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Im Namen der Opfer: Israels Frauen rütteln wach

Klagt im Namen der israelischen Frauen an: Schauspielerin Gal Gadot. (© imago images/ZUMA Wire)
Klagt im Namen der israelischen Frauen an: Schauspielerin Gal Gadot. (© imago images/ZUMA Wire)

Wochenlang schwieg die UNO inklusive ihrer relevanten Gremien zu den sexuellen Verbrechen der Hamas. Das hat sich inzwischen geändert, doch aus Sicht der israelischen Wonder-Woman-Darstellerin Gal Gadot hat die Welt die Frauen verraten und im Stich gelassen.

Am 30. November äußerte sich UN-Generalsekretär António Guterres endlich. Aufgrund »zahlreicher Berichte über sexuelle Gewalt während der abscheulichen Terroranschläge der Hamas am 7. Oktober« müsse nun wohl »energisch untersucht und strafrechtlich verfolgt werden«, hieß es in einen Post auf dem X-Account von Guterres. Acht Wochen nach den Verbrechen – und mehrere Wochen nachdem die ersten israelischen Frauen international Alarm schlugen – war es das erste Statement seinerseits in dieser Angelegenheit.

Israels UN-Botschafter Gilad Erdan bezeichnete Guterres Statement nicht ohne Grund als eine Art Lippenbekenntnis »zur Beschwichtigung der zunehmenden Vorwürfe wegen des Schweigens der UN« und bemängelte, dass der UN-Generalsekretär lediglich zu einer Untersuchung aufruft, aber ansonsten wieder einmal schwammig und tatenlos zugleich bleibt.

Wenige Tage später, am 1. Dezember, meldete sich auch UN Women, die UN-Einheit für Gleichstellung und Ermächtigung der Frauen, zum Thema zu Wort. Dieses Gremium hatte bis dahin nicht nur geschwiegen, sondern einen Instagram-Post gelöscht, der fünfzig Tage nach dem Pogrom in Israels Süden die Gewaltverbrechen erstmals verurteilt hatte und stattdessen einen Aufruf zur Freilassung aller Geiseln online geschaltet. Doch auch als schließlich ein Statement von UN Women-Geschäftsführerin Sima Bahous zur sexuellen Gewalt, die von den Hamas-Terroristen verübt wurde, herauskam, hielt die Kritik israelischer Frauen an.

Israels Frauen geben nicht klein bei

Die 32-jährige Shany Granot-Lubaton, die Anfang des Jahres als israelische Studentin in den USA eine Frauen-Protestbewegung gegründet hat, die viele israelische als auch amerikanische Frauen anzog, schmetterte Bahous entgegen:

»Leider hielten Sie dieses Thema nicht für würdig genug, um dazu einen einzigen separaten Post zu veröffentlichen. Genau wie Ihre vielen anderen Dutzend Aussagen, so beginnt auch diese zunächst mit einer Verurteilung Israels und bezieht sich erst danach auf die israelischen Mädchen und Frauen, die durch die Hölle gegangen sind. Auch heute noch stehen wir alleine da. Diese Aussage ist zu wenig, zu spät und mit einem viel zu schwachen Handlungsaufruf verbunden.«

Längst hat sich auch Gal Gadot in den Chor eingereiht, die als israelische Schauspielerin Hollywood wachzurütteln versuchte. Sie hielt auf Instagram fest: »Wir werden nicht zulassen, dass Frauen zu Opfern gemacht und anschließend auch noch zum Schweigen gebracht werden. Wir sagen: Wir glauben Frauen, stehen an der Seite von Frauen und setzen uns für Frauen ein.«

Gadots Statement dürfte auch als Seitenhieb gegen das UN-Komitee zur Beseitigung der Diskriminierung von Frauen (CEDAW) gewesen sein, das eine Vertreterin Israels schon vor Wochen aus einer Anhörung mit der Aufforderung entließ, sie möge »Beweise vorlegen, dass solche Gräueltaten stattgefunden haben«. Zum anderen war es ein unverhohlener Peitschenhieb gegen die #MeToo-Bewegung, die mit ihrem Schweigen sowohl die Bewegung als auch den eigenen Grundsatz, Frauen Glauben zu schenken und bei einer Aussage zu unterstützen, untergraben hat.

In Israel wurde Gal Gadot angekreidet, dass sie in ihrem Statement sehr wohl Frauen explizit erwähnt, aber einen Bezug auf Mädchen unterlässt, die ebenfalls Opfer der sexuellen Kriegsverbrechen der Hamas wurden, überdies hatten in ihrem Statement die Wörter »Israel« oder »israelische Frauen« gefehlt. Ebenfalls arg leisegetreten, kommentierten einige in Israel.

