Ein alter antisemitischer Hut: Die Israel-Rede des Gregor Gysi

Gregor Gysi macht Israel im deutschen Bundestag für die Zunahme des Antisemitismus verantwortlich
Gregor Gysi macht Israel im deutschen Bundestag für die Zunahme des Antisemitismus verantwortlich (© Imago Images / Future Image)

Es gibt zwar noch keine Erweiterung der israelischen Souveränität auf das Jordantal, aber das hält den Deutschen Bundestag nicht davon ab, sie schon mal zu verurteilen. Eine besonders grässliche Rede in der Debatte hält dabei der außenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Gregor Gysi.

Wollte man es zurückhaltend formulieren, dann könnte man festhalten: Dass der Deutsche Bundestag den Beschluss fasst, eine denkbare, aber noch nicht erfolgte Ausdehnung der Souveränität eines Staates auf ein Gebiet, das bis dahin nicht zu ihm gehörte, zu kritisieren, ist durchaus unüblich. Selbst als Russland die Annexion der Krim nicht nur plante, sondern schließlich auch exerzierte, gab es keine gemeinsame Resolution des Hohen Hauses dazu.

Wieder einmal Einigkeit gegen Israel

Doch wenn es um Israel geht, sieht die Sache generell immer mal wieder anders aus. Erinnert sei nur an den im Juli 2010 ohne Gegenstimme verabschiedeten interfraktionellen Antrag, das israelische Vorgehen gegen die „Gaza-Flottille“ in den Gewässern vor der Küste des Gazastreifens zu verurteilen. Nun gab es erneut einen Beschluss zum jüdischen Staat, der im Bundestag ohne Nein-Stimme angenommen wurde. Dabei ging es um die Erwägung der israelischen Regierung, die staatliche Hoheit auf Teile des Westjordanlandes zu erweitern.

Geschehen ist diesbezüglich zwar noch nichts, es hat darüber bislang keine Abstimmung in der Knesset gegeben, die konkrete Ausprägung dieses möglichen Schrittes ist unklar, und militärische Maßnahmen sind ebenfalls noch nicht ergriffen worden. Trotzdem haben die deutschen Parlamentsfraktionen schon mal Anträge eingereicht, im Bundestag ausführlich debattiert und schließlich die gemeinsame Vorlage von Union und SPD angenommen.

Darin heißt es unter anderem, die Bundesregierung solle

„der dringlichen Forderung an die israelische Regierung, von einer Annexion von Teilen des Westjordanlandes und von dem weiteren Ausbau der Siedlungen abzusehen, die beide im Widerspruch zu internationalem Recht stünden, Nachdruck verleihen“.

Hat man solche Töne je gegenüber der palästinensischen Seite vernommen, wenn diese mal wieder Raketen auf Israel schoss und Vernichtungsdrohungen aussprach?

Einen noch weiter gehenden Antrag hatte die Linksfraktion gestellt. Sie fordert, „im Falle der Annexion endlich die Militärkooperation mit Israel zu beenden“, das EU-Assoziierungsabkommen auszusetzen und „endlich Palästina als souveränen Staat anzuerkennen“.

Die Linkspartei als parlamentarische Speerspitze des Antizionismus

Nun ist es keine neue Erkenntnis, dass die Linkspartei die parlamentarische Speerspitze des Antizionismus in Deutschland bildet; an der „Gaza-Flottille“ etwa nahmen mit Inge Höger, Annette Groth und Norman Paech gleich drei ihrer Politikerinnen und Politiker teil.

In seiner Eigenschaft als Vorsitzender der linken Bundestagsfraktion wiegelte Gregor Gysi später dennoch ab: Es gebe keinen Antisemitismus in seiner Partei, sondern nur „zu viel Leidenschaft bei der Kritik an Israel“. Dabei könnte er es besser wissen, schließlich verfolgten ihn Israelhasser, die von Gysis eigenen Genossinnen und Genossen eingeladen worden waren, im Herbst 2014 buchstäblich bis auf die Toilette.

Mittlerweile ist Gysi außenpolitischer Sprecher seiner Fraktion, und in dieser Funktion trat er bei der jüngsten Bundestagsdebatte über Israel ans Mikrofon. Was dann folgte, macht noch einmal deutlich, wie verquer, ja, bodenlos die Haltung der Linkspartei zum jüdischen Staat ist.

