Palästinensische Autonomiebehörde fürchtet Putsch der Hamas im Westjordanland

Hamas-Aufmarsch in Nablus im Westjordanland am 11. Mai 2023
Hamas-Aufmarsch in Nablus im Westjordanland am 11. Mai 2023 (© Imago Images / Sipa USA)

Die Warnung erfolgt vor dem Hintergrund der Zunahme terroristischer Aktivitäten der Hamas im Westjordanland und einer anhaltenden Kampagne gegen die Palästinensische Autonomiebehörde.

Die Hamas könnte einen »Staatsstreich« gegen die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) im Westjordanland planen, warnte ein palästinensischer Beamter in Ramallah Anfang Mai. In den vergangenen Wochen bekannte sich die Hamas zu einer Reihe von Terroranschlägen, insbesondere zu den Angriffen im Jordantal. In diesem Zusammenhang meinte ein Beamter gegenüber der Jerusalem Post, »man [habe] das Gefühl, dass die Hamas im Westjordanland wieder aufgetaucht ist«. Die Hamas habe ihre militärischen Aktivitäten im Westjordanland verstärkt »und verkündet stolz, dass Mitglieder ihres militärischen Flügels an den Anschlägen beteiligt waren«.

Es scheint, als ob die Hamas versucht, mit dem Palästinensischen Islamischen Dschihad (PIJ) und anderen Gruppen zu konkurrieren, die sich ebenfalls zu einer Reihe von Terroranschlägen in verschiedenen Teilen des Westjordanlands bekannt hatten. Die Hamas, so der PA-Beamte weiter, könnte versuchen, im Westjordanland »einen weiteren Putsch« zu inszenieren ähnlich dem, mit dem sie 2007 die Kontrolle über den gesamten Gazastreifen übernahm, nachdem sie in bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen Dutzende Regierungsfunktionäre der Fatah getötet und die Autonomiebehörde gestürzt hatte.

Anfang Mai nahmen Dutzende maskierter Hamas-Kämpfern an einer Kundgebung im Flüchtlingslager Dschenin teil, um einem Terroristen zu gedenken, der kurz zuvor von verdeckten israelischen Truppen getötet worden war. Das Auftauchen der bewaffneten Hamas-Männer wird als Zeichen für die wachsende Macht der Gruppe im Gebiet Dschenin gewertet. Auch in Nablus und einigen umliegenden Dörfern und Flüchtlingslagern sowie in Jericho sollen Hamas-Zellen aktiv sein. 

»Die Hamas scheint über bewaffnete Zellen in verschiedenen Teilen des Westjordanlands zu verfügen«, so der Beamte gegenüber der Jerusalem Post. »Die Hamas könnte diese bewaffneten Gruppen nutzen, um die Palästinensische Autonomiebehörde zu untergraben. Damit will die Hamas beweisen, dass sie trotz des harten Vorgehens der palästinensischen Sicherheitskräfte und der israelischen Armee in der Lage ist, bewaffnete Zellen zu bilden.«

Interne Spannungen

Die Hamas, der PIJ und die Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) haben die Palästinensische Autonomiebehörde wiederholt aufgefordert, die Sicherheitskoordination mit Israel einzustellen. Der PA-Führung ist diese Kampagne gegen ihre Sicherheitskräfte nicht entgangen, die beschuldigt werden, Israel bei der Verfolgung und Tötung von Terroristen zu unterstützen. 

In Ramallah geht man davon aus, dass die Hamas die Hauptverantwortung für diese Kampagne trägt, die darauf abzielt, die Palästinensische Autonomiebehörde und ihre Sicherheitskräfte in den Augen der Palästinenser zu diskreditieren und als »Verräter« und »Kollaborateure« mit Israel darzustellen. So forderte Mohammed al-Aklouk, ein prominenter, der Hamas nahestehender Prediger aus dem Gazastreifen, die Palästinenser im Westjordanland, in einer Freitagspredigt auf, Informationen über palästinensische Sicherheitsbeamte zu sammeln, die der Zusammenarbeit mit Israel verdächtigt werden.

»Ich sage unserem Volk im Westjordanland: Erinnert euch an die Namen und Gesichter all derer, die euch schaden und mit den Besatzern gegen euch kollaborieren. Erinnert euch an die Namen derer, die eure Söhne schikanieren und sie verhaften. Wir werden mit keinem von ihnen Gnade haben, wenn wir das Westjordanland von der Besatzung und ihren Kollaborateuren säubern, so wie wir bereits den Gazastreifen gesäubert haben. So Gott will, wird der Arm, welcher der Besatzung gegen die Mudschaheddin geholfen hat, amputiert werden.«

Offizielle Vertreter der Fatah und der PA erklärten, die Drohungen des Predigers seien ein Beweis dafür, dass die Hamas und ihre Anhänger versuchen, ihre Kontrolle vom Gazastreifen auf das Westjordanland auszuweiten. Ein hochrangiger Fatah-Aktivist im Westjordanland forderte die palästinensische Führung auf, unverzüglich die notwendigen Schritte zu unternehmen, um einen Putsch der Hamas gegen die Palästinensische Autonomiebehörde zu verhindern. »Wir müssen diese Drohungen ernst nehmen«, sagte der Aktivist. »Wir wollen nicht, dass sich das Szenario von 2007 wiederholt, als die Hamas einen blutigen Putsch im Gazastreifen inszenierte.«

Mahmoud al-Habbash, Berater für religiöse Angelegenheiten des PA-Präsidenten Mahmoud Abbas, beschuldigte die Hamas, die Moscheen im Gazastreifen zu nutzen, um »Aufruhr zu verbreiten und zum Mord anzustiften«. Prediger wie al-Aklouk würden den Muslimen nur Schaden zufügen und müssten deshalb gestoppt werden. 

Omran al-Khatib, Mitglied des Palästinensischen Nationalrats, des gesetzgebenden Organs der PLO, prangerte ebenfalls den Missbrauch von Moscheen durch Hamas-nahe Geistliche an, um Zwietracht zu säen und zu Attentaten aufzurufen. Gegenüber dem Radiosender Voice of Palestine der Palästinensischen Autonomiebehörde erklärte er, die Hamas habe auch die jüngsten Gebete in der Al-Aqsa-Moschee in Jerusalem während des Ramadans genutzt, um gegen die Führung der Palästinensischen Autonomiebehörde zu hetzen.

Zugleicht strahlte der im Westjordanland beheimatete Fernsehsender Awda TV Anfang Mai ein Video aus, in dem die Hamas und ihre Führungsspitze dafür kritisiert werden, im Ausland in Luxus zu leben, während die Bewohner des Gazastreifens in Armut versinken. Zu den in dem Video genannten Beispielen gehört der Vorsitzende des Politbüros der Hamas, Ismail Haniyeh: dieser zeige sich dem Bericht zufolge mit Anzügen im Wert von 5.500 Dollar und Schuhen im Wert von 3.300 Dollar in der Öffentlichkeit, während die unter Gasmangel, Stromknappheit und Arbeitslosigkeit leidenden Palästinenser in Gaza sich fragten, wie viele Familien von den Kosten für Haniyehs Kleidung leben könnten.

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