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Zwischentief im israelisch-arabischen Frühling?

Gläubige räumen nach den Ausschreitungen palästinensischer Randalierer vor der Al-Aqsa-Moschee auf
Gläubige räumen nach den Ausschreitungen palästinensischer Randalierer vor der Al-Aqsa-Moschee auf (© Imago Images / ZUMA Wire)

Die Auseinandersetzungen zwischen palästinensischen Gewalttätern und israelischen Sicherheitskräften am Tempelberg lösen eine Kette von Reaktionen im Nahen Osten als auch im eigenen Land aus.

Die verheerenden Ausschreitungen rund um den Tempelberg in Jerusalem, bei denen es 170 Verletzte gab, die zweimalige Zerstörung des Josefgrabs in der Nähe der Stadt Nablus, die tödlichen Attentate der letzten Wochen, die in Be’er Sheva, Hadera, Bnei Brak und Tel Aviv auf israelische Bürger verübt wurden, der Raketenanschlag aus dem Gazastreifen von vergangener Nacht, auf den die israelische Armee mit Luftangriffen auf ein Raketenlager der Hamas reagierte, sowie die Drohung der arabischen Raam-Partei, die israelische Regierungskoalition zu verlassen, haben in kürzester Zeit die optimistischen Zukunftspläne ins Wanken gebracht, die sich durch die Unterzeichnung der Abraham-Abkommen zwischen Israel, den Vereinigten Arabischen Staaten und Bahrain angebahnt haben.

Auch die diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Marokko, dem Sudan und letztlich auch Saudi-Arabien hatten sich im Gefolge der Abraham-Abkommen erheblich verbessert.

Gewalt am Tempelberg

Doch nun könnte alles nur ein Traum gewesen zu sein. Die Unruhen auf dem Tempelberg, auf dem sich die Al-Aqsa-Moschee befindet, begannen mit Hamas-Aufrufen, die Moschee zu verteidigen und darauffolgenden gezielten Angriffen seitens meist junger Palästinenser auf die dort stationierten israelischen Sicherheitskräfte und eskalierten, nachdem es einigen hundert israelischen Gläubigen – in Einvernehmen mit der zuständigen jordanischen Waqf-Behörde – erlaubt worden war, zu den Pessach-Festtagen den Tempelberg zu besuchen.

Das heilige Gelände, das seit dem israelisch-jordanischen Friedensvertrag von 1994 formal unter jordanischer Kontrolle steht und für dessen Sicherheit Israel zuständig ist, kann zu bestimmten Zeiten und unter Voranmeldung von jüdischen Gläubigen betreten werden, jedoch dürfen keine religiösen Handlungen zelebriert werden.

Am Sonntagmorgen errichteten Hunderte Palästinenser Barrikaden, um den jüdischen Gläubigen den Zugang zu verwehren und warfen Steine und andere Wurfgeschosse in deren Richtung. Den israelischen Sicherheitskräften gelang es, die jüdischen Gläubigen geordnet zu begleiten, indem sie kurzfristig den Platz vor der Al-Aqsa-Moschee abriegelten, ihn gleich danach aber wieder freigaben.

Twitter-Meldungen, die Polizei verweigere den Palästinensern den Zugang zum Tempelberg und damit zur Al-Aqsa-Moschee, erwiesen sich als falsch, heizten die Stimmung unter den randalierenden Palästinensern jedoch weiter an. Auch jüdische Gläubige in der Altstadt oder Busse, die Juden zum Gebet an die Klagemauer bringen sollten, wurden mit Steinen angegriffen.

Der Versuch einiger radikaler jüdischer Aktivisten, Lämmer auf den Tempelberg zu bringen, um rituelle Tieropfer zu Pessach darzubringen – die Polizei nahm die Beteiligten sofort fest –, ließ die Stimmung noch aggressiver werden, sodass es zu den von der Hamas bereits im Vorfeld gewünschten brutalen gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen israelischen Sicherheitskräften und Hunderten randalierenden Palästinensern kam, die zu rund 170 Verletzten führten.

Neuerlicher Raketenangriff

Und als ob dies alles nicht genug wäre, kam es in der Nacht von Montag auf Dienstag zu einem Raketenangriff, der vom Gazastreifen auf Israel abgefeuert wurde. Die Attacke konnte vom Raketenschutzschild Iron-Dome abgefangen werden, sodass es zu keinem Einschlag kam. Das israelische Militär reagierte unmittelbar und bombardierte eine Waffenfabrik der islamischen Terrorgruppe Hamas. Bei dem Angriff kam es zu keinen Verletzten, und laut Hamas-Sprecher Hasem Kassem seien »nur leere Ziele« getroffen worden.

Reaktionen im In- und Ausland

Das gewaltsame Wochenende führte auch zu diplomatischen Reaktionen in Richtung Israel. Der jordanische Außenminister Nasir Dschuda bestellte den israelischen Gesandten in Amman ein, um ihm eine Protestnote zu übergeben, die Jordaniens Unmut über die israelische Vorgehensweise auf dem Tempelberg zum Ausdruck brachte. Laut Medienberichten spricht Jordanien von einer »gefährlichen Eskalation seitens Israels«.

Doch auch die Partner der Abraham-Abkommen sind über die neuesten Entwicklungen nicht erfreut und betrachten sie mit Sorge.

Innerhalb Israels kam es zu einem innenpolitischen Eklat: Die Raam-Partei – in der von acht Parteien gebildeten Regierung die einzige arabisch-islamische Fraktion – drohte, die Koalition zum Platzen zu bringen, indem sie ihre Regierungsarbeit für die beiden nächsten Wochen »einfrieren« werde.

Parteiführer Mansour Abbas kann die Regierung damit zwar nicht zum Scheitern bringen, da die parlamentarische Arbeit nach der Frühlingspause erst wieder im Mai aufgenommen wird, drückt aber in Richtung seiner Wähler seine unmissverständliche Missbilligung der israelischen Vorgehensweise der letzten Tage aus. Ministerpräsident Naftali Bennett wird viel zu tun haben, um Israels Regierung vor dem Auseinanderfallen zu bewahren.

Noch Anfang April wünschte Verteidigungsminister Benny Gantz bei einem Telefongespräch mit dem Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, allen Palästinensern einen »gesegneten Monat Ramadan« und bedankte sich bei Abbas für dessen Verurteilung des Terroranschlags in Bnei Brak, bei dem fünf israelische Bürger getötet wurden. Sein Hoffen auf einen »gesegneten Monat» wurde nun im wahrsten Sinne des Wortes von Steinen erschlagen.

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