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USA: Wiederholt sich das Afghanistan-Desaster in Syrien?

Ziehen die USA ihre Truppen aus Syrien ab?
Ziehen die USA ihre Truppen aus Syrien ab? (© Imago Images / Pond5 Images)

Seit Ende Januar ist die Rede von der generellen Absicht der USA, sich aus Syrien zurückzuziehen, wie auch von konkreten Plänen der Regierung, diesen Schritt zu vollziehen. Einzelheiten und Durchführbarkeit sind jedoch noch unklar.

Meldungen über einen möglichen Abzug der amerikanischen Streitkräfte aus Syrien haben fünf Jahre lang immer wieder für Aufsehen gesorgt, nachdem der ehemalige Präsident Donald Trump 2019 plötzlich beschlossen hatte, alle Militärkräfte aus dem syrischen Hoheitsgebiet zurückzuziehen. Das Einzige, das den vollständigen Abzug aus Syrien bislang verhinderte, war das Beharren des Pentagons auf der Notwendigkeit, eine amerikanische Präsenz in dem Land aufrechtzuerhalten, die sich aktuell auf etwa neunhundert Soldaten beläuft.

Diese noch in Syrien befindlichen US-Soldaten sollen das Erreichen mehrerer Ziele garantieren: die Fortsetzung des Kampfs gegen die Terrororganisation Islamischer Staat (IS), die Herstellung eines Gleichgewichts zwischen den vor Ort eingesetzten Kräften, den Schutz der Kurden schützen und die Verhinderung eines Ausbaus der iranischen Kontrolle über das Land.

Trotz der aktuell geringen Truppenstärke ist der vollständige Rückzug aus Syrien nach wie vor umstritten. Im Januar zitierte das amerikanische Magazin Foreign Policy Quellen aus dem Weißen Haus sowie aus dem Verteidigungs- und dem Außenministerium mit der Aussage, Washington sei nicht an einem weiteren Verbleib in Syrien interessiert. 

Laut dem Blatt finden derzeit intensive Diskussionen statt, um den Zeitpunkt und die Art und Weise des Abzugs der Militärkräfte aus Nordsyrien zu erörtern, nachdem die Feindseligkeiten, die von iranfreundlichen Gruppierungen geführt werden, zugenommen haben. Das Magazin warnte jedoch, dass der amerikanische Rückzug aus Nordsyrien zum Wiederaufleben des Islamischen Staates beitragen könnte, der sich nach seiner Niederlage in Raqqa in die Wüstengebiete an der Grenze zum Irak zurückgezogen hat.

Keine offizielle Stellungnahme

Anderen ebenfalls im Januar veröffentlichten US-Medienberichten zufolge hat das Pentagon seinen syrisch-kurdischen Verbündeten einen Plan vorgelegt, der eine Partnerschaft mit dem syrischen Regime vorsieht und den Weg für den Abzug der USA ebnet. 

Das Pentagon lehnte es jedoch ab, sich zu den von der Nachrichtenwebsite Al-Monitor diesbezüglich öffentlich gemachten Leaks zu äußern. Während einer Pressekonferenz weigerte sich General Pat Rader, der Sprecher des Verteidigungsministeriums, direkt auf solche »Vermutungen« einzugehen und sagte, er »habe nichts zu dieser Angelegenheit. Ich habe diese Berichte nicht gesehen.« Später dementierte das Weiße Haus die Berichte, was der Kontroverse aber keinen Abbruch tat.

Eine Quelle der syrischen Opposition erklärte kürzlich gegenüber der saudischen Zeitung Al-Sharq Al-Awsat, die durchgesickerten Informationen über eine US-Abzug aus Syrien und über eine Initiative zur Partnerschaft zwischen den Kurden und dem syrischen Regime seien mit Reformen zusammengefallen, die Bashar Al-Assad vorgenommen habe, darunter der Ausschlusses prominenter Führungskräfte, die dafür bekannt sind, einer Normalisierung mit den Kurden ablehnend gegenüberzustehen,  aus den Sicherheitsdiensten. 

Am 9. März stimmte das US-Repräsentantenhaus gegen eine Resolution, mit der die Regierung von Präsident Joe Biden angewiesen werden sollte, alle Truppen aus Syrien abzuziehen. Der republikanische Abgeordnete Matt Gaetz legte den Vorschlag vor, der laut der offiziellen türkischen Agentur Andolu mit einer Mehrheit von 321 Stimmen abgelehnt wurde, während 103 Abgeordnete mit »Ja« stimmten.

Angesichts dieser Entwicklungen bleibt die Frage, ob ein Abzug der amerikanischen Streitkräfte unter strategischen Gesichtspunkten möglich ist.

Katastrophale Resultate

Die stellvertretende Direktorin des Zentrums für den Nahen Osten und Nordafrika am United States Institute of Peace, Mona Yacoubian, sagt, es gebe klare strategische Bedenken gegen einen möglichen Rückzug der USA aus Nordsyrien: »Viele Parteien, darunter die Türkei, Russland, die syrische Regierung und der Iran, werden versuchen, die Lücke zu füllen, die der amerikanische Rückzug hinterlassen wird«.

Gleichzeitig würden die kurdischen Kräfte, welche die Gefangenenlager für IS-Kämpfer bewachen, gezwungen sein, sich selbst vor den verschiedenen Parteien zu schützen, die versuchen werden, die Lücke zu füllen, »was in Folge die Sicherheit der Gefangenenlager für Terroristen stark beeinträchtigen wird. Dies könnte letztlich dazu führen, dass IS-Kämpfer aus den Gefängnissen fliehen und die Organisation wieder auflebt.«

Der Professor in der Abteilung für Außenpolitik und Globale Sicherheit an der School of International Services der American University, Grigory Avtandilian, meint, die Regierung von Joe Biden wolle keinen übereilten Rückzug, weil das mit ziemlicher Sicherheit dazu führen würde, dass die Türkei vorrückt und die als Autonome Verwaltung von Nord- und Ostsyrien bekannte kurdisch geführte Entität zerschlägt. »Das wäre eine Katastrophe, ähnlich wie der katastrophale Abzug der US-Truppen aus Afghanistan im Jahr 2021.« 

Ähnlich sieht das der Direktor des Kurdischen Zentrums für Studien, Nawaf Khalilm der erklärte, der Abzug der Amerikaner, »wenn er denn stattfindet, würde effektiv bedeuten, dass Syrien und der Irak an den Iran übergeben werden.« Darüber hinaus würd so eine Entwicklung eine Gelegenheit für den Islamischen Staat sein, wieder zurückzukehren sowie eine für die Türkei, weitere militärische Operationen in der Region zu starten.«

Die Situation vor Ort spreche jedoch nicht für einen Rückzug der Vereinigten Staaten aus Syrien, »die ihre Streitkräfte neu positioniert und ihre Präsenz in der Region gerade in letzter Zeit durch den Bau neuer Stützpunkte und die Entsendung weiterer Waffen verstärkt haben«, meinte Khalim abschließend. 

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