich sogar zu Komplizen der Aktivitäten der Terrorgruppe gemacht haben? Und die Schaffung dieses Staates soll die Lösung für den israelisch-palästinensischen Konflikt sein?

Trotz alledem wird von den Israelis erwartet, beruhigt zu sein, dass ein palästinensischer Staat keine Bedrohung für sie darstellen wird, weil er gemäß Joe Bidens Ausführungen keine Armee haben und »entmilitarisiert« sein wird. Die Israelis sind nicht so dumm – und wir sollten es auch nicht sein.

Vielleicht wird es kein stehendes Heer geben. Aber wenn die Palästinenser beschließen, ihre Polizei aufzurüsten, indem sie gepanzerte Mannschaftstransporter oder Nachtsichtgeräte kaufen oder defensive Waffen wie Drohnen oder Maschinenpistolen, wer wird sie dann aufhalten?Wenn die naheliegende Antwort auf diese Frage lautet: Sicherlich Israel, mag das im Prinzip richtig sein, aber Israel wird dann nicht mehr in der Lage sein, im Westjordanland zu patrouillieren, wie es das jetzt tut.

Stattdessen bliebe ihm nur der Angriff auf bzw. die Invasion in den neuen souveränen Staat. Würden diese israelischen Maßnahmen zur Durchsetzung der Entmilitarisierung von den Briten, den Deutschen und dem Generalsekretär der Vereinten Nationen begrüßt und verteidigt werden? Wird man sie in Washington verteidigen? Oder wird man sie als Kriegshandlungen über heilige internationale Grenzen hinweg bezeichnen? Es wird wohl nicht lange dauern, bis der Internationale Gerichtshof mit solch einem Fall befasst sein würde.

Welche anderen demilitarisierenden Maßnahmen wird die internationale Gemeinschaft »Palästina« auferlegen? Ein Verbot von Verträgen mit anderen Nationen? Ein Verbot, eine iranische Botschaft zuzulassen, die vom Tag ihrer Eröffnung an ein Nest von Spionen und ein Waffendepot sein würde? Was ist mit einer syrischen Botschaft oder einer libanesischen Botschaft mit Hisbollah-Präsenz? Wer wird die Diplomatenkoffer mit Waffen und Munition für Terroristen kontrollieren? Werden Güter mit doppeltem Verwendungszweck in allen palästinensischen Handelsabkommen mit Russland, China und Nordkorea verboten werden?

Es stimmt, dass Einschränkungen der palästinensischen Souveränität in jede Zwei-Staaten-Lösung eingebaut werden können, und palästinensische Beamte können sie mit Blut unterschreiben. Aber das Blut wird verblassen: Die Einschränkungen werden von den Palästinensern so gesehen werden, wie die meisten Deutschen die durch den Versailler Vertrag auferlegten Einschränkungen nach dem Ersten Weltkrieg empfunden haben. Diejenigen, die versuchen, mit ihnen zu leben, werden als Verräter bezeichnet werden, und diejenigen, die fordern, sie aufzuheben oder zu verletzen, werden die national denkenden und handelnden Helden sein.

Die Israelis wiederum werden in der internationalen Gemeinschaft auf viele taube Ohren stoßen, wenn es um die wachsenden Gefahren geht; solange, bis sie versuchen, ihre eigenen Maßnahmen durchzusetzen. Dann werden in allen Gremien der UNO und in Dutzenden von Hauptstädten der Welt laute Stimmen zu hören sein, die Israels Aggression gegen das neue Palästina anprangern.

Frage der internationalen Beziehungen

Zu all dem kommt noch der Iran hinzu. Die großen Bedrohungen für Israel gehen heute – sofern und solange der Iran noch keine Atomwaffe entwickelt hat – alle von iranischen Stellvertretergruppen aus: der Hisbollah im Libanon, den Huthi im Jemen, der Hamas, dem Palästinensischen Islamischen Dschihad und anderen Gruppen wie den schiitischen Milizen im Irak.

Der Tag, an dem ein palästinensischer Staat ausgerufen wird, wird dann auch jener sein, an dem der Iran seine bereits beträchtlichen Bemühungen verstärken wird, das Westjordanland in das zu verwandeln, was der Gazastreifen im vergangenen Jahrzehnt bereits geworden ist: ein Labyrinth aus Waffenlagern, Ausbildungszentren, Tunneln, Abschussrampen und Basen für terroristische Angriffe. Nur wird die Geografie diesmal eine andere sein, denn die Hügel des Westjordanlands überblicken den Ben-Gurion-Flughafen, Jerusalem und die Küstenebene, in der sich der größte Teil der israelischen Wirtschaft, der größte Hafen und die größte Stadt des Landes befinden.

