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US-Kritik an Südafrikas Antrag auf IGH-Anklage gegen Israel

Südafrika will Israel wegen Völkermords vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag bringen
Südafrika will Israel wegen Völkermords vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag bringen (Imago Images / ZUMA Wire)

Vergangene Woche hat Südafrika einen Antrag gegen Israel wegen Völkermords an den Internationalen Gerichtshof in Den Haag gestellt und den Operationen der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte gegen die Terrorgruppe Hamas »völkermörderischer Charakter« unterstellt.

Die US-Administration hat Südafrika am Mittwoch scharf kritisiert, weil es beim Internationalen Gerichtshof einen Antrag auf Einleitung eines Verfahrens gestellt hatte, in dem festgestellt werden soll, dass Jerusalem in dem durch das Hamas-Massaker vom 7. Oktober ausgelösten Gaza-Krieg gegen seine Verpflichtungen aus der Völkermordkonvention von 1948 verstoßen habe. Israel ist Unterzeichner dieser Konvention und unterliegt daher der Rechtsprechung des IGH, eines UN-Organs, und dessen Urteilen.

Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats der USA John Kirby bezeichnete den südafrikanischen Antrag als »unverdient, kontraproduktiv und völlig ohne jede Grundlage«. Auch Matt Miller, Sprecher des amerikanischen Außenministeriums, erklärte, die USA sähen in Israels Krieg gegen die Hamas »keine Handlungen, die einen Völkermord darstellen«.

Völkermord sei »eine der abscheulichsten Gräueltaten, die ein Mensch begehen kann. Das sind Anschuldigungen, die nicht auf die leichte Schulter genommen werden sollten«, gab Miller zu bedenken und fügte hinzu, dass die USA die Entscheidung Südafrikas, eine Untersuchung vor dem IGH anzustrengen, »zu diesem Zeitpunkt für keinen produktiven Schritt halten«.

In dem Antrag, den Südafrika vergangene Woche an den Gerichtshof in Den Haag stellte, wird den Operationen der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) gegen die Hamas »völkermörderischer Charakter« unterstellt, »da sie mit der erforderlichen spezifischen Absicht begangen werden, die Palästinenser in Gaza als Teil der breiteren palästinensischen nationalen, rassischen und ethnischen Gruppe zu vernichten«.

Israel reagierte auf die Petition und beschuldigte Südafrika der »Blutverleumdung«. Gleichzeitig bestätigte es, einen Vertreter zu entsenden, um das Land bei der ersten Anhörung am 11. Januar gegen die Vorwürfe zu verteidigen. Bislang hat Israel über die Besetzung seines Anwaltteams noch nicht endgültig entschieden, ein Beamter bestätigte gegenüber israelischen Medien jedoch, Premierminister Benjamin Netanjahu ziehe den prominenten US-Anwalt Alan Dershowitz in Betracht.

Ein israelischer Diplomat erklärte am Mittwoch gegenüber Reportern, die gewählten Vertreter würden mögliche Reaktionen prüfen, falls der Internationale Gerichtshof eine einstweilige Verfügung erlässt, in der Israel aufgefordert wird, einen Waffenstillstand einzugehen oder sich speziell mit der humanitären Krise zu befassen. »Ich kann nicht sagen, was wir tun werden, wenn es diese oder jene Entscheidung geben wird, aber wir respektieren den Status [des Gerichts]. Das ist eine Entscheidung, welche die politische Ebene treffen muss, falls es zu einer einstweiligen Verfügung dieser oder jener Art kommen sollte.«

Anschuldigungen lächerlich

Der zitierte Diplomat bezeichnete die meisten Anschuldigungen in der südafrikanischen Eingabe als »lächerlich«, merkte jedoch an, in ihr solle es einen Abschnitt geben, der sich auf Kommentare hochrangiger israelischer Politiker bezieht, die auf eine Abweichung von akzeptablen Praktiken in Kriegszeiten hindeuten soll. Der Beamte stellte weiters fest, die Eingabe zitiere diese Kommentare, um zu zeigen, dass die israelische Politik gegen die Völkermordkonvention von 1948 verstoße.

Israel hat jede Behauptung zurückgewiesen, in seinem Krieg auf Zivilisten zu zielen oder führe etwas anderes als eine Kampagne für seine Sicherheit durchzuziehen. Jerusalem erklärt, es bemühe sich, Schaden von der Zivilbevölkerung abzuwenden, während es eine in der Zivilbevölkerung eingebettete Terrorgruppe bekämpft.

Israel wirft den im Gazastreifen ansässigen Terrorgruppen seit Langem vor, zivile Bürger als menschliche Schutzschilde zu missbrauchen und von Orten wie Schulen und Krankenhäusern aus zu operieren, die eigentlich geschützt werden sollten – ein Vorwurf, der unlängst von den USA bestätigt wurde.

Das von der Hamas geführte Gesundheitsministerium in Gaza behauptet, seit Kriegsbeginn seien mehr als 22.000 Menschen getötet worden, die meisten davon Zivilisten. Diese Zahlen können jedoch von unabhängiger Seite nicht überprüft werden und umfassen nach israelischen Angaben etwa 8.500 Hamas-Kämpfer sowie Zivilisten, die durch fehlgeleitete palästinensische Raketen ums Leben kamen. Weitere geschätzte tausend Terroristen wurden während des Angriffs am 7. Oktober in Israel getötet.

Israelische Beamte weisen darauf hin, dass die IDF die Zivilbevölkerung des Gazastreifens mehrere Wochen vor Beginn ihrer großen Bodenoperation Ende Oktober gewarnt hat, den nördlichen Gazastreifen zu evakuieren. So habe die Armee 70.000 Telefonanrufe getätigt, dreizehn Millionen Textnachrichten verschickt, vierzehn Millionen Sprachnachrichten hinterlassen und sieben Millionen Flugblätter abgeworfen, in denen sie die Zivilbevölkerung aufforderte, zu ihrer Sicherheit die Kampfgebiete vorübergehend zu verlassen, und sie zugleich über Feuerpausen und Evakuierungsrouten informiert.

Die Fälle vor dem IGH werden von einem Gremium aus allen fünfzehn Richtern des Gerichts verhandelt, wobei beide Parteien selbst je einen Richter für das Gremium benennen dürfen. Die Entscheidungen werden mit einfacher Mehrheit getroffen.

Die Verfahren vor dem IGH sind nicht strafrechtlicher Natur; der Beklagte in diesem Fall ist der Staat Israel und kein einzelner Regierungs- oder Militärbeamter. Daher hätte ein Urteil keine strafrechtlichen Folgen für Beamte, könnte aber schwerwiegende diplomatische Auswirkungen in Form möglicher Sanktionen und anderer Maßnahmen nach sich ziehen, welche die Vereinten Nationen und andere internationale Gremien gegen das Land ergreifen könnten.

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