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UNO-Bericht über sexuelle Gewalt der Hamas: Wo bleibt Mitgefühl mit israelischen Frauen?

Sexuelle Gewalt gegen Israelinnen: Demonstration vor UNO-Hauptquartier in New York
Sexuelle Gewalt gegen Israelinnen: Demonstration vor UNO-Hauptquartier in New York (© Imago Images / ZUMA Wire)

Die Präsentation des UN-Berichts über die sexuelle Gewalt der Hamas an israelischen Frauen während des Massakers vom 7. Oktober scheint wenig bewirkt zu haben.

Herodot, der Geschichtsschreiber, wusste schon vor mehr als zweitausend Jahren, dass es besser ist, beneidet als bemitleidet zu werden. Dieses Prinzip scheinen die Israelis aber noch nicht so richtig verinnerlicht zu haben. Jedenfalls versuchen sie weiterhin, wenn nicht Mitleid, so doch weltweites Mitgefühl für das Schicksal der Opfer des 7.Oktobers zu erwirken.

Beispielsweise erwarteten sie von den Vereinten Nationen, neben Gerechtigkeitssinn auch Empathie zu zeigen. Monatelang urgierten sie bei den Verantwortlichen, die sexuellen Gräueltaten zu verurteilen, die an jenem schwarzen Samstag verübt worden waren und denen seither auch die Geiseln stetig ausgesetzt sind. Lange stieß man auf taube Ohren, aber Ende Januar war es dann doch so weit. Pramila Patten, die UN-Sonderbeauftragte für sexuelle Gewalt bei Konflikten, kam mit ihrem Team nach Israel, um sich an Ort und Stelle, von den Schreckenstaten zu überzeugen. Wenig später veröffentlichte sie ihren Bericht.

Vernichtender Bericht mit Vorbehalt

Darin steht, was eigentlich schon seit dem Schandtag bekannt ist. Nämlich, dass hauptsächlich Frauen, aber auch Männer am 7. Oktober in einem besonders grausamen Kriegs- und Pogromakt systematisch vergewaltigt und teils vor, teils während und teils nach dem Akt erschossen wurden. Patten spricht von »sexueller Tortur«, von »Massenvergewaltigungen« und von »unmenschlichen und erniedrigenden Handlungen«. Und sie betont, es gäbe »klare und überzeugende Informationen« über laufend verübte sexuelle Handlungen an den Geiseln, die seit nunmehr über fünf Monaten in Gaza festgehalten werden.

So bestimmt, wie sich das obenstehend anhört, formulierte sie es allerdings nicht. Es gäbe, so heißt es lediglich, »vernünftige Gründe zur Annahme«, dass diese Taten verübt worden waren. Man habe mit Sanitätern gesprochen, die Leichen und Leichenteile eingesammelt hatten; Bilder und Videos gesichtet (die vielfach von den Tätern selbst mittels Bodycams und Handys aufgenommen worden waren) und nackte und halbnackte Leichen mit vielfachen Schusswunden gesehen.

Die Opfer wären zudem häufig an Pollern oder Bäumen gefesselt und ihre Hände hinter dem Rücken zusammengebunden gewesen. Dieser Anblick würde auf sexuelle Gewalttaten deuten, zumal er sich mehr oder weniger ident an diversen Schauplätzen des Schreckens – in den Kibbuzim, auf dem Terrain des Nova Musikfestivals und an der schicksalsträchtigen Zufahrtstrasse 232 – wiederholte. Auch mit Überlebenden und freigelassenen Geiseln hätten Patten und ihr Team gesprochen und ihre Aussagen für glaubwürdig befinden.

Den doch recht vorbehaltenen Ton des Berichts erklärte Patten mit dem Umstand, dass sie nicht direkt mit den Opfern sprechen konnte, was kein Wunder ist, waren die meisten von ihnen ja schon längst tot und obendrein teils auch unkenntlich gemacht worden. Und weil man ihre Leichen gemäß jüdischen Glaubensvorschriften und unter andauerndem Beschuss während des aktiven Kriegsgeschehens auch rasch abtransportieren und bestatten musste, hatten die Sanitäter und andere Hilfskräfte wohl nicht daran gedacht, den Tatort unangetastet zu belassen. Bedauernswert, so der Patten-Tenor, sei ob der »Intervention ungeschulter Ersthelfer« deshalb »der Verlust potenziell wertvoller Beweise.«

Fehlende Schuldzuschreibung

Auch in punkto Täter hält sich Patten einigermaßen bedeckt. Zwar, so schreibt sie, hätten »Hamas und andere bewaffnete palästinensische Gruppen Verantwortung für den Überfall übernommen«, allerdings würde die Hamas »Behauptungen von Schaden an Zivilisten, einschließlich Vergewaltigungen, abstreiten«. Die Schuld könne sie deshalb nicht einwandfrei der Hamas zuschreiben.

