Erweiterte Suche

Islamischer Dschihad: Der iranische Stellvertreter in den Palästinensergebieten

Fraueneinheit der iranisch kontrollierten Terrororganisation Palästinensischer Islamischer Dschihad
Fraueneinheit der iranisch kontrollierten Terrororganisation Palästinensischer Islamischer Dschihad (© Imago Images / UIG)

Mittels Stellvertreterorganisation wie dem Palästinensischen Islamischen Dschihad versucht der Iran, eine »Einheit der Fronten« in seinem Kampf gegen Israel zu errichten.

Shaul Bartal

Am 26. Januar schaltete Israel eine Zelle des Palästinensischen Islamischen Dschihads (PIJ) im Herzen von Dschenin aus, darunter auch den Führer der Dschenin-Brigade der Organisation, Salahat Ezz a-Din. Diese Operation rückte den PIJ wieder ins Rampenlicht, der eine iranische Stellvertreterorganisation ist, die auf eine Veränderung der regionalen Ordnung im Interesse der Islamischen Republik hinarbeitet.

Anfang August 2022 hatte der PIJ mit Gewalt gegen Israel gedroht, sollte Scheich Bassam al-Saadi, ein Anführer der Gruppe in der Westbank, nicht freigelassen werden, eine Drohung, die zur Operation Breaking Dawn vom 5. Bis zum 7. August führte. Diese verstärkten Aktivitäten des PIJ, insbesondere in der nördlichen Westbank mit Schwerpunkt Dschenin, spiegeln die iranischen Bemühungen wider, seine Stellvertreter einzusetzen, um ein Gleichgewicht der Abschreckung zu schaffen.

Es gibt weitere Beispiele für iranische Stellvertreter, die Israel im Namen Teherans bedrohen. So drohte die Hisbollah vor der Unterzeichnung des Abkommens über eine Seegrenze mit dem Libanon damit, das Karish-Gasfeld mit Yakhont-Raketen anzugreifen; die Hamas warnte, Israel würde es bereuen, seinen jährlichen Flaggenmarsch am Jerusalem-Tag in der Hauptstadt abzuhalten. Allen drei Organisationen – der Hisbollah, dem PIJ und der Hamas – ist gemeinsam, dass sie erhebliche militärische Hilfe und Unterstützung aus dem Iran erhalten. 

Über die von ihm gesponserten Organisationen hat der Iran eine breite terroristische Front geschmiedet, zu der auch die Huthis im Jemen und schiitische Milizen im Irak und in Syrien gehören. Ihnen allen ist daran gelegen, eine neue Gleichung gegenüber Israel herzustellen – einem Land, das die Ruhe militärischen Operationen vorzieht, obwohl Ruhe im Nahen Osten eine trügerische Sache ist.

Islamische Wiedergeburt

Der Palästinensische Islamische Dschihad wurde in den frühen 1980er Jahren unter iranischem Einfluss von Fathi Shaqaqi, dem Autor des Buches Khomeini, die islamische Lösung und die Alternative, gegründet. Darin wird die iranische Revolution als Modell für eine umfassende islamische Revolution betrachtet, die eine letztlich weltweite islamische »Wiedergeburt« fördern werde. 

Seit ihrer Gründung hat die Gruppe eine Reihe von Terroranschlägen verübt, wobei der Iran ihr mit Waffen, Munition, Geld und Anleitung die notwendige logistische Infrastruktur zur Verfügung stellte. Die PIJ-Aktivisten im Gazastreifen sind stolz auf ihre hochmodernen Waffen und Drohnen, die teilweise vor Ort und unter anderem mit iranischer Technologie hergestellt wurden.

Seit den 1980er Jahren, nach einer Reihe israelischer Aktionen, leben die Köpfer der Gruppe, einschließlich des derzeitigen Führers, Ziyad al-Nakhalah, in Syrien. Der PIJ verfügt anders als die Hamas nicht über eine umfangreiche Infrastruktur für die Dawah (islamische Wohltätigkeit) und konzentriert sich in erster Linie auf terroristische Aktivitäten gegen Israel. Al-Nakhalah zufolge sei der »Widerstand die einzige Möglichkeit, die Rechte unseres Volkes wiederherzustellen«.

