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Jordanien nächster Dominostein für den Iran? 

Irans Außenminister Hossein Amir-Abdollahian zu Gast bei Jordaniens König Abdullah II. in Amman
Irans Außenminister Hossein Amir-Abdollahian zu Gast bei Jordaniens König Abdullah II. in Amman (© Imago Images / UPI Photo)

Für den sich seit 2011 auf dem Vormarsch befindlichen Iran und seine selbsternannte »Achse des Widerstands« könnte Jordanien das nächste Ziel sein.

Die Welle der Revolten des Arabischen Frühlings, die den Nahen Osten erschütterte und fünf seiner strengsten Autokratien hinwegfegte, sollte eigentlich den Weg für neue Demokratien ebnen, doch leider erwies er sich für Millionen hoffnungsvoller Araber und für den Westen als große Enttäuschung, schreibt Kenneth Pollack in einer Analyse für die US-Nachrichten-Website The Hill, in deren Staaten es mehr als ein Jahrzehnt später nicht einmal mehr einen Hauch von Pluralismus gibt. Auch der überstürzte Rückzug der amerikanischen Obama-Regierung aus dem Irak im Jahr 2011 kam nur dem Iran zugute, der all diese Ereignisse geschickt auszunützen verstand.

Unter der Führung des 2020 bei einem US-Raketenangriff getöteten Qassem Soleimani, dem Chef der Quds-Truppe des Korps der Islamischen Revolutionsgarden des Irans, verteidigte Teheran in diesem Zeitraum seine eigenen Positionen in der gesamten Region erfolgreich gegen Angriffe einer Vielzahl von sunnitischen arabischen Gruppen. Zunächst begann Soleimani mit der Gründung von (meist schiitischen) Milizen in der gesamten Region, die er zur Unterstützung bedrohter iranischer Verbündeter einsetzte. Dann blies er zum Gegenangriff, um neues Terrain zu erobern. In dem solcherart vom Iran unter seine Kontrolle gebrachten Terrain – vom Irak über Syrien in den Libanon und bis in den Jemen – entwickelte sich eine geschlossene Allianz, die sich gegen eine schrumpfende, von den USA unterstützte Koalition stellte, während sich Washington zunehmend aus der Region zurückzog.

Beirut fiel an die Hisbollah, Bagdad an die schiitischen Milizen der Hashd al-Shaabi und die jemenitische Hauptstadt Sanaa an die Huthis. Damaskus blieb in den Händen des Assad-Clans und seiner alawitischen Verbündeten, trotz der Proteste und Angriffe der sunnitischen Muslime, die mehr als achtzig Prozent der syrischen Bevölkerung ausmachen.

Während Irans Vordringen in einigen Fällen als glatter militärischer Sieg vonstatten ging, handelte es sich in anderen um eine schrittweise Übernahme, die durch geduldige Bestechung, Erpressung, Ermordung unliebsamer Kontrahenten, politische Korruption und Straßengewalt herbeigeführt wurde. Wie auch immer, Teheran und seine Verbündeten stabilisierten ihre Kontrolle über den Libanon, den Irak, den Jemen und Syrien, und dieser Griff wird von Jahr zu Jahr fester, wie Pollack festhält.

Nächstes Opfer Jordanien?

Jordanien könnte das nächste Opfer eines iranischen Unterwanderungs- bzw. Umsturzversuchs in der Region sein. Das haschemitische Königreich grenzt an Syrien, wo der Iran trotz der israelischen Bemühungen, die Ausbreitung zu stoppen, bereits über eine große Anzahl von Militärs und ein sich ausbreitendes Netz von Stützpunkten verfügt. 

Jordanien grenzt auch an den Irak, wo die Regierung immer kompromittierter wird und immer weniger in der Lage ist, den Iran an seinem Tun zu hindern, und mehrere Tausend US-Soldaten für den politischen und militärischen Kurs des Landes immer weniger relevant sind. Zu guter Letzt grenzt das Land an die Westbank, wo gewalttätige palästinensische Rebellengruppen wie die Hamas und der Palästinensische Islamische Dschihad mittels iranischer Finanzierung, Bewaffnung, Ausbildung und Beratung operieren

Somit können iranische Agenten und Stellvertreter Jordanien aus drei Richtungen infiltrieren. Hinzu kommt, dass das Land von internen Konflikten und Verwerfungen geprägt ist, die der Iran gerne ausnützt. So leben neben der eigenen Bevölkerung von etwa acht Millionen Bürgern rund drei Millionen Flüchtlinge. Sie stammen überwiegend aus dem Irak, aus Syrien und dem Westjordanland, und wie alle Flüchtlinge schwanken sie zwischen Mut, Hoffnungslosigkeit und Wut, was ein ideales Terrain für die Rekrutierung durch den Iran und seine Verbündeten schafft.

Fast sechzig Prozent der jordanischen Bevölkerung sind Palästinenser, und viele ihrer »zivilgesellschaftlichen« Gruppen sind mit vom Iran unterstützten Gruppen im Westjordanland und dem Gazastreifen verbunden. Zugleich haben König Abdullah und seine Familie viele Vertreter der jordanische Elite verprellt, selbst in der treuen Gemeinschaft im Ostjordanland, welche die Machtbasis der Monarchie bildet, seit die Briten nach dem Ersten Weltkrieg die Haschemiten in Amman an die Macht gebracht hatten.

Wirtschaftlich gesehen steht Jordanien extrem schlecht dar und ist als Bittsteller chronisch von der Geberlaune Außenstehender abhängig. Es besteht aus nur wenig Ackerland, verfügt über wenige natürliche Ressourcen und leidet unter chronischem Wassermangel. Das Land überlebt Jahr für Jahr nur dank günstiger Handelsabkommen mit Israel und der Hilfe aus dem Westen und den Golfstaaten.

Ein Verlust Jordaniens an den Iran wäre allerdings katastrophal. Er würde es dem Iran und seinen Verbündeten und Stellvertretern ermöglichen, die eng geknüpften palästinensischen Netzwerke zwischen Jordanien und dem Westjordanland zu nutzen, um Israel zu infiltrieren, die Palästinenser im Westjordanland aufzuwiegeln und die Hamas und andere terroristische Gruppen im Gazastreifen zu unterstützen.

Es gibt keinen Grund, an Irans Wunsch zu zweifeln, Israel zu zerstören, was aber schon immer das langfristige Ziel der Islamischen Republik war. Gelingt es dem Iran, das jordanische Regime zu stürzen, wie er es mit anderen getan hat, könnte die Zerstörung Israels plötzlich eine sehr viel realistischere, kurzfristige Perspektive werden. Und Irans Siege in Syrien, im Libanon, Irak und Jemen haben seinen Appetit bloß geweckt und nicht gestillt. Aus iranischer Sicht gibt es kein besseres nächstes Ziel als Jordanien. Das israelische Militär und die Geheimdienste sind bereits zu diesem Schluss gekommen und die USA täten gut daran, sich dieser Sichtweise anzupassen, schließt Pollack seine Analyse.

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