Palästinensische Autonomiebehörde beendet Sicherheitskoordination mit Israel

Mahmud Abbas deutet - mal wieder - das Ende der Sicherheitszusammenarbeit mit Israel an
Mahmud Abbas deutet - mal wieder - das Ende der Sicherheitszusammenarbeit mit Israel an (© Imago Images / NurPhoto)

Mit seiner Entscheidung, die Sicherheitszusammenarbeit einzustellen, spielt Palästinenserführer Mahmoud Abbas mit dem Feuer.

Yoni Ben Menachem

Eines der Hauptthemen des aktuellen Besuchs des US-Außenministers Antony Blinken, der am Montag in Israel eingetroffen ist, wo er mit dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu und dem Vorsitzenden der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA), Mahmoud Abbas, zusammentraf, war die von der Palästinensischen Autonomiebehörde angedeutete Beendigung ihrer Sicherheitszusammenarbeit mit Israel. 

Abbas gab diese Entscheidung nur vage bekannt, sodass die Möglichkeit einer ebenso subtilen Zurücknahme besteht. Sein Sprecher, Nabil Abu Rudeineh, erklärte, die Sicherheitskoordination existiere ab sofort nicht mehr, verzichtete aber auf die ausdrückliche Formulierung, die Palästinensische Autonomiebehörde hätte sie aufgekündigt.

Alles nur Show

Vor Ort behaupteten PA-Vertreter, die regelmäßigen Treffen zwischen den Befehlshabern der israelischen und palästinensischen Sicherheitskräfte seien eingestellt worden, aber beide Seiten sind sich darüber im Klaren, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis die Kontakte wieder aufgenommen werden.

Abbas‘ Autonomiebehörde versucht, der palästinensischen Öffentlichkeit weiszumachen, die Sicherheitszusammenarbeit sei die Achillesferse des israelischen Sicherheitsapparats, die, werde sie eingestellt, die israelische Sicherheit ernsthaft beeinträchtigen würde – was jedoch nicht der Fall ist.

Es stimmt, dass die Sicherheitskoordination mit der Palästinensischen Autonomiebehörde Israel bei der Bekämpfung des Terrorismus im Westjordanland hilft. Doch zugleich hat sich Israel seit der Etablierung dieser Zusammenarbeit in den Osloer Verträgen in diesem Bereich nur auf sich selbst verlassen – nicht zuletzt aufgrund der »Drehtür«-Politik von Jassir Arafat erlebt, der Terroristen verhaftete und sie sofort wieder freiließ. Abbas ist in dieser Hinsicht zwar anders als Arafat, aber die israelischen Regierungen haben dennoch gelernt, letztlich nur dem israelischen Geheimdienst zu vertrauen.

Die israelischen Sicherheitsbehörden leisten hervorragende Arbeit im Kampf gegen den Terrorismus, unabhängig von der Sicherheitskoordinierung mit der Palästinensischen Autonomiebehörde, die mehr als Israel verlieren wird, wenn sie die Zusammenarbeit einstellt, die sie hauptsächlich aufrechterhält, um die Fortsetzung von Abbas‘ Herrschaft zu gewährleisten. 

Auch in Bezug auf die Sicherheit der Bewegungen von Abbas in und aus der Westbank ist die PA stark von Israel abhängig. Alle hochrangigen Funktionäre der Autonomiebehörde verfügen über VIP-Zertifikate, die es ihnen erlauben, die IDF-Kontrollpunkte zu passieren und nach Israel einzureisen, aber auch ins Ausland zu fahren.

Die palästinensische Polizei kann den Standort und den Einsatz ihrer Kräfte im Westjordanland nicht ohne Abstimmung mit den Israelischen Verteidigungskräften (IDF) ändern. Zehntausende Palästinenser, die in Israel arbeiten, können nicht ohne Genehmigung der Israel Security Agency (ISA) einreisen. Palästinensische Familien können sich nur mit Genehmigung der israelischen Sicherheitsbehörden in israelischen Krankenhäusern behandeln lassen, und die PA kann keine Lebensmittel und andere Güter ohne israelische Sicherheitsgenehmigung in ihr Gebiet einführen.

Darüber hinaus könnte die vollständige Einstellung der Sicherheitskoordination seitens der PA die Hamas im Westjordanland stärken – ein Ergebnis, an von dem sehr zweifelhaft ist, dass Abbas daran interessiert sein könnte.

Übereilter Schritt

Hochrangige Fatah-Vertreter gehen davon aus, dass Abbas die Sicherheitskoordination verlangsamen und auf ein niedrigeres Niveau herabstufen wird, um den Anschein zu erwecken, die Entscheidungen der palästinensischen Führung umzusetzen, aber er wird die Zusammenarbeit mit Israel nicht vollständig einstellen. Fatah-Funktionäre kritisieren Abbas bereits, dass sein Schritt übereilt war und der Palästinensischen Autonomiebehörde irreparablen Schaden zufügen wird.

Das Mitglied der Fatah-Führung Tawfik al-Tirawi, der ehemalige Leiter des palästinensischen Geheimdienstes, der die Sicherheitsaktivitäten mit der ISA koordiniert, warnte bereits im Februar 2022, die Einstellung der Sicherheitskoordination mit Israel könne zum Zusammenbruch der Palästinensischen Autonomiebehörde führen. Seit 2005 hat die ISA Abbas mindestens zweimal vor einem Attentat der Hamas bewahrt und eine Reihe von Anschlagsplänen der Hamas zum Sturz der Palästinensischen Autonomiebehörde aufgedeckt.

Mit seiner Entscheidung, die Sicherheitskoordination einzustellen, spielt Abbas mit dem Feuer. Er riskiert, in der Westbank einen Flächenbrand zu entfachen, der außer Kontrolle geraten und den Palästinensern eine neue Katastrophe bescheren würde, wie es in der zweiten Intifada der Fall war, als Jassir Arafat nach seinem Scheitern-Lassen des Gipfels von Camp David den Weg des Terrors wählte.

Im israelischen Sicherheitsapparat geht man davon aus, Abbas versuche mit seinem Manöver, Israel, die Vereinigten Staaten und Ägypten zu warnen, die Sicherheitslage sei aufgrund der israelischen Politik instabil geworden und sie für die Geschehnisse vor Ort verantwortlich seien. Abbas versucht auch, seine Position auf der palästinensischen Straße zu verbessern. Umfragen unter den Palästinensern zeigen, dass 70 Prozent der Palästinenser seinen sofortigen Rückzug von der politischen Bühne wünschen.

Jedoch glaubt auch die palästinensische Öffentlichkeit den Erklärungen der Palästinensischen Autonomiebehörde nicht und ist ebenfalls weitgehend davon überzeugt, die Einstellung der Sicherheitskoordinierung sei eine Show von Abbas‘ Behörde ist, die sich weiterhin heimlich mit dem israelischen Sicherheitsapparat abstimmt.

Yoni Ben Menachem, langjähriger Kommentator arabischer und diplomatischer Angelegenheiten für den israelischen Rundfunk und das Fernsehen, ist leitender Nahost-Analyst des Jerusalem Center for Public Affairs und war als Generaldirektor und Chefredakteur der israelischen Rundfunkbehörde tätig. (Der Artikel erschien auf Englisch beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)

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