Das zeigt sich bereits zu Beginn der Rede, als Gysi an den Teilungsbeschluss der UNO für das Mandatsgebiet Palästina vom 29. November 1947 erinnert, der bekanntlich die Gründung eines jüdischen und eines arabischen Staates vorsah. Gysi sagt:

„Nur hinsichtlich Israels ist dieser Beschluss erfüllt, nicht für Palästina, nicht für Jerusalem, nicht für Bethlehem.“

Was er nicht sagt: Das liegt daran, dass die jüdische Gemeinschaft in Palästina den Beschluss der Vereinten Nationen akzeptierte und ein halbes Jahr später den Staat Israel proklamierte, während die arabische Seite den Plan grundsätzlich und radikal ablehnte und den jüdischen Staat einen Tag nach dessen Gründung kriegerisch angriff – mit dem Ziel, ihn sofort wieder von der Landkarte zu radieren.

Natürlich weiß Gregor Gysi das, wie auch aus der Antwort hervorgeht, die er dem Europa-Korrespondenten der Jerusalem Post, Benjamin Weinthal, auf dessen Anfrage schickte. Warum lässt er es dann in seiner Ansprache unerwähnt? Weil „der Beschluss der UNO nie aufgehoben worden“ sei, so Gysi.

Lippenbekenntnisse und ein skandalöses Junktim

Das stimmt, allerdings unterschlägt er erneut etwas: Es liegt an den palästinensischen Führungen, dass es bis zum heutigen Tag keinen Staat Palästina gibt. Ob nun Yassir Arafat in den Verhandlungen mit Ehud Barak in Camp David oder Mahmud Abbas in den Gesprächen mit Ehud Olmert – am Ende kam es trotz eines sehr weitgehenden israelischen Entgegenkommens nie zur Zweistaatenlösung, weil die Palästinenser nicht von ihrem Ziel der „Befreiung ganz Palästinas“ – also einer Kein-Staat-Israel-Lösung – abrücken wollten.

Im Übrigen ist es genau das, was so viele israelische Linke desillusioniert hat: Sie mussten feststellen, dass die Formel „Land für Frieden“ nicht aufgeht, Israel gleichzeitig nicht mehr anbieten kann, als es bereits angeboten hat, und das maximale Kompromissangebot mit maximalem Terror beantwortet wird.

Gysi lässt sodann in seiner Rede einige Beteuerungen folgen, denen man nicht nur die Pflichtschuldigkeit anmerkt, sondern bei denen von vornherein klar ist, dass ein großes Aber folgen wird:

„Selbstverständlich müssen wir in Deutschland besonders sensibel sein in Bezug auf die Sicherheit und das Existenzrecht Israels … Es gibt immer noch Menschen, Organisationen, Regierungen und andere, die Israel vernichten wollen. Dagegen werden wir uns immer mit aller Entschiedenheit wenden.“

Für diese besondere Sensibilität der Linkspartei in Bezug auf den jüdischen Staat und die Entschiedenheit beim Kampf gegen dessen Feinde nennt Gysi keine Beispiele, was nicht nur der knappen Redezeit geschuldet ist: Es hätten sich schlicht keine gefunden.

Gregor Gysis Ausführungen sind an dieser Stelle reine Lippenbekenntnisse, um anschließend zum eigentlichen Punkt kommen zu können, wenn er behauptet:

„Das Existenzrecht Israels ist in seiner völkerrechtlichen Geburtsurkunde an das Existenzrecht Palästinas gebunden.“

Das ist aus den schon erwähnten Gründen falsch; es gibt kein „entweder beide oder keiner“, wenn die eine Seite das Existenzrecht der anderen prinzipiell bestreitet und deshalb an keinem Kompromiss interessiert ist. Gysi aber deutet hier an, dass der jüdische Staat aus der Sicht seiner Partei eigentlich gar nicht bestehen (bleiben) darf, wenn es keinen palästinensischen Staat gibt. Schon dieses Junktim ist skandalös.

