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Nicaraguas antiisraelische Scharade vor dem Internationalen Gerichtshof

Warum zerrt Nicaraguas Diktator Manuel Ortega Israel vor den Internationalen Gerichtshof?
Warum zerrt Nicaraguas Diktator Manuel Ortega Israel vor den Internationalen Gerichtshof? (Quelle: JNS)

Der Stab der Klagewütigen ist von Südafrika an Nicaragua weitergereicht worden, doch nicht wegen der vielbeschworenen Appellen an das »Völkerrecht«, sondern um die Geschichte Israels vom Holocaust zu trennen.

Ben Cohen

Der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag ist zu einem Schauplatz geworden, an dem die Despoten und Autoritären der Welt herumstolzieren und ihre eigenen Missstände – Folter, Zensur, Völkermord – auf die Demokratien der Welt projizieren. Dieser im Namen der Menschenrechte geführte antidemokratische Kreuzzug. Trifft Israel mehr als jeden anderen Staat. Jedes Mal, wenn der jüdische Staat versucht, seiner grundlegenden Pflicht zum Schutz seiner Bürger nachzukommen, wird er mit beleidigenden und, offen gesagt, unseriösen Klagen überzogen, sei es beim Bau des Sicherheitszauns entlang der Grenze zum Westjordanland vor mehr als einem Jahrzehnt oder beim derzeitigen Krieg gegen die Hamas im Gazastreifen.

Seit Beginn des jüngsten Kriegs im Gazastreifen, der durch das monströse Hamas-Pogrom vom 7. Oktober 2023 ausgelöst wurde, steht Israel im Mittelpunkt einer unbegründeten Anklage wegen Völkermordes, die von Südafrika erhoben wurde, das mit seinem Versuch, die Anschuldigung zu belegen, weitgehend gescheitert ist.

Viele Beobachter wiesen darauf hin, dass die sich verschlechternde innenpolitische Bilanz Südafrikas – gekennzeichnet durch Korruption, Fremdenfeindlichkeit gegenüber Migranten aus anderen Ländern des südlichen Afrikas und die Unfähigkeit, grundlegende Dienstleistungen wie Strom und sauberes Wasser für diejenigen bereitzustellen, die sie am meisten benötigen – die vom Afrikanischen Nationalkongress (ANC) geführte Regierung kaum dazu qualifiziert, über Israel zu urteilen.

Dennoch hat Pretoria unbeirrt weitergemacht, während es gleichzeitig Hamas-Führer zu Staatsbesuchen empfängt und seine jüdische Gemeinde und jeden anderen, der es wagt, Verständnis für Israel zu äußern, mit unverhülltem Antisemitismus behandelt.

Verbündet mit Diktaturen

Jetzt ist der Stab an Nicaragua weitergereicht worden, das in der ersten Aprilwoche seine Anwälte zum IGH geschickt hat, um Deutschland der Beihilfe zu Israels angeblichem Völkermord zu beschuldigen. Die bittere Ironie dabei ist, dass es Nicaraguas linksradikale Führung ist, die mit den Diktaturen in Venezuela und Kuba verbündet ist, die eigentlich auf der Anklagebank sitzen sollte.

Daniel Ortega ist in Nicaragua seit 2007 an der Macht, und er wird diese nicht wieder abgeben, zumindest nicht freiwillig. Einige Leser werden sich bei Ortegas Namen noch an die sandinistische Revolution erinnern, die 1979 die Somoza-Diktatur stürzte, und an den Iran-Contra-Skandal, der sich im darauffolgenden Jahrzehnt ereignete.

Aber man muss gar nicht so tief in die Geschichte eintauchen, um ein Gefühl für die Art von Regime zu bekommen, das Ortega führt. Wie Freedom House, eine Nichtregierungsorganisation, die den Zustand der Freiheit auf der ganzen Welt analysiert, erklärt, war die jüngste Periode von Ortegas Herrschaft »ein Abschnitt des demokratischen Verfalls, der durch die Konsolidierung aller Regierungszweige unter der Kontrolle seiner Partei, die Einschränkung der Grundfreiheiten und die unkontrollierte Korruption in der Regierung gekennzeichnet ist«.

Allein im vergangenen Jahr hat das nicaraguanische Regime mehr als zweihundert Oppositionsführer ins Exil in die Vereinigten Staaten verbannt. Es hat neue Gesetze erlassen, um Personen, die als »Vaterlandsverräter« gelten, die Staatsbürgerschaft zu entziehen. Es hat die Polizei zu einem verlängerten Arm der Regierung gemacht und damit die in Demokratien so wichtige Gewaltenteilung mit Füßen getreten.

In vielerlei Hinsicht ist diese neue Repressionswelle ein Auswuchs der brutalen Niederschlagung der regierungsfeindlichen Proteste im Jahr 2018 durch das Regime. Im Ausland wird die autoritäre Innenpolitik durch die unerschrockene Unterstützung Russlands bei seiner Invasion in der Ukraine und die enge Verbindung mit dem iranischen Regime, Nordkorea und anderen Schurkenstaaten ergänzt.

Dies ist, kurz gesagt, der Charakter jenes Regimes, das Israel des Völkermords bezichtigt, indem es die deutschen Waffenlieferungen an den jüdischen Staat ins Visier nimmt – ganz so, als ob ein Seriensexualstraftäter opportunistisch »Vergewaltigung!« rufen würde.

