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30 Jahre Oslo: Was schiefgelaufen ist

Arafat und Rabin bei US-Präsident Clinton in Washington zur Unterzeichnung der Oslo-Abkommen
Arafat und Rabin bei US-Präsident Clinton in Washington zur Unterzeichnung der Oslo-Abkommen (© Imago Images / ZUMA Wire)

Pünktlich zum kommenden 30. Jahrestag des Osloer Abkommens wurde das Protokoll einer knapp vor Vertragsunterzeichnung stattgefundenen Kabinettssitzung veröffentlicht, das die Überlegungen der damaligen politischen Architekten enthüllt.

Stephen M. Flatow

Die achtzigseitige, kürzlich freigegebene Niederschrift ist ein Bericht über eine Kabinettssitzung vom 30. August 1993, die einige faszinierende Äußerungen des damaligen Außenministers Shimon Peres und des Generalstabschefs der Armee, Ehud Barak, enthält.

In der Öffentlichkeit waren beide Männer Verfechter des Osloer Friedensprozesses zwischen der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO und Israel, doch privat scheinen sie Zweifel daran gehabt zu haben, ob man Jassir Arafat und anderen palästinensisch-arabischen Führern trauen konnte. Eine vom damaligen Premierminister Yitzhak Rabin während des Treffens gemachte Bemerkung sticht besonders hervor, mit der er den bevorstehenden israelischen Rückzug aus dem größten Teil des Gazastreifens als »Test« für Arafats Absichten und Fähigkeiten bezeichnete.

Die Israelis hatten sich bereit erklärt, zunächst den Gazastreifen mit Ausnahme der sich damals dort noch befindlichen jüdischen Gemeinden sowie die Stadt Jericho auf- und im Mai 1994 an Arafat zu übergeben. Die größeren von Palästinensern bewohnten Gebiete der Westbank sollten erst im folgenden Jahr an die Palästinensische Autonomiebehörde übergeben werden; in der Zwischenzeit sollte Israel abwarten und verfolgen, was Arafat mit dem Gazastreifen vorhaben würde.

Hoch gepokert …

Premier Rabin war sich darüber im Klaren, dass der Plan ein Glücksspiel war. Einerseits wollte er die palästinensischen Araber nicht weiter unter israelischer Besatzung halten; andererseits wusste er aber auch, dass die Gründung eines souveränen Staates durch die Palästinenser Israel ernsthaft gefährden würde. Das Osloer Abkommen war also, wie er dem Kabinett sagte, ein »Test« für Arafat: eine Art Mittelweg der Selbstverwaltung, der es der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO bzw. der neu gegründeten Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) ermöglichen sollte zu zeigen, ob sie wirklich an einem Frieden mit Israel interessiert war oder nicht. Die Verwaltung des Gazastreifens durch die Palästinensische Autonomiebehörde würde zeigen, »ob diejenigen, die den Frieden und die PLO unterstützen, in der Lage sind, mit der Hamas umzugehen«, erklärte Rabin in diesem Zusammenhang.

Doch schon bald wurde deutlich, dass Arafat und die PLO bzw. die Autonomiebehörde nicht bereit waren, mit der Hamas »umzugehen«. Die aus dem Gazastreifen und dem Westjordanland heraus verübten Terroranschläge gingen weiter, wobei ein Teil von der Hamas und ein Teil vom Palästinensischen Islamischen Dschihad verübt wurde. Einige der Anschläge wurden auch von Arafats eigener Fatah-Bewegung unter Tarnnamen wie »Hawks« und »Tanzim« (und später den »Al-Aqsa-Märtyrer-Brigaden«) ausgeführt. Ihre Opfer wie zum Beispiel meine Tochter Alisa wurden damals als »Opfer für den Frieden« bezeichnet.

Dennoch beschloss Rabin, erneut zu pokern und unterzeichnete im September 1995 das als Oslo II bekannte Interimsabkommen über das Westjordanland und den Gazastreifen und zog die israelischen Streitkräfte aus den im Abkommen als Zone A bezeichneten Gebieten in der Westbank ab, in denen 98 Prozent der palästinensischen Araber leben.

… und verloren

Leider hat auch dieser Spielzug nicht zum Erfolg geführt: Während Israel seine Oslo-Verpflichtungen zum Rückzug aus diesen Gebieten einlöste, weigerte sich die Palästinensische Autonomiebehörde, ihren eigenen nachzukommen.

