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Israelischer Rettungssanitäter: »Dies war ein wirklicher Holocaust«

Sanitäter und United-Hatzalah-Präsident Eli Beer mit Rabbi Shmuley Boteach im Mai 2022
Sanitäter und United-Hatzalah-Präsident Eli Beer mit Rabbi Shmuley Boteach im Mai 2022 (Imago Images / Pacific Press Agency)

Der israelische Rettungssanitäter und Präsident von United Hatzalah erzählte in den USA vom Hamas-Massaker am 7. Oktober. Mena-Watch dokumentiert seine Schilderungen auf deutsch.

Eli Beer ist in Israel sehr bekannt als Gründer und Präsident von United Hatzalah, einer vollständig spendenfinanzierten Organisation von ehrenamtlichen Ersthelfern, die zu medizinischen Notfällen fahren und Erste Hilfe leisten. Selbstgesetztes Ziel ist es, innerhalb von neunzig Sekunden nach dem Absetzen eines Notrufs vor Ort zu sein, also wesentlich schneller als der reguläre Rettungsdienst, was die Überlebenschancen bei lebensbedrohlichen Notfällen deutlich erhöht.

Die sechstausend Freiwilligen von United Hatzalah, oft auf Motorrollern unterwegs, sind Rettungssanitäter, Rettungsassistenten oder Ärzte, Säkulare und Religiöse, Männer und Frauen, Juden und Nichtjuden. Sie kommen aus allen Schichten und Bereichen der Gesellschaft. Der Dienst ist für die Patienten kostenlos.

Nach dem Pogrom vom 7. Oktober reiste Eli Beer auf Einladung der Republican Jewish Coalition (RJC) zur Jahresversammlung der RJC in Las Vegas und hielt dort eine Rede (hier ab 27:30). Er beschrieb, welche Situation sich den Ersthelfern darbot und erinnerte an die Hatzalah-Ehrenamtlichen, die ermordet, verschleppt oder verletzt wurden und an jene, deren Angehörige ermordet, verletzt oder verschleppt wurden. Im Folgenden dokumentieren wir den Hauptteil der Rede.

»6:41 Uhr: Der erste Ehrenamtliche war getötet worden«

Simchat Torah, Sabbath, 7. Oktober, 6:41 Uhr: Ich erhielt den ersten Telefonanruf aus unserer Leitstelle in Jerusalem. Der erste Freiwillige war getötet worden, ermordet. Der erste Ehrenamtliche von United Hatzalah. Awad, ein arabisch-muslimischer Ehrenamtlicher von United Hatzalah, war dort gewesen, über Nacht, auf dem Festival. Er war ein Rettungssanitäter, passte auf, dass alles gut läuft, denn es war ein großes Festival.

Als er sah, dass geschossen wurde, rannte er zu einem jüdischen Mädchen, das dort lag und verblutete. Er nahm seinen Notfallkoffer und fing an, ihr Leben zu retten. Dabei stellten ihn Terroristen. Als sie sahen, dass er diese orangefarbene Weste mit dem Hatzalah-Emblem, zusammen mit der israelischen Flagge, trug, folterten sie ihn zu Tode. Wir fanden ihn vier Tage später. Wir konnten nicht einmal erkennen, dass es sich um ein menschliches Wesen handelte. Sie haben buchstäblich seinen Körper gefoltert. Nur, weil er ein Israeli war.

Der zweite Ehrenamtliche, 7:15 Uhr in Sderot. Rabbi Chaim Sassi. Chaim Sassi war auf dem Weg zu einem Notruf: Schüsse in der Polizeistation in Sderot. Als er ankam, sah er zwanzig Terroristen, die Kalaschnikow AK-47 auf ihn richteten. Er fuhr ein Ambucycle, einen jener Rettungsmotorroller.