Der PIJ erklärt auf seinen verschiedenen Websites immer wieder, der Dschihad und der Kampf gegen Israel würden »ewig bis zum Sieg« dauern. Wie seine Sprecher versichern, sei der Dschihad nach islamischem Recht legal und eine nationale Pflicht. Die PIJ-Aktivitäten im Westjordanland stützen sich auf eine Reihe von Brigaden, die über Dschenin, Tulkarem und andere Bezirke verteilt sind, ähnlich wie in Gaza.

Am 2. August 2022 erklärten die Jerusalem-Brigaden, der militärische Flügel des PIJ, dass der Dschihad bis zum Sieg über den Feind andauern werde. Diese Mitteilung erfolgte vor dem Hintergrund des Todes des 17-jährigen PIJ-Aktivisten Derrar Alkafarini in Dschenin. Derartige Erklärungen sind auf den Websites der Gruppe üblich, und der PIJ braucht für gewöhnlich keinen besonderen Vorwand, um Israel zu bedrohen oder anzugreifen. Die jüngsten verstärkten Aktivitäten der Gruppe haben allerdings einen tieferen Grund, nämlich ihre Beziehungen zum Iran.

Aufrüstung

In den acht Jahren, die seit der Operation Protective Edge im Jahr 2014 vergangen sind, hat der PIJ an Stärke und Bewaffnung zugelegt; die Organisation meint, nun stark genug zu sein, um effektiv gegen die israelischen Verteidigungsstreitkräfte vorgehen zu können. In einem Manifest, das der PIJ im Juli 2022 veröffentlichte, lobt er sich selbst und bejubelt seinen angeblichen Endsieg.

Der PIJ scheint seine Macht und Fähigkeiten mit iranischer Hilfe und Unterstützung ausgebaut zu haben, und seine Operationen gewinnen in der palästinensischen Öffentlichkeit immer mehr an Legitimität. Seine Aktivitäten in Dschenin sind Teil des Konzepts der »Einheit der Fronten«, das der PIJ im vergangenen Jahr verfolgt hat. Der Name ist nicht zufällig gewählt: Die Fronten in den Palästinensergebieten – Ost-Jerusalem, Westjordanland Gazastreifen – sollen auch den Libanon, Syrien und alle anderen iranischen Stellvertreterorganisationen umfassen.

Am 5. Januar erklärte Ziyad al-Nakhalah, Qassem Soleimani sei das von den PIJ-Kämpfern am meisten bewunderte Vorbild. Er bezeichnete ihn als Märtyrer und mutigen Kämpfer, der von allen Widerstandsfronten und ihren Ablegern verehrt werde. Soleimani war der Kommandeur der Auslandseinheit der Islamischen Revolutionsgarden, der im Januar 2020 bei einem Angriff der Vereinigten Staaten getötet wurde. 

In seinen Veröffentlichungen bekundete der PIJ sein Ziel, anlässlich von Soleimanis Todestages einen Terroranschlag zu verüben. Bei dem Treffen im Januar brachte al-Nakhalah auch seine Wertschätzung für den »geliebten Kameraden und großen Kommandeur« Karim Younis zum Ausdruck, der im vergangenen Monat nach vierzig Jahren Haft für die Ermordung des israelischen Soldaten Avi Bromberg im Jahr 1980 freigelassen worden war.

Mit der eingangs zitierten Drohung des PIJ, Israel anzugreifen, sollte Scheich Saadi nicht freigelassen werden, hat die Gruppe zum ersten Mal über die Medien und in hebräischer Sprache ein klares Ultimatum für die Freilassung eines Gefangenen gestellt. Der PIJ wies auf Saadis Gesundheitszustand hin und kritisierte die Weigerung des Gerichts, die Veröffentlichung eines Fotos zu erlauben. 

In einer Erklärung der Jerusalem-Brigaden vom 1. August 2022 heißt es: »Wir verkünden eine allgemeine Mobilisierung und eine Erhöhung der operativen Alarmbereitschaft als Reaktion auf den Aufruf, unsere Pflicht gegenüber dem verräterischen Feind zu erfüllen, der den großen Kommandanten Scheich Bassam al-Saadi und seine Familie vor Kurzem in Dschenin angegriffen hat.«

Besuch in Teheran

Am 3. August vorigen Jahres verlautbarte al-Nakhalah, dass »die Widerstandsstrukturen im Gazastreifen stark und die Widerstandskräfte gewachsen sind und über viele Fähigkeiten verfügen«. Dabei bezog er sich auf ein Treffen mit dem iranischen Außenminister Hossein Amir-Abdollahian in Teheran und sagte, »die Widerstandsbrigaden müssen sich dringend vereinigen und zusammenschließen, um den islamischen Widerstand des palästinensischen Volkes zu stärken«. Weiter betonte er »die wichtige Rolle der Islamischen Republik [Iran], Syriens und des libanesischen Widerstands bei der Unterstützung der islamischen Widerstandsfront«.

