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Bestandsaufnahme: Wenn ein ganzes Land dem Terror Contra bietet

Raketensalve aus Gaza auf Israel
Raketensalve aus Gaza auf Israel (© Imago Images / NurPhoto)

Israelis blicken auf ihr Land und müssen sehen: Vom Süden bis weit in den Norden, von Ost nach West, ist es zur Front geworden.

Dass „Front“ in diesem Zusammen jedoch keine ausschließlich geografische Definition ist, das bekommen der jüdische Staat und seine Bürger obendrauf freihausgeliefert.

Status Quo nach sechs Tagen

Es war kein einfaches Wochenende in Israel. Auch der Ausblick ist momentan nicht besser. Nach sechs Tagen liegt die Bilanz bei über 3.000 aus dem Gazastreifen abgefeuerten Raketen.

Da die radikal-islamistischen Kämpfer des Gazastreifens versuchen, das Raketenabwehrsystem Iron Dome mit Salven auszutricksen, werden manchmal innerhalb weniger Sekunden Dutzende Mörser und Raketen lanciert. Für israelische Zivilisten bedeutet das: Immer wieder einmal ist ein Alarm kaum verklungen, da setzt schon ein weiterer ein.

Dieses Mal ist der Beschuss aus dem Gazastreifen so großräumig wie nie zuvor. Mit Unterstützung des Iran haben die verschiedenen Organisationen im Gazastreifen ihre Arsenale nicht nur aufgestockt, sondern gleich einmal auch für „qualitative Aufwertung“ gesorgt. Neue Raketentypen mit größerer Reichweite und noch mehr zerstörerischer Kraft erreichen nunmehr mit Leichtigkeit Jerusalem ebenso wie nördlich des Großraumes Tel Aviv gelegene Gebiete.

Führer erschienen während laufender Sendungen rechts oben auf dem TV-Bildschirm eingeblendet die Orte, in denen die Sirenen heulen. Gelistet waren zumeist zwei, drei, manchmal vier Orte. Inzwischen ist die Liste so lang, dass die ersten Orte schon Sekunden nach der Einblendung verschwinden, um Platz für all die weiteren Ortschaften zu machen, in denen ebenfalls Alarm gegeben werden muss.

Es ist nicht wie früher als galt: Alarm Richtung Zentral-Negev heißt Ruhe in Richtung Ashkelon und umgekehrt. Inzwischen werden Raketen zeitgleich Richtung Großraum Tel Aviv, Großraum Be´er Sheva und Grenzregion zum Gazastreifen lanciert.

„Notfallroutine“

Für die Einwohner des westlichen Negev und Städte wie Sderot und Ashkelon – über den Daumen gepeilt für rund eine Million israelischer Zivilisten – ist der Raketenbeschuss im wahrsten Sinne Alltag; er ist sozusagen Routine. Sie sind nicht erst seit einigen Tagen unter Beschuss, sondern schon seit Wochen, in denen die Hamas und andere Islamisten immer wieder „einfach nur so“ für Raketenbeschuss sorgen. Insgesamt wohlgemerkt seit 20 Jahren.

Einen Grund für ihren Raketenbeschuss brauchen die Terrororganisationen nicht, genauso wenig wie sie schert, dass der Beschuss von Zivilisten Kriegsrecht verletzt. Das hindert sie in keiner Weise daran, umso lauter auf eben jenes Kriegsrecht hinzuweisen, wenn Israel sich gegen die Angriffe auf seines Zivilisten wehrt.

Im westlichen Negev ist man es gewohnt, von einer Sekunde auf die andere – beim Kochen, Essen, Duschen, Autofahren, Kinder zu Bett bringen ebenso wie bei der Sitzung auf einem gewissen Örtchen – auf „Notfallroutine“ umzuschalten, um im Bruchteil einer Sekunde Schutz zu suchen. Schließlich hat man in den am meisten betroffenen Regionen nur 15 Sekunden Zeit.

Das ganze Land ist Front

Inzwischen sind Millionen israelischer Zivilisten unter Beschuss. Auch sie haben, sobald die Sirenen aufheulen, „Blitzaktionen“ zu vollführen. Im Gegensatz zu den Einwohnern in Grenznähe zum Gazastreifen bleibt ihnen allerdings „sehr“ viel mehr Zeit; je nach Entfernung gestaffelt zwischen 45 Sekunden und maximal zwei Minuten.

Das erklärte Ziel der Raketen der radikal-islamistischen Kämpfer sind jüdische Israelis. Raketen machen jedoch keinen Unterschied zwischen Menschen und somit sind unter den israelischen Todesopfern bereits ebenfalls Angehörige der arabischen Gemeinschaft Israels oder Pflegerinnen aus Indien und Arbeiter aus Thailand.

Lassen Israelis dieser Tage den Blick zur Abwechslung mal nicht in die Luft, sondern aufs Mittelmeer schweifen, so ergibt sich auch dort ein grimmiges Bild: Die Hamas versucht mit ihrem Marine-Kommando auf israelisches Hoheitsterritorium zu gelangen und mit ihren Raketen auch an die israelische Gasförderplattform im Mittelmeer heranzukommen.