Er war bereit, Leben zu retten, musste aber auch sein eigenes schützen. Er holte eine Waffe hervor – er ist ein Rabbi, aber er ist bewaffnet, schließlich lebt er in Sderot. Es gelang ihm, vier Terroristen zu treffen und einen von ihnen zu töten. Rabbi Chaim Sassi fiel vom Ambucycle, nachdem die dritte Kugel sein Gesicht getroffen hatte. Er lag dort blutend mehr als zwei Stunden. Dankt Gott für andere Freiwillige: Yaakov Bar Yochai, der rannte, ihn auf die Schulter nahm, wegbrachte und sein Leben rettete.

»Es waren Tausende von Anrufen«

Meine Ehefrau Giti, einige von euch kennen sie, sie ist ein Engel. Sie begleitet mich seit über dreißig Jahren. Als ich zum Notfallort eilte, es war 7:15 Uhr, stellte ich sicher, dass wir genug Mitarbeiter hatten, um die Anrufe entgegenzunehmen. Es waren Tausende von Anrufen. Für gewöhnlich haben wir zweitausend Notrufe pro Tag, an jenem Tag waren es zehntausend. Ich sagte zu meiner Frau, die Rettungssanitäterin ist: Fahr in den Süden. Ich schickte sie zusammen mit zweien unserer Schwiegersöhne auf dem schnellsten Weg in den Süden.

Auch meine Frau trug eine Waffe. Sie trug die orangefarbene Weste, sie hat Intubationsausrüstung, sie hat alles, was sie benötigt, um Leben zu retten. Sie eilten gemeinsam in den Süden. Ich hörte, als sie am Walkie-Talkie sagte: Ich behandle einen Patienten in kritischem Zustand mit einer Kugel im Kopf.‹ Das war das erste, das ich von ihr hörte. Sie behandelte 41 Menschen und rettete den meisten von ihnen das Leben.

Als ich sah, dass genügend Personen in der Einsatzzentrale waren, um Anrufe entgegenzunehmen, entschied ich, selbst hinunterzufahren. Mir wurde klar, dass dort ein Megakrieg im Gange war; kein normaler Krieg. Ein Megakrieg, kein normaler Krieg wie Yom-Kippur, der an den Grenzen geführt wird. Dies ist im Herzen Israels, dies ist in Sderot, dies ist in Ofakim, dies ist in Netivot, in Kfar Aza, Be’eri. Dies ist buchstäblich in jedem Dorf, in dem wir Freiwillige haben.

United-Hatzalah besteht aus siebentausend Freiwilligen, verteilt über ganz Israel. Diese Freiwilligen sind bereit, hinauszugehen und Leben zu retten, wenn jemand einen Herzinfarkt erleidet, wenn jemand keine Luft mehr bekommt. Alle unsere Ehrenamtlichen machten sich auf den Weg. Zwei von ihnen wurden ermordet, zwei weitere entführt, werden als Geiseln gehalten und wir wissen nicht, in welchem Zustand sie sich befinden. Bei anderen wurden Familienmitglieder entführt und ermordet. Zwölf wurden schwer verletzt, während sie versuchten, Menschenleben zu retten, jüdische Leben, israelische Leben in Israel zu schützen.

»Wir sahen grausamste Dinge«

Warnung: Der folgende Absatz beschreibt verstörende Gewaltakte.

Wir sahen grausamste Dinge. Ich habe es mit meinen eigenen Augen gesehen: Eine Frau, die im fünften Monat schwanger war. Sie lebte in einem kleinen Dorf, in einem kleinen Kibbuz. Sie kamen in ihr Haus. Vor den Augen ihrer Kinder schlitzten sie ihr den Bauch auf, holten das Baby heraus und erstachen es. Dann erschossen sie sie vor den Augen ihrer Familie und töteten die restlichen Kinder.

