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Die Zukunft der Gruppe Wagner 

Wie geht es nach Prigoschins Meuterei mit der Gruppe Wagner weiter?
Wie geht es nach Prigoschins Meuterei mit der Gruppe Wagner weiter? (© Imago Images / ITAR-TASS)

Nach der gescheiterten Meuterei von Söldnerführer Jewgeni Prigoschin droht der Gruppe Wagner das mögliche Aus.

Von 23. auf 24. Juni rückten Söldner der Gruppe Wagner von der Ukraine auf russisches Territorium vor und besetzten Militäreinrichtungen in der Stadt Rostow am Don. Von dort rollte der Militärkonvoi weiter auf die russische Hauptstadt zu.  Wie Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin verlautbarte, richtete sich die Meuterei gegen die russische Militärführung und deren Vorhaben, die Söldner der Gruppe Wagner in die regulären russischen Streitkräfte einzugliedern.

Doch der Aufstand von Prigoschin endete zweihundert Kilometer vor Moskau, als der Wagner-Chef plötzlich ankündigte, seine Soldaten zurück in ihre Feldlager zu schicken. Prigoschin ging daraufhin angeblich ins Exil nach Belarus. Was konkret Prigoschin zum Abbruch der Aktion bewogen hat und was möglicherweise zwischen ihm und Putin ausgehandelt wurde, ist derzeit unklar. 

»Putins Koch«

Der 62-jährige russische Geschäftsmann unterhielt lange Zeit ausgezeichnete Beziehungen zu Russlands Präsident Wladimir Putin. »Putins Koch« wird er oft genannt, weil er einst ein Restaurant in St. Petersburg betrieb, in dem Putin zu speisen pflegte. Doch Prigoschin ist weit mehr als nur Gastronom. Neben einer Cateringfirma, die staatliche Einrichtungen versorgt, besitzt er Medienunternehmen und sogenannte Trollfabriken, die soziale Medien mit Desinformationen im Sinne Russlands durchseuchen.

2014 gründete Prigoschin gemeinsam mit dem ehemaligen russischen Armeeoffizier Dmitri Utkin das private Militärunternehmen Gruppe Wagner. Wagner fungierte als inoffizieller Arm des russischen Verteidigungsministeriums, das die Söldner in den Nahen Osten und nach Afrika entsandte, wo sie an der Seite von Russlands Verbündeten kämpften. Diese Privatarmee soll nun zerschlagen werden. Wie es mit den Auslandsoperationen der Wagner-Gruppe weitergehen wird, ist unklar

Gold, Diamanten, Tropenholz

Bei ihren Einsätzen im Nahen Osten und in Afrika unterstützte die Schattenarmee des Kremls über Jahre hinweg Regime, die dem Westen skeptisch oder feindlich gegenüberstehen, wie jene in LibyenSyrien oder Mali. Doch die Aktivitäten der Söldner in den (Bürger-)Kriegsgebieten gehen weit über Kampfeinsätze, Ausbildung von Soldaten, Propagandaarbeit oder Bewachung von Präsidenten hinaus. Unter der Führung von Wagner-Chef Prigoschin gründete die Gruppe zahlreiche Tarn- und Subfirmen, über die sie Rohstoffe abbauen lässt. 

So sicherte sich die russische Firma M-Invest noch während der Herrschaft des mittlerweile gestürzten Diktators Omar al-Baschir Lizenzen zum Goldabbau im Sudan. An dieser Firma ist Prigoschin beteiligt, ebenso wie am Unternehmen Diamville, das Diamanten aus der Zentralafrikanischen Republik in die Vereinigten Arabischen Emirate und nach Europa liefert. Beide Firmen wurden mittlerweile vom US-Finanzministerium mit Sanktionen belegt.

Die Ausbeutung afrikanischer Rohstoffe wie Gold, Diamanten und Tropenholz durch Firmengeflechte der Gruppe Wagner ist für Moskau wichtig, um die russische Wirtschaft am Leben zu erhalten. Moskau braucht Wagner aber auch, um Russlands Einfluss in diesen unruhigen Gebieten auf Kosten des Westens auszuweiten, ohne offiziell Flagge zeigen zu müssen und die (politischen) Kosten im Falle eines Scheiterns von Operationen niedrig zu halten.

Wagner im Nahen Osten 

In Libyen kämpft die Wagner-Gruppe an der Seite von General Khalifa Haftar, den sie 2019 bei seiner Offensive gegen Tripolis unterstützte. Doch nachdem die Operation gescheitert war, wurde die Präsenz Wagners reduziert, um die Söldner stattdessen nach Mali und in die Ukraine zu schicken.

In Syrien ist Wagner neben regulären russischen Einheiten seit 2015 aktiv. Über zweitausend Wagner-Söldner sollen sich im Kriegsgebiet befinden. Neben Kampfeinsätzen wie die Rückeroberung Palmyras aus der Hand von IS-Truppen bewachen sie vor allem jene Öl-, Gas- und Phosphorfelder, die von russischen und serbischen Firmen ausgebeutet werden.

Kurz nach Beginn von Prigoschins Meuterei startete die russische Militärpolizei in Syrien eine Verhaftungskampagne gegen Wagner-Kommandeure. Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) hat die russische Armeeführung die Söldner vor die Wahl gestellt, Syrien entweder zu verlassen oder sich der russischen Armee anzuschließen.

Zukunft ungewiss

Noch am Tag des Wagner-Aufstands hat Moskau den Behörden in Syrien, der Zentralafrikanischen Republik, Mali und mehreren anderen Ländern mitgeteilt, dass der Kreml die Kontrolle über die Wagner-Söldner übernimmt und es auf ihrem Territorium zu keiner Eskalation kommen werde.

In Syrien, wo Russland offiziell präsent ist, sollte es für Moskau tatsächlich relativ einfach sein, die militärische und administrative Struktur der Gruppe Wagner zu ersetzen, etwa durch das private russische Sicherheitsunternehmen Redut-Antiterror, auch bekannt als Center R, oder den Kreml-nahen Oligarchen und Rohstoffhändler Nikolajewitsch Timtschenko, der Projekte von Prigoschin übernehmen könnte.

Wie es in Afrika weitergehen wird, ist derzeit noch unklar. Prigoschin, der über ein weit verzweigtes wirtschaftliches und militärisches Netzwerk verfügt, könnte unabhängig von Russland seine Geschäfte weiterführen. Allerdings müsste er dann auf die logistische Unterstützung des russischen Verteidigungsministeriums verzichten, auf die er bisher zählen konnte.

Denkbar wäre auch, dass Moskau, ähnlich wie in Syrien, Ersatz für Prigoschin findet und die Wagner-Söldner in ein anderes privates Sicherheitsunternehmen eingliedert. Möglicherweise wird die Kooperation noch eine Weile fortgesetzt, während Prigoschin irgendwann vor der Wahl stehen wird, entweder endgültig in die Opposition zu gehen oder sich langfristig mit dem Kreml zu arrangieren. 

Fest steht, dass Afrika politisch und wirtschaftlich für Moskau derzeit zu wichtig ist, um sich vom Kontinent zurückzuziehen. Die bisher von der Gruppe Wagner geführten Einsätze und wirtschaftlichen Aktivitäten werden daher fortgesetzt werden, in welcher Form auch immer.

Literaturtipp

Dreiteilige Rezension eines Buches über die Gruppe Wagner von Martina Paul:

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