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Iran und seine Stellvertretergruppen entwickeln Fahrplan für Kampf gegen Israel

Treffen zwischen PIJ-Generalsekretär al-Nakhalah und dem Führer der iranischen Revolutionsgarden Hossein Salami in Teheran
Treffen zwischen PIJ-Generalsekretär al-Nakhalah und dem Führer der iranischen Revolutionsgarden Hossein Salami in Teheran (© Imago Images / ZUMA Wire)

Einem Bericht staatlicher Medien zufolge will der Iran durch die Verschärfung der Spannungen in der Westbank eine Einheit der palästinensischen Fraktionen herstellen.

Yoni Michanie

Genau zum Zeitpunkt der »Operation Breaking Dawn«, dem dreitägigen Einsatz der israelischen Verteidigungskräfte gegen die im Gazastreifen ansässige Terrorgruppe Palästinensischer Islamischer Dschihad (PIJ), trafen sich hochrangige iranische Funktionäre mit Führern der palästinensischen Terrororganisation, um einen Fahrplan für ihren Krieg gegen Israel zu besprechen.

Am 6. August, dem zweiten Tag der dreitägigen Offensive, bei der vom PIJ mehr als 1.100 Raketen auf israelische Bevölkerungszentren abgefeuert wurden, traf der Generalsekretär des Palästinensischen Islamischen Dschihad mit dem iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi und dem Kommandeur des Korps der Islamischen Revolutionsgarden, Hossein Salami, im Iran zusammen. Die staatliche Nachrichtenagentur Fars veröffentlichte Ausschnitte der Gespräche, was als kalkulierter Schachzug des iranischen Regimes gewertet wird, um sein strategisches Konzept für die Kriegsführung gegen Israel öffentlich zu machen.

Neue Stratgie

Dem Fars-Bericht zufolge wurde in dem Gespräch ein neuer Fahrplan für den Kampf gegen Israel formuliert. Zu dessen Schlüsselelementen gehören die Einigung der konkurrierenden palästinensischen Gruppierungen durch das Schüren von Konflikten in spannungsgeladenen Gebieten des Westjordanlands und die Schaffung von Bedingungen für einen Mehrfrontenkrieg, um Israels Militär und Geheimdienste zu überfordern.

Während der Bericht in weiten Teilen mit der für das iranische Regime typischen Haltung gegenüber dem jüdischen Staat übereinstimmt, geht er konkret auf die Absichten von Khamenei und Salami ein, durch die Verschärfung der Spannungen in Regionen wie Sheikh Jarrah, Dschenin, Tulkarm, Nablus oder Ramallah eine Einheit zwischen den palästinensischen Fraktionen zu schaffen.

In der Beschreibung der gegenwärtigen palästinensischen »Widerstandsbewegung« heißt es, die Kontinuität des Kampfes sei der Schlüssel, denn »die Fortsetzung des Dschihad stärkt die Struktur und den Geist des Dschihad und entwickelt technische Hilfsmittel, Waffen, Ausrüstung, Techniken, Taktiken und Ausbildung«.

Luftüberlegenheit und fortschrittliche militärische Ausrüstung, so der Bericht, seien von geringer Bedeutung, da »die Infanterie den Widerstand am Boden führen und das Land Schritt für Schritt befreien muss«. Durch die Bewaffnung von Terroristen im Gazastreifen, im Westjordanland und im Südlibanon will Teheran einen Mehrfrontenkrieg gegen Israel koordinieren, der »das zionistische Kommando zersetzen« soll.

Da ganz Israel in Reichweite der Hisbollah-Raketen liegt und die im Libanon ansässige Terrorgruppe während des seit einem Jahrzehnt dauernden syrischen Bürgerkriegs beträchtliche Kampferfahrung gesammelt hat, sind Raisi und Salami optimistisch, was den Einfluss und die Macht dieser Stellvertretergruppe angeht. Zusammen mit den anderen Terrororganisationen, die Israel zerstören wollen, so glauben die Führer, könne eine Mehrfachfront eröffnet werden, an der auf palästinensischer Seite die Hamas, der PIJ und die Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) beteiligt sind, um so Israels Sicherheitsapparate zu überfordern und erdrücken.

Der Bericht spricht zwei wichtige Punkte an, aus denen israelische Politiker und Sicherheitsbehörden ihre Konsequenzen ziehen müssen:

  1. Das wachsende Potenzial iranischer konventioneller Fähigkeiten und
  2. die erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass der Iran versuchen wird, die politische Spaltung Israels auszunutzen, während der jüdische Staat auf eine weitere Parlamentswahl im November zugeht.

