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Corona: Das Geheimnis der verschwundenen Impfdosen von Gaza

Medienwirksame Inszenierung: Ankunft der ersten Impfdosen in Gaza
Medienwirksame Inszenierung: Ankunft der ersten Impfdosen in Gaza (© Imago Images / ZUMA Wire)

Obwohl die Impfkampagne in Gaza offiziell begonnen hat, ist es geradezu unmöglich einen Geimpften unter der Zivilbevölkerung zu finden.

Julia Kay, Jewish Chronicle

Ein Jahr nach dem ersten Auftreten des Coronavirus im Gazastreifen hat Samid umfangreiche Nachforschungen angestellt, konnte aber keine einzige Person ausfindig machen, die geimpft worden ist. Das liegt allerdings nicht daran, dass noch kein Impfstoff in Gaza angekommen wäre. Die erste Lieferung von 2.000 russischen Sputnik-V-Dosen, die von der Palästinensischen Autonomiebehörde zur Verteilung an die Ärzte der Intensivstationen gekauft wurde, erreichte Ende Februar von Israel aus den Küstenstreifen.

Die Impfstoffe kamen jedoch nicht beim Krankenhauspersonal an, für das sie bestimmt waren. Sie sind einfach verschwunden. Das kam für die Menschen in Gaza nicht überraschend. Wo sind die Impfstoffe also gelandet? „Bei den Eliten“, sagt Samid. Er weiß, dass es besser ist, nicht weiter nachzufragen; nicht, wenn die Hamas das Sagen hat. Die zwei Millionen Einwohner von Gaza werden von 20.000 Kämpfern in Schach gehalten.

Samid erinnert sich an jenen Mann aus dem Abu-Awda-Clan in Beit Hanoun im nördlichen Gazastreifen, der einen Verwandten filmte, der an Covid-19 erkrankt war. Der Mann beschwerte sich, dass das von der Hamas geführte Gesundheitsministerium sich nicht für Coronakranke interessiere. „Danach hatte er Besuch“, erinnert sich Samid: „Wir sahen die blauen Flecken, die sie überall an ihm hinterließen.“ (…)

Der Widerwille der PA und der Hamas, bei der Bekämpfung des Virus mit Israel zusammenzuarbeiten, hat die Frage vernebelt, wer für die Impfung der Menschen in der Westbank und im Gazastreifen verantwortlich ist. Die internationale Gemeinschaft und die Medien weltweit waren schnell darin, Israel für den langsamen Start der palästinensischen Impfkampagne verantwortlich zu machen, wobei sie das Argument vorbrachten, dass Israel als Besatzungsmacht nach der Genfer Konvention verpflichtet sei, Palästinenser zu impfen, die unter seine Kontrolle fallen.

Unangenehm für Israels Kritiker ist, dass die Palästinensische Autonomiebehörde eine ganz andere Ansicht vertritt. Gemäß den Osloer Vereinbarungen ist die PA seit etwa drei Jahrzehnten für die Gesundheitsversorgung im Westjordanland verantwortlich – worunter auch die Impfkampagnen fallen. Wie der palästinensische Premierminister Mohammed Shtayyeh kürzlich im Fernsehen erklärte: „Wir werden keine israelische Aufsicht über unsere Corona-Maßnahmen akzeptieren. Was wir von Israel verlangen, ist, die Sache uns zu überlassen.“

Obwohl die Palästinensische Autonomiebehörde Israel erlaubt hat, mit der Impfung von 120.000 Palästinensern zu beginnen, die in Israel arbeiten, hat sie das israelische Angebot abgelehnt, eine Impfklinik für muslimische Gläubige auf dem Tempelberg einzurichten.

Die palästinensischen Behörden haben ihre eigenen Vorkehrungen getroffen. Das Gesundheitsministerium hat genügend Dosen bestellt, um 70% der Bevölkerung zu impfen, wobei die internationale COVAX-Initiative Impfdosen für weitere 20% der Bevölkerung bereitstellt. Eine erste Lieferung von 240.000 Dosen des Impfstoffs von AstraZeneca steht kurz davor an die PA verschickt zu werden, damit diese sie im Westjordanland und Gazastreifen verteilen kann.

Und so hat angeblich auch die Impfkampagne in Gaza begonnen. Im Februar wurden Fernsehteams eingeladen, um den offiziellen Start aufzuzeichnen. Es begann damit, dass der aktuelle und zwei ehemalige Gesundheitsminister ihre Impfungen erhielten, zusammen mit einer symbolischen Anzahl von Mitarbeitern aus dem Gesundheitsbereich. D

och was ist seither passiert? Soweit es den durchschnittlichen Gazaner betrifft, scheinen die wertvollen Fläschchen wie von Zauberhand verschwunden zu sein. Hamas-Funktionäre haben sich geweigert, bekannt zu geben, wie viele Mitarbeiter des Gesundheitswesens und andere Bürger eine Impfung erhalten haben. Auf den Straßen von Gaza haben sich die Menschen damit abgefunden, dass praktisch alle Impfstoffe an Hamas-Führer, Regierungsbeamte, Kämpfer und deren Familien gegangen sind.

(Aus dem Artikel „The mystery of Gaza’s vanishing vaccine doses“, der bei Jewish Chronicle erschienen ist. Übersetzung von Alexander Gruber.)

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