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Israels falsche Freunde

Josep Borrell und Federica Mogherini: Wieso findet die EU immer nur anti-israelische Außenkommissarinnen?
Josep Borrell und Federica Mogherini: Wieso findet die EU immer nur anti-israelische AußenkommissarInnen? (© Imago Images / Agencia EFE)

Gestern hat der außenpolitische Sprecher der NEOS, Helmut Brandstätter, an dieser Stelle auf einen Kommentar von Christian Ortner geantwortet, in dem ein parlamentarischer Entschließungsantrag der Partei kritisiert worden war. Hier die Antwort auf Herrn Brandstätters Gastkommentar.

Sehr geehrter Herr Dr. Brandstätter,

Fremdwörter sind Glückssache, sagt man, das gilt auch für Sprachbilder. Sie hatten in Ihrer Replik auf Christian Ortners Kommentar kein Glück.

Der betrunkene Freund, den man nicht fahren lässt, ist morgen wieder nüchtern. Die israelische Regierung hat sich nach einem Jahr und drei Wahlgängen gebildet. Die Parteien von Netanjahu und Gantz, die beide den Trump-Plan ausdrücklich begrüßt hatten, kamen bei der letzten Wahl auf 56,05% der Stimmen. Wenig ist in Israel von einer so breiten Mehrheit der Bevölkerung getragen wie die Sicherheitspolitik.

Was will uns Ihr Vergleich also sagen? Sie werden wohl nicht ernsthaft behaupten wollen, die Israelis befänden sich im kollektiven Dauerdelirium.

Geradezu atemberaubend ist Ihre Betonung der Wichtigkeit, „den Anfängen zu wehren“. Sie wissen ganz genau, wofür das „Wehret den Anfängen!“ steht, mit dem man alten und neuen Nazis entgegentritt. Und jetzt führen Sie diese Worte ausgerechnet gegen Israel ins Feld, als wäre die Eingliederung von Teilen des Westjordanlandes in israelische Souveränität dasselbe wie der Einmarsch der Nationalsozialisten ins Sudentenland.

Lassen Sie uns freundschaftlich davon ausgehen, dass auch dieser Satz nur missglückt ist, weniger wohlwollend könnte man meinen, so denkt es in Ihnen. Zumal Sie noch an anderer Stelle eine Formulierung verwenden, die in einem Landser-Roman besser aufgehoben wäre. „Wenn Israel erst tief im Westjordanland steht…“ – wer sieht da nicht die Panzer auffahren?

Sie wissen – hoffentlich –, dass das mit der Realität nichts zu tun hat. Sowohl im „Peace to Prosperity“-Plan als auch in allfälligen Schritten zur Souveränitätsausweitung geht es ausschließlich um einen Teil jener Gebiete, die in den Osloer Abkommen als C-Gebiete ausgewiesen sind und schon jetzt unter vollständiger israelischer Kontrolle stehen. Eine „Annexion“, wie es gerne genannt wird (völkerrechtlicher Tipp: es ist keine), wäre nur eine Anpassung von Recht an Realität. Die Gebiete wären fortan unter zivile Verwaltung gestellt statt unter militärische, für die Palästinenser änderte sich nichts.

Europäische Arroganz

Was mich immer wieder erstaunt, ist die Selbstsicherheit, mit der europäische Politiker ständig beanspruchen, besser zu wissen, was gut für Israel sei, als Israel selbst. Wie der Vater das dumme Kind maßregelt man, erteilt gute Ratschläge und teilt Ohrfeigen aus mit der Versicherung, es sei ja nur zu seinem Besten. Ob in den alljährlichen Abstimmungsritualen in der UNO, in denen Israel öfter verurteilt wird als alle anderen Länder dieser Welt zusammen, oder eben in der Erklärung Borrells, die der neu gebildeten israelischen Regierung noch vor deren Angelobung mit einer Verschlechterung der Beziehungen gedroht hat.

Worauf gründet sich diese Gewissheit? Was ist der track record der europäischen Friedenspolitik? Die Erfolge im ehemaligen Jugoslawien, in Syrien oder auf der Krim? Die Versuche, die Sanktionen gegen den Iran zu unterlaufen, dem das völlig missglückte Atomabkommen ermöglicht hat, seine militärische Präsenz im Nahen Osten auszubauen und – via Hisbollah – mit 130.000 Raketen auf Israel zu zielen? Das Einspringen bei der Finanzierung, wenn der Palästinensischen Autonomiebehörde das Geld auszugehen droht, mit dem sie Terroristen für den Mord an Juden bezahlt?

Und welchen „Nahost-Friedensprozess“ meinen Sie eigentlich, dessen Teil Europa sei? Den mit der Hamas, die immer wieder mal hunderte Raketen pro Tag auf Israel feuert und die Vernichtung Israels im Programm hat? Oder den mit Abbas, der sich seit zehn Jahren weigert, an Verhandlungen auch nur teilzunehmen?