Dies sind keine gewöhnlichen Feinde. Dies sind keine gewöhnlichen Situationen. Ich sah kleine Kinder, die enthauptet worden waren. Wir wussten nicht, welcher Kopf zu welchem Kind gehörte. Ich weinte fünf Tage lang, ich konnte nicht aufhören zu weinen. Einige von ihnen hatten Großeltern, die Holocaustüberlebende waren, und sie selbst wurden nun in einem Holocaust in Israel 2023 ermordet. Babys, kleine Kinder, man konnte nicht einmal erkennen, ob sie Kinder waren, wir konnten nichts erkennen. Wir sahen ein Baby in einem Backofen. Diese Scheißkerle steckten das Baby in einen Backofen und drehten ihn auf. Wir fanden das Kind einige Stunden später.

Wir fanden Frauen, die vergewaltigt worden waren, junge Mädchen, die zuerst vergewaltigt und dann ermordet worden waren. (…) Wir fanden zehn Monate alte Zwillinge, vierzehn Stunden nachdem ihre Eltern ermordet worden waren. Die Mutter hatte sich mit ihnen zwei Stunden lang in einem Bombenbunker versteckt. Es war sechs Uhr, als sie die Raketen und die Schüsse gehört hatten. Sie rannten in den Bombenbunker in Kfar Aza, wo sechzig Prozent der Bewohner ermordet wurden. Ein wunderschönes friedliches Dorf. Sie versteckten sich in dem Bunker. Die Babys waren hungrig und weinten. Also ging die Mutter hinaus, um Nahrung für die Kinder zu holen. – Und die Terroristen warteten auf sie und schnappten sie.

Ich will nicht einmal beschreiben, was wir gesehen haben, als wir die Familie fanden. Beide Elternteile wurden in der Küche ermordet. Die zwei Kinder wurden von der Golani-Brigade gefunden. Als sie mit gezücktem Gewehr hineinstürmten, fanden sie die weinenden Babys – sie weinten seit vierzehn Stunden. Ich habe mich gewundert, habe die Golani-Brigade gefragt: Warum haben sie die Kinder denn nicht getötet, wie all die übrigen Kinder auch? ›Sie benutzten diese Kinder als Köder.‹ Menschen, die sie weinen hörten und sie retten wollten, wurden ebenfalls getötet. Das haben sie getan.

Wir haben diese Kinder, es gibt ein Video, als ein Freiwilliger, Shalom …, Shalom ging nach Kfar Aza hinein, während dort geschossen wurde und holte die Babys heraus. Danke, Gott, dass sie am Leben sind. Wir gaben ihnen die Flasche. Diese beiden kleinen Holocaustüberlebenden, diese zehn Monate alten Holocaustüberlebenden!

Wir retten immer mehr und mehr Leben

Ich bin heute Abend hier, weil ich einige dieser Geschichten mit euch teilen wollte. Und das ist nur ein bisschen davon. Ich bin mir sicher, viele Geschichten werden bekannt werden. Viele Wunder. Wir behandelten mehr als 2.500 Opfer des 7. Oktober.

Mein Sohn ist in der Armee. An jenem Schabbat, es ist einer der schönsten Tage des Jahres. Simchat Tora bedeutet, wir feiern die Tora, tanzen, lesen in der Tora. An jenem Simchat Tora war ich nicht zu Hause, meine Frau war nicht zu Hause, sie rettete Leben im Süden, zusammen mit 1.700 Freiwilligen, Rettungssanitätern, die im Kugelhagel rannten, ihre Leben in Gefahr, um andere Menschen zu retten. Leider zahlten wir einen hohen Preis, aber wir machen weiter und retten immer mehr und mehr Leben. Solange sie uns brauchen.