An der Grenze zum Libanon kam es am Wochenende ebenfalls zu einem Zwischenfall. Von dort und von Syrien fanden dieser Tage ebenfalls Raketen ihren Weg nach Israel, wenngleich das (bislang) genauso vereinzelte Vorkommnisse waren wie die Versuche einiger weniger Personen, von Jordanien nach Israel zu infiltrieren.

Dass es zu mehreren Anschlägen im Westjordanland und wiederholt auch in Jerusalem kommen würde, war längst vorprogrammiert, denn die Hamas versucht seit Wochen – auch ohne Sheikh Jarrah und Jerusalem-Tag –, die dort lebenden Palästinenser „für die Sache zu mobilisieren.“ Hier sind es keine Raketen und längst nicht nur Schusswaffen, die gegen Israelis gerichtet werden, sondern auch Messer, Sprengsätze oder gar Fahrzeuge.

In Haifa und Akko gab es bislang keinen Raketenalarm und doch: Auch hier ist es nicht ruhig. Wie in vielen anderen größeren und kleineren Städten Land auf, Land ab kam es zu Unruhen zwischen arabischen und jüdischen Israelis.

Wer glaubt, beispielsweise Eilat oder gar Tiberias seien verschont, der irrt. Die Mobilisierung von Tausenden von Reservisten bedeutet: Auch an Orten, die von jedweden Kampfhandlungen verschont sind, sind Familien von den Ereignissen betroffen.

Was Israelis wahrnehmen, wenn sie ins Ausland blicken

Wie üblich in Zeiten, in denen die Waffen sprechen, schlagen den Israelis vor allem Vorwürfe entgegen, der Aggressor und überdies der unverhältnismäßig Schlagkräftigere zu sein. Für andere, die sich in political correctness üben, ist Äquidistanz das Zauberwort, das auch dann noch als passend angesehen wird, wenn auf Demonstrationen in aller Welt skandierend „Tod den Juden“ gefordert wird.

Die Welt, allen voran der UN-Sicherheitsrat, fordert, dass die Kampfhandlungen eingestellt werden müssten, sofort. Während die Welt „Nie wieder“ als Synonym für Ablehnung von Krieg versteht, meinen Israelis mit genau diesen zwei, nicht weniger häufig als anderswo fallenden Worten hingegen: Nie wieder werden wir uns kampflos abschlachten lassen.

Und so sehr niemand in Israel in den Kampf ziehen will, so klar ist jedem doch zugleich: Je eher es jetzt aufhört, desto früher wird es wieder anfangen. Daran ändert auch nichts, dass viele Israelis umfassende Kritik am Management der Lage durch ihre Politiker haben.

Schieflage

Israelis nehmen deutlich wahr, dass die Welt wegen der zivilen palästinensischen Opfer besorgt ist. Das sind die Israelis auch. Denkt die Welt eigentlich an Israelis, die – während sie wegen der Auseinandersetzungen genauso besorgt sind wie alle anderen auch – selbst auch noch als zivile Zielscheiben beschossen werden?

Ja, die palästinensische Seite hat mehr zivile Opfer zu beklagen als Israel. Dazu trägt bei, dass die involvierten Terrororganisationen bereit sind, die eigenen Bürger zu opfern, sie als Schutzschilde zu missbrauchen und lieber in Angriffswaffen, anstatt in Infrastruktur für die eigene Bevölkerung zu investieren. Damit sind nicht nur Schutzräume gemeint, sondern auch Krankenhäuser, Grundlagen für Strom- und Wasserversorgung und vieles mehr.

Wenn Israel sein „Nie wieder“ beschwört, sorgt es für seine Verteidigung, doch eben nicht um jeden Preis, wie etwa der Abbruch von Militäroperationen in letzter Minute zeigt – zuletzt geschehen am Wochenende, als ein IDF-Pilot ein Bombardement kurz vorm Schlag abbrach, weil Kinder vor Ort erkennbar waren.

Zur Schieflage, mit der sich Israel auseinandersetzen muss, gehört also: Israel setzt eine Operation aus, weil man wissentlich das Leben von Kindern gefährden würde. Zugleich zieht es eine Operation durch, weil aufgrund nachrichtendienstlicher Erkenntnisse gesichert ist, dass damit ein Kommandeur des Islamischen Jihad aus dem Verkehr gezogen werden kann.

Während die Welt aber wegen der palästinensischen Opfer aufschreit, werden gerade wegen dieses Jihad-Kommandeurs die fast 200.000 Einwohner der Stadt Be´er Sheva mit einer Raketensalve nach der nächsten bedacht. Dass die Einwohner meiner Stadt – und damit auch ich – heute bis zum frühen Nachmittag mit lediglich arg strapazierten Nerven davongekommen sind, verdanken wir dem Iron Dome, den Bunkern und den Schutzräumen.

Fazit

Wenn die Hamas erklärt, die „zionistische Besatzung zu bekämpfen“ dann ist klar: Hier geht es nicht um eine seit 2005 nicht mehr existente israelische Besatzung des Gazastreifens. Es geht auch nicht um die Besatzung des Westjordanlandes. Es geht nicht um den Kampf für Jerusalem, Al-Aqsa und Sheikh Jarah und auch nicht um einen Kampf für einen unabhängigen Staat Palästina.

Es ist kein Kampf FÜR etwas, sondern GEGEN etwas: gegen die Existenz des jüdischen Staates schlechthin, die der radikal-islamischen Organisation nicht weniger ein Dorn im Auge ist als dem Iran.

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