Die sich abzeichnende Wiederbelebung des iranischen Atomabkommens von 2015 würde Milliarden in die iranische Wirtschaft spülen. Angesichts der Eile europäischer Diplomaten bei der Ausarbeitung eines endgültigen Entwurfs erscheint die Möglichkeit eines Wiedereintritts des Irans in die internationale Gemeinschaft sehr plausibel und die damit einhergehende Aufhebung der Sanktionen könnte dem größten Exporteur des internationalen Terrorismus Milliarden einbringen.

Meister der asymmetrischen Kriegsführung

Auf die Frage nach einer möglichen Aufhebung der Sanktionen sagte Sean Durns, leitender Forschungsanalyst des Committee for Accuracy in Middle East Reporting and Analysis (CAMERA), das Abkommen würde »dem weltweit führenden staatlichen Sponsor des Terrors einen Geldregen bescheren«.

»Die Islamische Republik wird dieses Geld nutzen, um weiterhin Krieg gegen die Verbündeten der USA in der Region zu führen, vor allem, aber keineswegs ausschließlich, gegen Israel. Jerusalems Sicherheitsprobleme werden sich verschärfen und ausweiten – und das nicht nur weil Teheran in Geld schwimmt. Indem Washington signalisiert, dass es die Bedenken seiner Verbündeten ignoriert und seine Feinde unterstützt, wird es sowohl die Abschreckung als auch sein eigenes regionales Ansehen weiter untergraben.«

Da nach der Aufhebung der gegen den Ölexport verhängten Sanktionen zusätzliche Milliarden zu verdienen sind, könnte Teheran seinen Einfluss in der Region erheblich ausbauen und damit die Mittel für die Umsetzung der in dem Bericht dargelegten Strategien erhalten. Ein größerer iranischer Einfluss in der Region dürfte Teherans Fähigkeit stärken, die Voraussetzungen für einen Mehrfrontenkrieg gegen Israel zu schaffen, der eine Schlüsselkomponente der iranischen Strategie ist.

»Teheran zeichnet sich durch eine asymmetrische Kriegsführung aus. Auf konventionellem Weg hat es nicht die geringste Chance, Israel im Kampf zu besiegen, aber durch den Einsatz von Stellvertretern, von denen sich viele hinter menschlichen Schutzschilden verstecken, hofft die Islamische Republik, ihre Bemühungen zur Zerstörung des jüdischen Staates fortsetzen und ausweiten zu können.«

Durns zufolge ist das Regime auch bestrebt, seinen »imperialen Besitz« auszuweiten, indem es seine Stellvertretern hilft, die Macht im Westjordanland zu übernehmen. Der iranische Bericht beschreibt das politische Klima und den Sicherheitsapparat Israels als instabil und führt dies auf einen »Mangel an Identität und Nationalismus innerhalb des zionistischen Regimes« zurück – eine angenommene Schwäche, die sich die Terrorgruppen zunutze zu machen hoffen. Dabei böten die bevorstehenden Wahlen in Israel im November dem Iran die Gelegenheit, die Spannungen zwischen Israelis und Palästinensern zu schüren und zu eskalieren, so Durns.

»Regime wie der Iran sind immer bestrebt, Risse, Spaltungen und Phasen der inneren Verwundbarkeit auszunutzen. Es ist durchaus möglich, dass der Iran die bevorstehende Wahl als Chance sieht. Die [von 5. bis 7. August dauernde] Operation Breaking Dawn hat allerdings auch die Abschreckung wiederhergestellt und Teheran unmissverständlich signalisiert, dass Israel, unabhängig von der Regierungspartei, zuschlägt, wenn seine Interessen bedroht sind.«

In ähnlicher Weise analysiert der Geschäftsführer des Middle East Center for Reporting and Analysis, Seth Frantzman, den strategischen Einsatz des PIJ durch den Iran. Der Druck aus Teheran, so Frantzman, ermögliche es dem PIJ, bewaffnete Konflikte gegen Israel zu führen, die »die Hamas dazu zwingen, sich mit ihm [dem PIJ] zu vereinigen, weil sie ihr Gesicht nicht verlieren will«. Laut Frantzman »vertritt der Iran eine Doktrin«, bei der es darauf hofft, dass Israel und seine Bevölkerung durch endlose regionale Konflikte erheblich aufgerieben werden könnten.

Der Artikel erschien auf Englisch beim Jewish News Syndicate. (Übersetzung von Alexander Gruber.)

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