In einem wesentlichen Punkt, nämlich dem Schicksal der Geiseln, drückt sich Patten doch recht eindeutig aus: Sie bestätigt, dass Geiseln in Gaza »diverse Formen von konfliktbezogener Sexualgewalt« über sich ergehen lassen mussten und diesem Verbrechen immer noch hilflos ausgesetzt sind. Die UN-Sonderbeauftragte fordert auch in diesem Zusammenhang die umgehende und bedingungslose Freilassung aller Geiseln.

UNO-Sitzung mit geringer Wirkung

Patten spricht also, trotz der genannten Einschränkungen, klare Worte. Aber haben sie geholfen? Haben sie etwas bewegt? – Summa summarum eher wenig. Gut, es gab eine dringende Sitzung des UNO-Sicherheitsrats, bei der Patten die Ergebnisse ihrer Untersuchung vorstellte. Allein, einige Anwesende schienen davon wenig berührt.

Maria Zabolotskaya etwa warf Patten vor, lediglich Teilinformation zu präsentieren und, in Anspielung an ihre Recherche über russische Kriegsverbrechen in der Ukraine, sich »Fakes« zu bedienen. Gleichzeitig zitierte die russische Vize-Botschafterin eben jene »fake-nutzende« UNO-Beauftragte, um zu betonen, dass Patten einige sexuelle Überfälle, etwa im Kibbuz Be’eri, nicht bestätigen konnte. Und weil Zabolotskaya, wie sie beteuerte, jede Form der sexuellen Gewalt verurteile, suchte sie den Spieß umzudrehen und Israel den schwarzen Peter zuzuschieben.

Der israelische Außenminister Israel Katz war mit einigen freigelassenen Geiseln zur Sondersitzung angereist, wandte sich mit einem versöhnlichen »Ramadan Kareem« an muslimische Anwesende und dankte den USA, Frankreich und Großbritannien für die Einberufung der Sondersitzung. Schließlich forderte er die Vereinten Nationen auf, »doch bitte alles zu unternehmen«, um die Geiseln aus der »lebendigen Hölle« ihrer Gefangenschaft zu befreien und die Hamas als Terrororganisation zu deklarieren.

Allein, der Sicherheitsrat, der bereits in zwei Resolutionen die umgehende und bedingungslose Freilassung aller Geiseln gefordert hatte, begnügte sich diesmal damit, eine von den USA entworfene Resolution, die den Angriff vom 7. Oktober 2023 durch die Hamas »sowie deren Entführung und Tötung von Geiseln, Mord an Zivilisten und sexuelle Gewalt« verurteilt, »in Betracht zu ziehen«.

Enttäuschung in Hollywood

Enttäuschend ist auch die Reaktion oder vielmehr der Mangel an Reaktion vieler prominenter Frauen und Frauengruppen auf den Patten-Bericht. Besonders auffallend ist in diesem Zusammenhang das ohrenbetäubende Schweigen der vielen Schauspielerinnen, die vor einigen Jahren mit ihren Aussagen gegen Harvey Weinstein die #MeToo-Bewegung gestartet haben.

Bei der Oscar-Preisverleihung vergangene Woche gab es viel Kritik am Krieg in Gaza und viel Mitgefühl für das Schicksal der Palästinenser. Kein Wort aber wurde in diesem lauteren Forum, das sich sonst so eindeutig gegen jede Form des sexuellen Missbrauchs ausspricht, den Sexualverbrechen der Hamas gewidmet.

Auch von den Geiseln war nicht die Rede, und niemand trug prominent die gelbe Schleife, die auch an jene Geiseln erinnert, die vielleicht gerade vergewaltigt werden. Kein Wunder also, dass man in Israel meint, hinter dieser auffallenden Einseitigkeit stecke Antisemitismus, und verbittert resümiert: »#MeToo unless it’s a Jew.«

Besonders viel Mitgefühl hat der Pramila-Patten-Bericht zumindest bislang nicht ausgelöst. Vielleicht wird es Zeit, dass sich Israel also im Sinne von Herodot anderen Zielen zuwendet.

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