Ein alter antisemitischer Hut

Doch dabei bleibt es nicht. Es sei, fährt Gysi fort,

„auch für viele Jüdinnen und Juden mehr als beschämend, wenn gerade Israel mit Völkerrechtsbruch, mit Besatzung, mit Demütigung der Palästinenserinnen und Palästinenser in Verbindung gebracht werden muss.“

Es ist ein alter antisemitischer Hut, Juden für die Politik der israelischen Regierung haftbar zu machen, auch solche, die nicht einmal israelische Staatsbürger sind. Im Kern tut Gysi hier nichts anderes. Und wieso eigentlich „gerade“ Israel? Gibt es einen besonderen moralischen Anspruch an das Land? Wenn ja, woraus soll er erwachsen? Aus der Verfolgung der Juden durch die Deutschen vielleicht, so, als wäre Auschwitz kein Vernichtungslager gewesen, sondern eine Erziehungsanstalt? Doch auch dabei belässt es Gysi nicht:

„Der Ruf von Israel wird bei Realisierung der Annexionspläne weltweit noch deutlich negativer. Das trifft ebenfalls weltweit alle Jüdinnen und Juden. Weder sie noch Israel werden dadurch sicherer – im Gegenteil.“

So sieht er also aus, der heldenhafte Einsatz der Linkspartei gegen antiisraelische Vernichtungsdrohungen und überhaupt gegen Antisemitismus: Wenn Antisemiten weltweit wieder mal auf Juden und jüdische Einrichtungen losgehen und das mit der Politik der israelischen Regierung rechtfertigen, dann liegt das nicht etwa an den Antisemiten, sondern am jüdischen Staat. Und womöglich überhaupt an den Juden, die ja schließlich nichts unternommen haben.

Von Gysis Äußerung, die eine lupenreine Täter-Opfer-Umkehr darstellt, bis zur antisemitischen Behauptung, die Juden seien am Antisemitismus selbst schuld oder provozierten ihn zumindest, ist der Weg nicht mehr weit. Doch das Protokoll verzeichnet an dieser Stelle „Beifall bei der LINKEN“.

Gysi plädiert noch, wie es auch im Antrag seiner Fraktion steht, „bei einer Annexion“ für einen „Stopp der Militärkooperation mit Israel und der Waffenexporte in den gesamten Nahen Osten“. Das heißt: Er will die militärischen Potenziale des jüdischen Staates schwächen. In dessen feindlichem Umfeld bedeutet das letztlich, die Existenz Israels, für die sich die Linkspartei doch angeblich verwendet, zu gefährden. Die Rede ist ein einziges Desaster.

Es geht auch anders

Dass es auch anders geht, stellte an diesem Tag Bijan Djir-Sarai unter Beweis. Der FDP-Abgeordnete monierte in seiner Ansprache:

„Wir diskutieren heute über Pläne der israelischen Regierung, zu denen niemandem Details vorliegen, Pläne, von denen wir nicht wissen, ob sie heute, morgen oder eventuell auch überhaupt nicht umgesetzt werden.“

Er wies darauf hin, „dass die sogenannte palästinensische Führung in den vergangenen Jahren keinerlei Kompromissbereitschaft an den Tag gelegt hat“ und dass „Israel die einzige Demokratie in einer gefährlichen und instabilen Region ist“. Und bevor er das Rednerpult räumte, stellte Djir-Sarai noch etwas klar, das für niemanden sonst ein Thema war, obwohl es so bedeutsam ist:

„Es ist bemerkenswert, wie oft und motiviert hier im Deutschen Bundestag über Israel diskutiert wird. Bis zum heutigen Tag kenne ich keine einzige Resolution, kein einziges Papier des Deutschen Bundestages, wo die Islamische Republik Iran verurteilt wird, wo Menschenrechtsverletzungen im Iran verurteilt werden und wo vor allem die Rolle des Irans in der Region verurteilt wird. Darüber sollten wir uns Gedanken machen, wenn wir hier über Sicherheit und Existenz des Staates Israel reden.“

Diese Ausführungen wiederum gefielen Außenminister Heiko Maas, der doch dem eigenen Bekunden nach wegen Auschwitz in die Politik gegangen sein will, nicht besonders – wie man unschwer der Mimik entnehmen kann, mit der er auf Djir-Sarais Worte reagierte:

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