  • Die Palästinensische Autonomiebehörde setzte ihre von den Amerikanern bewaffneten und ausgebildeten Sicherheitskräfte niemals ein, um Terroristen zu verhaften oder zu entwaffnen, wie sie sich vertraglich verpflichtet hatte, und verbot auch weder die Hamas noch andere terroristische Gruppen. Schließlich vertrieb die Hamas im Jahr 2007 die Palästinensische Autonomiebehörde aus dem Gazastreifen, übernahm die vollständige Kontrolle über das Territorium und verwandelte es de facto in einen Terrorstaat.
  • Terroristische Gruppen wie die Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP) und die Demokratische Front für die Befreiung Palästinas (DFLP) wurden weder von Arafat noch seinem Nachfolger Mahmoud Abbas aus den Reihen der PA und der PLO ausgeschlossen, weshalb sowohl PFLP als auch DFLP heute noch immer vollwertige Mitglieder beider Organisationen sind.
  • Die Palästinensische Autonomiebehörde ist Dutzenden israelischen Ersuchen um die Auslieferung von Terroristen nie nachgekommen.
  • Die Palästinensische Autonomiebehörde hat ihre unerbittliche anti-israelische und anti-jüdische Hetze in ihren Medien, Schulen und Sommerlagern für Jugendliche nie eingestellt. Selbst Hilary Clinton, eine Verfechterin der Osloer Abkommen, bezeichnete die Indoktrination palästinensisch-arabischer Kinder durch die Autonomiebehörde als »Kindesmissbrauch«.
  • Die Palästinensische Autonomiebehörde ist nie ihrer Verpflichtung nachgekommen, jüdische heilige Stätten zu schützen und den freien jüdischen Zugang zu ihnen zu gewährleisten. Das Josefs- und das Rachelsgrab waren Ziel wiederholter palästinensischer Gewalt, während die Sicherheitskräfte der Autonomiebehörde tatenlos zusahen.
  • Bis zum heutigen Tag hat die Palästinensische Autonomiebehörde noch immer kein Exemplar jener viel gepriesenen geänderten Fassung der Palästinensischen Nationalcharta vorgelegt, aus der angeblich alle alten Passagen, die zu Gewalt und zur Zerstörung Israels aufriefen, gestrichen worden sein sollen.

Rabin hatte also Recht: Oslo war tatsächlich ein Test. Das Ergebnis des Tests war eine glatte Sechs. Blickt man auf die dreißig Jahre seit der Unterzeichnung des Osloer Abkommens zurück, ist offensichtlich, was falsch gelaufen ist:

Erstens war die Grundannahme des Abkommens fehlerhaft. Man ging davon aus, dass die palästinensischen Araber den Terrorismus und den Hass gegen Israel tatsächlich aufgegeben hätten und bereit seien, in Frieden mit einem jüdischen Staat zu leben. Das war falsch.

Zweitens weigerte sich die internationale Gemeinschaft, die Palästinensische Autonomiebehörde zur Rechenschaft zu ziehen, als diese begann, ihre Verpflichtungen, die sie mit dem Abkommen eingegangen war, zu verletzen. Milliarden von Dollar an ausländischer Hilfe flossen weiterhin in ihre Kassen; ihre Sicherheitskräfte wurden nach wie vor von den USA bewaffnet und trainiert, und die Clinton-Regierung unterstützte, so wie auch ihre Nachfolger, die Palästinensische Autonomiebehörde diplomatisch und drängte auf die Gründung eines palästinensischen Staates.

So sitzt Israel heute in einer Post-Oslo-Realität fest, in der es regelmäßig zur Terrorbekämpfung seine Truppen in die Städte der Palästinensischen Autonomiebehörde schicken und Luftangriffe auf den Gazastreifen fliegen muss, um Raketenabschüsse zu unterbinden.

Das ist keine schöne Situation, aber besser als die Alternative eines direkt neben den Großstädten des jüdischen Staates liegenden terroristischen Staates Palästina entlang der alten, vierzehn Kilometer breiten Grenze Israels, von dem aus Raketen auf jedes Flugzeug, das auf dem Ben-Gurion International Airport landet oder startet, abgefeuert werden.

(Stephen M. Flatow ist Rechtsanwalt und Vater von Alisa Flatow, die 1995 bei einem palästinensischen Terroranschlag ermordet wurde. Der Artikel ist auf Englisch vom Jewish News Syndicate veröffentlicht worden. Übersetzung von Alexander Gruber.)

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