»Dies war ein wirklicher Holocaust«

Auch in einem Fernsehinterview mit dem Moderator Mike Huckabee, dem ehemaligen Gouverneur von Arkansas, ehemaligen Pfarrer und republikanischen Präsidentschaftsaspiranten, beschrieb Beer den schrecklichsten Tag seines Lebens:

»Wir haben es mit eigenen Augen gesehen. Als wir eintrafen in jenen sehr friedlichen kleinen Dörfern, Kibbuzim, kleinen Städten, sahen wir überall Blut. Wir sahen Juden, die abgeschlachtet worden waren. Und kleine Kinder, die in Stücke geschnitten waren. Ich werde nie die Situation vergessen, als Babys einfach auf dem Boden lagen und wir herausfinden mussten, welche Köpfe zu welchen Kindern gehörten. Das ist eine Situation, von der wir nicht geglaubt hatten, dass sie möglich wäre – in Israel, 2023. An einem wundervollen Tag, einem Schabbat. Dies war der schrecklichste Tag meines Lebens.

Ich habe seit fünfunddreißig Jahren mit Lebensrettung zu tun; ich war bei Terroranschlägen, in Restaurants und Bussen, die in die Luft gejagt worden waren. Aber selbst all dies zusammengenommen reicht nicht an diesen einen Tag heran, den 7. Oktober, was wir da gesehen haben. Es ist unmöglich zu leugnen. Es ist, als würde man sagen, der Holocaust hat sich nicht ereignet. Dies ist passiert. Man kann es nicht leugnen.

Selbstverständlich versucht die Hamas nun, es zu leugnen. Es waren nicht nur Morde, sondern die schlimmsten Arten von Morden. Aber Hamas sind Lügner. Sie belügen ihre eigenen Leute. Sie bringen zwei Millionen Menschen in Gefahr wegen ihres Gelüsts, Menschen zu töten. Und dies ist passiert, wir haben es mit unseren eigenen Augen gesehen.«

Huckabee fragte, wie er sich fühle, wenn Demonstranten Partei für die Hamas ergriffen, weil sie behaupteten, Israel habe »Land weggenommen«. Beers Antwort:

»Dies war ein wirklicher Holocaust. Und jeder, der in irgendeiner Stadt der Welt rumläuft und demonstriert, das sind Neonazis. Für Mord zu demonstrieren, Mord an alten Männern und Damen. Sie haben 90-jährige Holocaustüberlebende ermordet.«

Diejenigen, die jetzt auf der Welt gegen Israel demonstrieren, hätten 1939 für Hitler demonstriert, glaubt er:

»Das sind Hitler-Unterstützer. Es gibt keinen Unterschied zwischen dem IS, der Hamas und den Nazis. Es ist genau das gleiche. Verschiedene Namen, doch dieselbe Sache.«

Die Täter vom 7. Oktober beschreibt er als eine »Kombination aus Nazis und Kamikaze-Kämpfern«:

»Sie wollen Menschen morden, sie vorher foltern, sie vergewaltigen und sie wollen selbst sterben.«

Beer verweist auf die Aufzeichnung eines Telefongesprächs vom 7. Oktober zwischen einem der Mörder und seinen Eltern. Der Hamas-Mann hatte ein jüdisches Mädchen ermordet und mit dessen Handy bei sich zu Hause angerufen. Euphorisch schrie er immer wieder dieselben Dinge ins Telefon: »Ich habe mit eigenen Händen zehn Juden getötet. Ich schwöre, Mutter, mit meinen eigenen Händen! Mama, dein Sohn ist ein Held! Töten, töten, töten!« Er sei in Mefalsim. Mehrfach forderte er seine Eltern auf, sie sollten mit seinem Handy, das zu Hause liege, auf seinen WhatsApp-Account gehen, dort werde das Töten übertragen.

Seine Eltern bitten den Täter, nach Hause zu kommen, doch das komme nicht infrage, sagte er, es sei seine Mission, Juden zu töten und dabei zu sterben. »Es ist entweder Sieg oder Tod«, brüllte er. Beer fragt nachdem er diese Geschichte erzählt hat:

»Können Sie sich vorstellen, dass das jemand zu seiner Mutter sagt? Wie kann man für solche Leute demonstrieren? Jeder, der für die Hamas demonstriert, demonstriert für Hitler. Das sind die Leute, die derzeit auf die Straßen gehen.«

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