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Israel versucht, Dschenins Rolle als Terror-Hochburg zu beenden

Der israelische Einsatz in der palästinensischen Terror-Hochburg Dschenin geht weiter
Der israelische Einsatz in der palästinensischen Terror-Hochburg Dschenin geht weiter (© Imago Images / Xinhua)

Israels Operation in Dschenin spiegelt ein größeres strategisches Problem wider, nämlich das wachsende Machtvakuum und Chaos in der nördlichen Westbank.

Yaakov Lappin 

Die sich auf Dschenin konzentrierende Operation der israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) soll die Entwicklung umkehren, durch welche die palästinensische Stadt und Teile der nördlichen Westbank zu einem sicheren Hafen und einer Hochburg für den Terrorismus geworden sind.

Die Hamas, der nach IDF-Angaben zwanzig Prozent der Einwohner von Dschenin angehören, hat allein in diesem Jahr Millionen Euro an Terroristen in der Stadt überwiesen und verfügt über Dutzende von Agenten in der Stadt. Der Palästinensische Islamische Dschihad (PIJ), der in Dschenin besonders stark ist, zählt 25 Prozent der Bevölkerung zu seinen Anhängern und hat ebenfalls Millionenbeträge an Agenten in der Stadt überwiesen. Darüber hinaus werden die beiden Gruppierungen von lokalen Terrorgruppen unterstützt.

Die PIJ-Zentralen im Gazastreifen und in Syrien investieren erhebliche Anstrengungen und Mittel in Dschenin und versorgen es mit Waffen und Ausbildung, um sowohl die israelischen Streitkräfte als auch israelische Zivilisten anzugreifen. Gemeinsam mit der Hamas versucht der PIJ, eine Eskalation im Westjordanland herbeizuführen, und Dschenin ist der von ihnen gewählte Brennpunkt für diese Aktivitäten.

Sprengstoffproduktion

Zusätzlich zu den Waffen und der Munition, mit denen die Stadt überschwemmt wird, hat nach Angaben der IDF auch die lokale Produktion und Verwendung von Sprengstoff zugenommen. Die aktuelle Operation, an der Bodentruppen in der Größe einer Brigade beteiligt sind, die größtenteils aus Kommandoeinheiten bestehen und von der Luftwaffe unterstützt werden, begann am Montag knapp nach ein Uhr Morgen mit einem Drohnenangriff auf eine Kommandozentrale im Flüchtlingslager, die vom »Dschenin Bataillon« genutzt wurde. Dies ist der Oberbegriff für lokale Terrorgruppen, die vom PIJ, der Hamas und in gewissem Maße auch vom Iran mit Waffen versorgt und unterstützt werden.

In den vergangenen Monaten gingen nicht weniger als fünfzig Terroranschläge von Dschenin aus, und neunzehn Terroristen, die im Westjordanland Anschläge verübten, sind nach Angaben der IDF in die Stadt geflohen und dort untergetaucht. Auf diese Weise ist die auch als Samaria bekannte nördliche Westbank zu einem Epizentrum des Terrorismus geworden, was zu einer Reihe tödlicher Anschläge auf israelische Zivilisten geführt hat.

Das israelische Militär hat deutlich gemacht, dass es bei der aktuellen Operation nicht darum geht, das Lager zu besetzen und zu halten, sondern die Terrorinfrastruktur in der Stadt zu zerstören: Zentren für die Herstellung von Bomben, Waffenlager, Kommandoposten und vieles mehr. Darüber hinaus sollen die Terroristen selbst ins Visier genommen werden, sowohl diejenigen, die mit dem PIJ und der Hamas verbunden sind, als auch diejenigen, den Bataillonen angehören, um so der wachsenden Terrorbedrohung einen Riegel vorzuschieben.