Kreative Kampfansagen

Israels Frauen, bei denen die Alarmglocken wenige Tage nach dem 7. Oktober zu läuten begonnen hatten, hatten nicht nur gegen das schmähliche internationale Schweigen anzukämpfen. Es dauerte ebenfalls, bis die israelische Polizei in Richtung sexuelle Verbrechen zu ermitteln begann. Allerdings müssen den zuständigen Stellen gewissermaßen mildernde Umstände zuerkannt werden: Die Region, in der die Verbrechen verübt wurden, blieb für mehrere Tage lang Kriegszone, und niemals zuvor in Israels Geschichte musste die würdige Bergung und Bestattung einer so großen Anzahl von Terrortoten bewältigt werden, ganz zu schweigen von der Tatsache, dass die Identifikation der Opfer zum Teil äußerst schwierig war.

Als sich Zeugenaussagen mehrten und Bergungsmannschaften vor Ort ebenfalls über deutliche Anzeichen von Verbrechen mit sexueller Motivation berichteten, ergriffen rasch mehrere Frauen Maßnahmen. Zunächst wurde die »Zivile Kommission zu den Verbrechen, die die Hamas am 7. Oktober gegen Frauen und Kinder verübte« gegründet, die einerseits mit der Dokumentation der Untaten begann und sich andererseits lautstark in der Öffentlichkeit bemerkbar machte. Die Kommissionsvorsitzende Cochav Elkayam-Levy, die Internationales Recht an der Hebräischen Universität Jerusalem lehrt, gehörte zu den ersten Experten, die darauf hinwiesen, dass hier keine sporadischen sexuellen Verbrechen begangen wurden, sondern die Hamas-Terroristen mit der expliziten Order ausgesandt wurden, möglichst viele Frauen sexuell zu missbrauchen.

Längst ermittelt die Polizei-Einheit für kriminelle Untersuchungen Lahav 433, die inzwischen ebenfalls bestätigt, was vor einer Woche auch in einem Knesset-Ausschuss zur Sprache kam: Frauen jeder Altersgruppe wurden vergewaltigt. Es fanden zudem Gruppenvergewaltigungen statt, die in mehreren Fällen so gewalttätig waren, dass Frauen, wie Gerichtsmediziner bestätigten, der Beckenknochen gebrochen wurde. Mädchen, Frauen und Seniorinnen wurden gefoltert und verstümmelt, wobei man nicht sagen kann, ob dies vor oder nach ihrer Hinrichtung durch die Hamas-Täter geschehen ist.

Schon vor Wochen gingen Israels Frauenaktivistinnen und -aktivisten, darunter auch der Unternehmer und Sohn des verstorbenen Staatspräsidenten, Chemi Peres, mit provokativen Aktionen an die Öffentlichkeit. Da für sie feststand, dass das internationale Schweigen etwas mit der Tatsache zu tun hat, dass israelische Frauen betroffen sind, wurde der Clip »Vergewaltigung ist KEIN Widerstand« online gestellt, der in eineinhalb Minuten Folgendes vor Augen führt: Frauen hören empathisch zu, wenn eine Frau ein sexuelles Gewaltverbrechen melden will, machen jedoch einen Rückzieher, wenn erwähnt wird, dass der Täter Arabisch spricht und ein Hamas-Terrorist ist. Dann ist mit der Empathie Schluss: »Nimm es nicht persönlich. Das Management entschied, dass jede Gewalt gegen Israelis legitimer Widerstand ist.«

Dem schloss sich eine weitere Bewegung an, welche die antisemitische Doppelmoral internationaler Gremien und großer Teile der Frauenbewegung mit dem deutlichen Titel »#MeToo_unless_UR_A_Jew« anprangert.

Erst der Anfang

Seither greifen immer mehr Medien das Thema auf. Inzwischen nicht mehr nur verhalten und vorsichtig, sondern teilweise mit drastischen Details, denen eine Warnung vorweggeschickt wird. Weil die Schonzeit für alle, die Schweigen gewahrt haben, vorbei ist, wurden solche Details am letzten Montag auch auf einer Sondersitzung, welche die Permanente israelische Mission bei der UN organisierte, nicht mehr nur andeutungsweise zur Sprache gebracht. Eine der Hauptrednerinnen war Sherly Sandberg, ehemalige Co-Geschäftsführerin von Meta (vormals Facebook). Sie führte unter anderem aus:

»Wir sind soweit gekommen, den Überlebenden sexueller Übergriffe in so vielen Situationen zu glauben. Deshalb ist das Schweigen zu diesen Kriegsverbrechen umso gefährlicher. Die Welt muss sich entscheiden, wem sie glauben will. Glauben wir dem Hamas-Sprecher, der sagte, dass Vergewaltigung verboten sei und so etwas daher am 7. Oktober unmöglich passieren konnte? Oder glauben wir den Frauen, deren Körper uns erzählen, wie sie die letzten Minuten ihres Lebens verbracht haben?«

Da vor wenigen Tagen zudem der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs, Karim Khan, während eines Israel-Besuchs andeutete, dass die Hamas Kriegsverbrechen begangen hat, werden Israels Frauen nicht locker lassen, bis auch die grausamen sexuellen Verbrechen der Hamas restlos aufgearbeitet und geahndet werden.

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