Vom Iran gelieferte Waffen werden von Syrien aus über die jordanische Grenze nach »Palästina« geschmuggelt werden. Selbst, wenn man davon ausgeht, dass die Jordanier versuchen könnten, dies zu verhindern, waren sie doch schon in der Vergangenheit nicht in der Lage, die Waffenströme zu stoppen, und der Iran wird es dann noch viel stärker versuchen.

Die Israelis sprechen heute von einem iranischen »Feuerring«, der sie im Libanon, in Syrien, im Jemen und im Gazastreifen und in geringerem Maße auch im Westjordanland umgibt. Die Gründung eines palästinensischen Staates wäre eine große iranische Errungenschaft und würde diesen Feuerring um ein wesentliches Element erweitern.

Erstaunlicherweise scheint dies die neue »Biden-Doktrin« zu sein, wie Thomas Friedman sie in der New York Times beschreibt. Diese »Biden-Doktrin« fordert »jetzt«, wie Friedman es ausdrückt, die Anerkennung eines palästinensischen Staates, »der erst dann entstehen würde, wenn die Palästinenser eine Reihe von definierten, glaubwürdigen Institutionen und Sicherheitsfähigkeiten entwickelt hätten, um sicherzustellen, dass dieser Staat lebensfähig wäre und Israel niemals bedrohen könnte«.

In der realen Welt werden diese Institutionen und Fähigkeiten jedoch nie entwickelt werden, sodass der Druck vom ersten Tag an steigen wird, die Messlatte niedriger zu legen und mit der Planung von Partys zum palästinensischen Unabhängigkeitstag zu beginnen. Zuerst werden die Araber, dann die Europäer und schließlich die Vereinigten Staaten alles anerkennen, was im Westjordanland und im Gazastreifen existiert; so sieht die »Biden-Doktrin« aus, wenn sie zum Tragen kommt.

Der andere wichtige Teil dieser neuen Doktrin ist laut Friedman »eine starke und entschlossene Haltung gegenüber dem Iran, einschließlich robuster militärischer Vergeltungsmaßnahmen gegen die Stellvertreter und Agenten des Iran in der Region«. Mit anderen Worten: Es ist derselbe Taschenspielertrick, den die Vereinigten Staaten seit vierzig Jahren anwenden. Der Iran zahlt keinen Preis für seine mörderischen Aktivitäten, weil nur die Stellvertreter bestraft werden, während der Iran selbst unangetastet bleibt.

Bidens Politik gegenüber dem Iran besteht seit seinem ersten Tag im Amt darin, die Sanktionen gegen das Regime zu lockern; zuzusehen, wie Teheran eine Atomwaffe ansteuert und immer wieder zu betonen, dass »wir keinen Konflikt mit dem Iran wollen«, während dieser amerikanische Soldaten angreift. Die Anfang des Jahres durchgesickerten Informationen der US-Regierung, wonach bald darauf iranische Ziele im Irak und in Syrien angegriffen werden sollten, um dem Iran Zeit zu geben, diese Stätten zu räumen, machten deutlich, dass die Vereinigten Staaten weiterhin eine leicht veränderte Version des alten Spiels spielen werden.

Eine Illusion

Die Schaffung eines palästinensischen Staates wird den israelisch-palästinensischen Konflikt nicht beenden, denn sie wird den palästinensischen und nun auch iranischen Traum von der Beseitigung des Staates Israel nicht beenden. Im Gegenteil, solch ein Staat kann als Ausgangspunkt für neue Angriffe auf Israel dienen und wird sicherlich von den engagiertesten Feinden des jüdischen Staates genau so gesehen werden.

Ein friedlicher palästinensischer Staat, der keine Bedrohung für Israel darstellt, ist eine Illusion. Er ist eine Illusion, die von Menschen im Westen genährt wird, die fortschrittlich und mitfühlend erscheinen wollen und von jenen in der arabischen Welt, die sich davor fürchten, sich den mächtigen anti-israelischen Strömungen entgegenzustellen, die dort kursieren und vom Iran verstärkt werden. Die künftige Sicherheit Israels hängt zu einem guten Teil davon ab, dass man sich der Zwei-Staaten-Formel für einen endlosen Konflikt widersetzt.

Elliott Abrams ist Senior Fellow beim Council on Foreign Relations und Vorsitzender der Vandenberg Coalition. (Dieser Artikel erschien ursprünglich in englischer Sprache in der Zeitschrift Tablet unter tabletmag.com und wird hier mit Genehmigung wiederpubliziert.)

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