„Zynisch hatte der russische Außenminister Lawrow am Montag angekündigt, die ‚Erfahrungen mit der Befreiung von Aleppo-Stadt von Militanten‘ könnten in Ostghuta als Vorbild dienen. Die Räumung Aleppos im Dezember 2016 nach monatelangen Bombardierungen mit Tausenden von Toten ist von der UN im März 2017 als Kriegsverbrechen Russlands und des Assad-Regimes eingestuft worden. Sie bedeutete die Vertreibung von 34.000 Menschen, die heute in der Provinz Idlib in Flüchtlingslagern vegetieren. In Ostghuta sind es rund 400.000 von der Kriegsachse Moskau-Teheran-Damaskus eingeschlossene Zivilisten, die Lawrows Ankündigung gemäß das gleiche Schicksal erwartet. Regeln des Völkerrechts gelten in Syrien längst nichts mehr. Weil sich der Westen um jeden Preis aus dem Krieg heraushalten wollte und es daher unterließ, ihn einzudämmen, als es die Kräfteverhältnisse im Lande noch zuließen, nehmen regionale Mächte das Recht nun in die eigenen Hände. Die Folge ist eine unübersehbare Verschiebung der Koordinaten auch innerhalb des westlichen Bündnissystems. (…)
Dass die russisch-iranische Allianz weiter hält, liegt an ihrem gemeinsamen strategischen Hauptmotiv: die USA ganz aus dem Nahen Osten zu verdrängen. Israel aber wird nicht zulassen, dass sich an seiner Grenze eine bedrohliche iranische Militärpräsenz verfestigt. Syrien könnte so auch zum Schauplatz eines direkten israelisch-iranischen Zusammenstoßes werden. Bei all dem wird der Westen zum ohnmächtigen Zuschauer. Auch jenseits militärischen Engagements besäße er aber noch Mittel, die Kriegsmächte in Syrien zur Mäßigung zu drängen, etwa durch das Verhängen von Sanktionen. Dafür wird es aber allerhöchste Zeit. Sonst wird Syrien zum Laboratorium einer kommenden Weltunordnung, in der die humanitären Errungenschaften des internationalen Rechts ausgelöscht sind und autoritäre Mächte ihre Interessen mittels willkürlicher, unkontrollierter Gewalt durchsetzen.“ (Richard Herzinger: „In Syrien wird der Westen zum ohnmächtigen Zuschauer“)