Al-Nakhalahs Besuch im Iran war nicht umsonst und wurde möglicherweise absichtlich zeitlich genau abgestimmt. Die Verhaftung Saadis scheint ein Vorwand für den Iran und seinen Stellvertreter gewesen zu sein, eine lokale Militäroperation gegen Israel zu starten. Das Treffen zwischen al-Nakhaleh und hochrangigen iranischen Beamtendiente offenbar dazu, weitere groß angelegte Zusammenstöße im Gazastreifen, im Westjordanland und im Osten Jerusalems vorzubereiten, an denen möglicherweise auch die Hamas beteiligt sein wird.

Nach der Tötung von PIJ-Aktivisten in Dschenin, darunter Enkel von Scheich Saadi, die selbst bekannte Kämpfer waren, sprach die Gruppe auf Facebook neue Drohungen in hebräischer Sprache aus: »Die Söhne des Islamischen Dschihad kommen.« Solche Warnungen sind eine Form der psychologischen Kriegsführung, welche die Gruppe mit iranischer Unterstützung entwickelt und einsetzt.

Der PIJ ist mehr als eine terroristische Organisation mit einer panislamischen Ausrichtung, die sich mit palästinensischem Nationalismus vermischt, und er operiert auch nicht in einem Vakuum. Gemeinsam mit der Hamas und der Hisbollah stellt der PIJ einen Teil der »Achse des Widerstands« dar, die im Interesse des Iran versucht, eine neue strategische Gleichung gegenüber Israel zu schaffen, bei der es sich im Wesentlichen um eine Art Schutzgelderpressung handelt. Ruhe an Israels Grenzen, in Jerusalem und der Westbank wird erhebliche Zugeständnisse und Opfer in Bezug auf die israelische Souveränität und die Handlungsfähigkeit der IDF mit sich bringen.

Der Kampf des PIJ gegen Israel wird vom iranischen Wunsch angetrieben, die Front im Westjordanland, einschließlich Ost-Jerusalem, aufzuheizen, insbesondere vor dem Hintergrund des bevorstehenden Ramadan. Die Aktionen des PIJ können die Sicherheitslage verschärfen und zur Aussetzung der Sicherheitszusammenarbeit Israels mit der Palästinensischen Autonomiebehörde führen, wie es nach der Operation in Dschenin kurzzeitig der Fall war.

Die israelischen Entscheidungsträger müssen die Natur des Kampfes verstehen und weiterhin gegen die Verankerung des Islamischen Dschihads als militärische Kraft im Westjordanland vorgehen. Dies ist von entscheidender Bedeutung, um die »Einheit der Fronten« zu verhindern, die der Iran mithilfe der Stellvertreterorganisationen, allen voran dem Islamischen Dschihad, zu errichten versucht.

Shaul Bartal ist leitender Wissenschaftler am BESA-Zentrum und Forschungsstipendiat am Instituto do Oriente der Universität Lissabon. Während seines Militärdienstes hatte er verschiedene Posten im Westjordanland inne. Er unterrichtete am Fachbereich für Geschichte des Nahen Ostens und am Fachbereich für Politikwissenschaft der Bar-Ilan-Universität. (Der Artikel erschien auf Englisch beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)

Bleiben Sie informiert!
Mit unserem wöchentlichen Newsletter erhalten Sie alle aktuellen Analysen und Kommentare unserer Experten und Autoren sowie ein Editorial des Herausgebers.

Zeigen Sie bitte Ihre Wertschätzung. Spenden Sie jetzt mit Bank oder Kreditkarte oder direkt über Ihren PayPal Account. 

Mehr zu den Themen

Das könnte Sie auch interessieren

Wir sprechen Tachles!

Abonnieren Sie unseren Newsletter und erhalten Sie einen unabhängigen Blickzu den Geschehnissen im Nahen Osten.
Bonus: Wöchentliches Editorial unseres Herausgebers!

Nur einmal wöchentlich. Versprochen!