Warum beschreitet Nicaragua den Weg vor dem IGH? Der auf lateinamerikanische Angelegenheiten spezialisierte deutsche Journalist Toni Keppeler gab in einem Interview mit dem Schweizer Radio eine Antwort auf diese Frage, indem er darauf hinwies, dass Nicaragua unter den Staaten der Welt ziemlich isoliert ist und andeutete, dass Ortega die Klage vor dem IGH als Mittel zur Aufwertung seines internationalen Images ansieht.

Und Deutschland, fügte er hinzu, sei eine viel einfacherer Gegner als die wesentlich mehr Waffen an Israel liefernden Vereinigten Staaten, weil Amerika Nicaragua auf eine Art und Weise bestrafen kann, wie es Deutschland nicht könnte, selbst wenn es wollte. Keppeler machte auch darauf aufmerksam, dass Ortega von linken Gruppen in der ganzen Welt verehrt werden möchte. Der nicaraguanische Caudillo glaubt nicht zu Unrecht, dies erreichen zu können, wenn er sich auf die palästinensische Sache einlässt, von der diese linken Gruppen besessen ist.

Israel vom Holocaust trennen

Aber es gibt noch einen weiteren, weit unheilvolleren Grund für das Vorgehen Nicaraguas. Letztlich zielen die Klagen gegen Israel vor dem IGH darauf ab, die öffentliche Wahrnehmung Israels und seiner Geschichte zu verändern, insbesondere den Einfluss des Holocausts auf die Unterstützung Israels in der demokratischen Welt.

Einer der Gründe, warum Deutschland Israel unterstützt, ist, dass es jenes Land war, das den Massenmord an den Juden während des Zweiten Weltkriegs initiierte. Seit 1945 hat sich das demokratische Deutschland von ganz anderen Prinzipien leiten lassen und seine Unterstützung für Israel zu einer Staatsräsonerhoben. Wie ich kürzlich berichtete, lautet eine der zahlreichen Fragen über Juden und Israel im neu formulierten Einbürgerungstest für künftige Einwanderer nach Deutschland: »Worauf gründet sich die besondere Verantwortung Deutschlands gegenüber Israel?«, wobei die richtige Antwort »Auf die Verbrechen des Nationalsozialismus« lautet.

So sollte es auch sein, aber für die internationale Linke ist eine solche Haltung in weiten Teilen unerträglich. In ihren verbitterten Augen glaubt Deutschland, für den Holocaust gesühnt zu haben, indem es die sogenannte Nakba unterstützt hat – das arabische Wort für »Katastrophe«, mit dem viele Palästinenser die Gründung des modernen Israels im Jahr 1948 beschreiben.

Deutschlands Position erinnert die Welt irritierenderweise daran, dass die Juden einst selbst Opfer eines albtraumhaften Völkermords waren – kaum die Art von Tatsache, die man hervorheben möchte, wenn es darum geht, sie erneut zu Opfern zu machen. Und so sind die Anwälte Nicaraguas (zu denen beschämenderweise auch ein deutscher Staatsbürger namens Daniel Müller gehört) vor den IGH getreten, um zu argumentieren, dass die Unterstützung des jüdischen Staates der falsche Weg sei, um Solidarität mit den Juden zu zeigen.

Das Ziel ist es, den Holocaust von Israel zu trennen und zu behaupten, die einzige Instanz in der Welt, die in der Lage ist, einen weiteren Holocaust zu verhindern, streue in Wirklichkeit dessen Saat aus. Das ist zwar eine verquere Logik, aber wenn sie als Propaganda effektiv funktioniert und ein Meme nach dem anderen in den sozialen Medien erzeugt, warum sollte man sich darüber Gedanken machen?

So kommt es, dass die fünfzehn Richter des IGH über einen Phantom-Völkermord debattieren, während sie die Augen vor echten Beispielen für dieses Phänomen und andere damit verbundene Verbrechen verschließen.

»Die Regierung Nicaraguas begeht weitreichende Verstöße und Missbräuche, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen könnten«, stellte das Global Center for the Responsibility to Protect Project in einem Briefing im Februar fest, aber davon hört man in den Gängen des IGH keinen Ton. Dasselbe gilt für die rassistische Behandlung der kurdischen Minderheit in der Türkei und für die unzähligen anderen Beispiele von staatlich geförderter Grausamkeit auf allen Kontinenten.

Das Alles ist ein weiterer Beweis für Antisemitismus, insofern, als der Antisemitismus an Juden und ihren Staat Maßstäbe anlegt, mit denen keine andere Nation konfrontiert wird. Das ist die hässliche Realität hinter diesen fantasievollen Appellen an das »Völkerrecht«, die Israel drangsalieren. Deutschland bekommt jetzt einen Eindruck davon, wie sich das anfühlt, aber nur wegen seiner Beziehung zu Israel, ansonsten wäre dieser Fall nie vor Gericht gebracht worden.

Ben Cohen ist ein in New York lebender Journalist und Autor, der eine wöchentliche Kolumne über jüdische und internationale Angelegenheiten für Jewish News Syndicate schreibt. (Der Artikel erschien auf Englisch beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)

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