Machen wir uns nichts vor. Israel ist ein bedrohtes Land, und Europa kann und wird es weder schützen noch verteidigen. Wenn’s drauf ankommt, stehen weder Sie noch ich noch Herr Borrell unter Beschuss. Israel kann und muss alleine für seine Sicherheit sorgen. Europa ist ein militärisch impotenter Kontinent, der überhaupt nur mit Hilfe der USA die eigene Sicherheit garantieren kann, für mehr reicht es nicht, schon gar nicht für den Schutz von Ländern außerhalb der Union.

Der Erfolg europäischer Friedenspolitik besteht darin, dass wir uns gegenseitig nicht mehr die Köpfe einschlagen, was man gar nicht hoch genug wertschätzen kann. Aber zu einem relevanten Player in geopolitischen Sicherheitsfragen macht uns das nicht.

Der jüdische Kronzeuge

Irgendwann muss man sich entscheiden: Entweder ist „Israel die einzige Demokratie und ein wohlhabendes Land mit einem funktionierenden Rechtsstaat“, wie Sie schreiben, dann muss man als Freund die Sicherheitspolitik dieses demokratischen Rechtsstaats akzeptieren und unterstützen. Oder man erspart sich die pflichtbewussten Floskeln und redet Klartext.

So wie der israelische Kronzeuge, den Sie aufrufen. Der Mann, dessen Petition Sie unterzeichnet haben, heißt Avraham Burg und war ein hochrangiger Politiker der einst mächtigen israelischen Arbeiterpartei, die inzwischen vor allem aufgrund des Scheiterns ihrer Sicherheitspolitik in die Bedeutungslosigkeit abgestürzt ist. 2015 ist Burg in die kommunistische Chadasch eingetreten, die 1977 von der pro-sowjetischen „Neuen Kommunistischen Liste“ gegründet worden ist.

Chadasch fordert in ihrem Parteiprogramm die einseitige, vollständige Evakuierung aller israelischen Gemeinden im Westjordanland und die Gründung eines palästinensischen Staates auf dem gesamten, bis 1967 von Jordanien besetzten Gebiet. Burg hält den Zionismus für überflüssig und will das „Recht auf Rückkehr“, das Juden und deren Ehepartnern die Einwanderung nach Israel erlaubt, auf ein Minimum begrenzen.

Ginge es nach Chadasch und Burg, würde Israel als jüdischer Staat und als Schutzmacht und sicherer Hafen für alle Juden der Welt nicht mehr existieren.

Das kann man wollen, muss man aber nicht. Die Israelis wollen es jedenfalls nicht. 2020 war die Chadasch Teil der „Vereinigten Liste“ von Ayman Odeh, zusammen mit der arabisch-sozialistischen Balad, der arabisch-islamistischen Ra’am und der säkular-arabisch-nationalistischen Ta’al. Die Liste erhielt zuletzt 12,67% der Stimmen, die Chadasch belegt 5 von 120 Sitzen in der Knesset.

Es würde mich wirklich interessieren, ob die vorgeblich wirtschaftsliberalen NEOS jemals zu irgendeinem anderen Thema einen Kommunisten als Kronzeugen zur Untermauerung ihrer Politik aufgerufen haben. Oder ob nur beim Thema Israel jedes Irrlicht gut genug ist, um mit einem vermeintlichen Koscher-Stempel etwaigen Antisemitismus-Vorwürfen vorzubeugen.

Falsche Freunde

Das Ende Israels als jüdischer Staat und ein historisches Judäa und Samaria ohne Juden. Aus dieser Richtung weht der Wind, für den Sie mit Ihrer Unterschrift werben. Mit wenigen Ausnahmen befinden Sie sich damit in Gesellschaft linker und grüner Politiker sowie schottischer und irischer Nationalisten. Aus Österreich haben außer Ihnen nur Petra Bayer, Stefan Schennach, Andreas Schieder, Alois Stöger (alle SPÖ) und Thomas Weitz (Grüne) den offenen Brief unterzeichnet, in dem die EU geradezu um Sanktionen angebettelt wird, sollte Israel Schritte zur Umsetzung des Trump-Plans unternehmen. (Petition und Unterzeichner)

Mir ist parteipolitisches Gezänk zuwider. Umso bedauerlicher finde ich, dass Sie ausgerechnet ein Thema wie Nahostpolitik auf die Ebene Trump-Netanjahu-Kurz herabbrechen, während Sie gleichzeitig fordern, sich widerspruchslos Borrell anzuschließen, der seine „problematische Historie“ ja nicht mit Dienstantritt abgeschüttelt hat.

Dass die EU unter 500 Millionen Bürgern anscheinend nur anti-israelische Außenpolitiker wie Federica Mogherini oder Josep Borrell findet, ist nicht Israels Problem, sondern das der Union. Ein Politiker, der bedingungslose Gefolgschaft einfordert, macht es allerdings zu seinem eigenen.

Hand aufs Herz: Ich habe keine Freunde, die mich dauernd kritisieren, maßregeln, jeden meiner Schritte verurteilen und bei jeder Auseinandersetzung verlässlich auf der anderen Seite stehen. Und ich wünsche Ihnen, dass Sie ebenfalls möglichst wenige von dieser Sorte haben. Israel wünsche ich das freilich auch.

Freundschaft,
Ihr Thomas M. Eppinger

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