Bodentruppen mit Luftunterstützung

Drei Minuten nach dem ersten Luftangriff begannen die IDF, ihre Bodentruppen in das Lager Dschenin zu verlegen. In der darauffolgenden Stunde griffen sie fünf weitere Male aus der Luft an, wobei einige der Angriffe auf Freiflächen gerichtet waren, um Terroristen abzulenken und die freie Bewegung der IDF-Einheiten zu ermöglichen.

Diese Notwendigkeit von Luftangriffen zeigt, wie sehr Dschenin in die Hände der lokalen bewaffneten Gruppen und des PIJ geraten ist und wie sehr die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) dort die Kontrolle verloren hat. Die Notwendigkeit des Einsatzes von Luftstreitkräften, um feindliche Kräfte abzulenken, ist überdies ein Anzeichen dafür, dass die Bewegungsfreiheit der IDF-Bodentruppen in einem gefährlichen Ausmaß eingeschränkt war. 

Der Einsatz eines Apache-Kampfhubschraubers am 19. Juni im Rahmen der Bemühungen zur Rettung verletzter Soldaten sowie zur Bergung der durch Sprengfallen schwer beschädigten IDF-Panzer sowie der Angriff mit einer unbemannten Drohne vom Typ Hermes 450 am 22. Juni zur Ausschaltung von drei bewaffneten Palästinensern in Dschenin, die auf dem Weg zu einem weiteren Schusswaffenangriff waren, sind weitere Beispiele für die eskalierende Situation in und um Dschenin.

Am 26. Juni reklamierte die Hamas den Abschuss von zwei Raketen aus der Stadt für sich – ein Warnsignal für das, was als Nächstes käme, würde die »Libanonisierung« von Dschenin fortgesetzt werden. Der erste Einsatz von Luftstreitkräften im Westjordanland seit 2006 spiegelt das Ausmaß der Bedrohung wider und zeigt, dass neue Mittel zum Schutz der IDF-Einheiten erforderlich sind. Am Montagmorgen und im Lauf des Dienstags waren bereits mehrere bewaffnete palästinensische Terroristen getötet worden; die bewaffneten Kämpfer werden wahrscheinlich versuchen, sich neu zu gruppieren, um die israelischen Bodentruppen anzugreifen.

Machtvakuum als Problem

Letztlich spiegelt die Operation ein größeres strategisches Problem wider, nämlich das Machtvakuum und das Chaos im nördlichen Westjordanland, das von den islamistischen Terroristen effektiv ausgefüllt wird. Israel will nicht, dass sich dieser Trend nach Süden in die auch als Judäa bekannten Teile der Westbank ausbreitet.

Letztendlich hat Israel entschieden, dass es nicht in seinem Interesse liegt, die direkte Kontrolle über das [nach den Osloer Verträgen zur Gänze unter die Administration der Palästinensischen Autonomiebehörde gestellten; Anm. Mena-Watch] Zone A zu übernehmen, und es hat sicherlich nicht die Absicht, die Hamas, den PIJ und andere Agenten des iranischen Einflusses die Kontrolle übernehmen zu lassen, sodass die geschwächte PA die vom israelischen Verteidigungsapparat bevorzugte strategische Option darstellt.

Ob die Palästinensische Autonomiebehörde jedoch in der Lage ist, nach der jüngsten Operation wieder ein gewisses Maß an Kontrolle über Dschenin zu erlangen, ist zum jetzigen Zeitpunkt fraglich. Sollte sie dazu nicht in der Lage sein, wird Israel häufiger Operationen wie diese durchführen müssen, um sicherzustellen, dass die »Libanonisierung« der nördlichen Westbank nicht weiter voranschreitet.

Yaakov Lappin ist Korrespondent und Analyst für militärische Angelegenheiten in Israel. Er ist hausinterner Analyst am MirYam-Institut, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Alma-Forschungs- und Bildungszentrum und am Begin-Sadat-Zentrum für strategische Studien an der Bar-Ilan-Universität sowie Autor von Virtual Caliphate – Exposing the Islamist state on the Internet(Der Artikel erschien auf Englisch beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)

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