Warum hat die Hamas Geld für Raketen, aber keines fürs Gesundheitssystem?

Hilfsorganisationen sammeln Spenden für Gaza
Hilfsorganisationen sammeln Spenden für Gaza (Quelle: Deutsches Rotes Kreuz)

Ob NGOs oder Friedensbewegte, wenn es um Gaza geht, gelten die üblichen Standards nicht mehr.

Ich bekomme seit einiger Zeit regelmäßig die neuesten bezahlten Aufrufe zum Spenden für allerlei NGOs in meine Facebook-Timeline gespült. War es bis vor vier Tagen noch Indien, ist es jetzt Gaza. Und ja, bitte, helft den Menschen in Gaza, die medizinische Versorgung ist katastrophal und in den letzten Tagen wurden viele verletzt und/oder obdachlos.

Nur: Eine Frage hätte ich dann doch. In den letzten Tagen wurden einige tausend Raketen aus Gaza abgeschossen. Die Dinger sind ja nun auch nicht für 3,50 Euro das Stück zu haben. Die den Gaza Streifen regierende Hamas hatte also das Geld, sich in den letzten Jahren ein riesiges Arsenal zuzulegen, aber offenbar kein Geld, in ein besseres Gesundheitssystem zu investieren. Vielleicht hängt das eine ja auch mit dem anderen zusammen.

Da reicht als Beispiel das Titelbild dieses Beitrags, mit dem das Deutsche Rote Kreuz um Spenden wirbt: Wo sonst ist gleich ein ganzes Fernsehteam zur Stelle, wenn jemand verletzt abtransportiert wird? Jeder weiß: Medien in Gaza sind nicht frei, es herrscht Zensur. Wofür wohl werden diese Bilder später gebraucht? Richtig: Für Propaganda. Wir alle wissen, dass es so funktioniert – in diesem Konflikt ist das alles so selbstverständlich, dass man es nicht einmal zu verbergen versucht.

Warum keine Petitionen?

Man könnte dagegen vielleicht ja, während man Geld sammelt, zugleich eine Petition auf Change.org starten, in der man zumindest fordert, dass fortan in Gesundheit, Bildung etc. und nicht Raketen investiert wird. NGOs lieben solche Petitionen, bekommen sie damit doch Namen und Adressen, die sie später wegen weiterer Spendenwerbung kontaktieren können.

Doch es geschieht nicht, ich weiß. Ebenso wenig wie je irgendwer auf die Idee kommt, dass, wenn man ein Ende des Krieges will, weil einem das Leben der Zivilbevölkerung am Herzen liegt, man ja auch die Hamas und den Islamischen Jihad auffordern könnte, einfach aufzuhören, mit Raketen zu schießen.

Israel hat angekündigt, in diesem Fall sofort alle Bombardements einzustellen. Selbst wenn man die israelische Regierung nun für ein ganz sinistre Angelegenheit hielte, hätte man, sollte Israel seine Ankündigung nicht halten, gute Argumente, die man momentan nicht hat. Denn mit dem Raketenbeschuss hat nun einmal die Hamas begonnen, und selbst mit ganz viel Kasuistik lässt sich dieses Faktum nicht aus der Welt diskutieren.

Könnte es also sein, dass es gar nicht so sehr um Frieden, bessere Gesundheitsversorgung etc. geht? Sondern um etwas ganz anderes?

Kriegsgeilheit, die sich als Friedenssehnsucht gibt

Eben stieß ich auf einer so genannten Palästinasolidaritäts-Seite auf ein Bild von getöteten Kindern in Gaza, die als „kleine Engel“ und „Märtyrer für Jerusalem“ bezeichnet wurden (leider finde ich es nicht wieder). Nun ist dieser ganze Märtyrerkult im Allgemeinen schon widerwärtig, aber wenn man dann auch noch aus Kindern Märtyrer macht, hat man das Ende der Fahnenstange erreicht. Schließlich liegt der Idee des Märtyrertums immerhin zugrunde, dass die Betreffenden eine freie Entscheidung treffen, ihr Leben für eine höhere Idee zu beenden.

Es sind dies Beobachtungen, die nicht neu sind, sondern Invarianten in diesem Konflikt. Da wird viel von Frieden geredet, aber man kann sich des Eindrucks seit Jahrzehnten nicht erwehren, dass es so vielen in dieser Szenerie so gar nicht um Frieden geht und sie dann jedes Mal fast enttäuscht sind, wenn ein Waffenstillstand vereinbart wird.

Danach ist meist auch wenig zu hören über die Lage in Gaza und der Westbank. Leute, die in den letzten Tagen einen Post nach dem anderen zu Gaza veröffentlichen und tun, als könnten sie nicht mehr schlafen, weil das Schicksal palästinensischer Zivilisten ihnen so am Herzen liege, pflegen oft sehr schnell zu verstummen, wenn der Krieg vorbei ist. Bis zum nächsten Mal.

Und dabei interessierte es mich wirklich, was passieren würde, wenn man diesen Konflikt so wie andere auch behandelte – und ja, es würden einmal wirklich ein paar Millionen Unterschriften gesammelt und an die Hamas-Führung geschickt, unterstützt von der ganzen üblichen Friedens-Prominenz. Und aus der NGO-Welt käme die klare Forderung, fortan keine Gelder mehr für Raketen auszugeben.

Würde das nicht auch ganz maßgeblich jene Kräfte in Gaza selbst stärken, denen es um etwas anderes geht, als dass ihr Leben, ob sie es nun wollen oder nicht, für Al-Aqsa oder was auch immer, immer wieder aufs Spiel gesetzt wird?

Worum es in Wirklichkeit geht

Könnte es sein, dass es aber auch darum gar nicht wirklich geht? Gestern schickte mir ein Bekannter, der vor einiger Zeit vor der Hamas aus Gaza floh, die Nachricht, dass es zu Repressionen gegen Leute käme, die für ein Ende der Raketenangriffe demonstrieren wollten:

„Es herrscht eine schwierige Sicherheitslage für die Menschen in Gaza. Sie können nicht gegen die Hamas protestieren, weil die Hamas Menschen liquidiert, indem sie in der Öffentlichkeit vor den Augen aller Menschen auf sie schießt. Das ist es, was den Bewohnern Angst macht, gegen die Fortsetzung des Krieges zu protestieren.“

Ich habe eben gegoogelt und fand keinerlei Aufruf zur Unterstützung solcher Kräfte. Dabei wäre es doch das, was eine genuine Friedensbewegung ausmachen sollte. Ebenso wie es die Aufgabe einer jeden kritischen NGO wäre, sich zu fragen, inwieweit sie garantieren kann, dass ihre Hilfe, zu der sie jetzt aufruft, nicht dazu missbraucht wird, dass weitere Raketen angeschafft werden können.

Es mag naiv klingen, aber würde man so vorgehen, ich bin sicher, sehr viele Menschen in Gaza hätten sogar den Eindruck, man meinte es mit der ständig im Mund geführten Solidarität sehr viel ernster, als dies jetzt der Fall ist.

Nur: Seit Jahrzehnten ist klar, dass es den meisten, die jetzt „Free Palestine“ oder was auch immer auf ihre sozialen Medienseiten packen, um so etwas gar nicht wirklich geht. Ich denke, ich brauche nicht zu erwähnen, worum es ihnen in Wirklich gehen dürfte.

Der Artikel wurde unsrpünglich bei JungleBlog veröffentlicht.

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