Erweiterte Suche

Wer provoziert laut ARD wohl auf dem Tempelberg?

Musliminnen auf dem Jerusalemer Tempelberg beim Tarawih-Gebet zum Beginn des Ramadan
Musliminnen auf dem Jerusalemer Tempelberg beim Tarawih-Gebet zum Beginn des Ramadan (© Imago Images / Xinhua)

Die deutschen öffentlich-rechtlichen Nachrichten fachen den arabisch-israelischen Konflikt an, indem sie gefährliche Falschinformationen über den Zugang zum Jerusalemer Tempelberg verbreiten. Fälschlich verbreiten sie, dass während des kommenden Ramadan nur noch Juden den Berg besuchen dürften, auf dem die Al-Aqsa-Moschee und der Felsendom stehen.

Ausgerechnet kurz vor dem muslimischen Fastenmonat Ramadan, der von palästinensischen Terrororganisationen wie der Hamas in den letzten Jahren regelmäßig dazu missbraucht wurde, um auf dem Tempelberg in Jerusalem gewaltsame Ausschreitungen zu starten und Steine und Feuerwerkskörper auf die Betenden an der unterhalb des Tempelbergs gelegenen Westmauer (Klagemauer) zu werfen, war am Mittwoch auf tagesschau.de eine brandgefährliche Falschinformation über den Zugang zum Jerusalemer Tempelberg zu lesen. Jan-Christoph Kitzler vom Bayerischen Rundfunk (BR), der für die ARD aus Israel berichtet, hatte geschrieben:

»Wenn alles normal läuft, dann wird Haram al-Sharif, der Tempelberg, in den letzten zehn Tagen des Ramadan für nicht-jüdische (sic!) Besucher komplett gesperrt.«

Richtig ist: Es sind Juden, Christen und andere Nichtmuslime, die den Tempelberg dann nicht mehr besuchen dürfen. Wie kann einem Israel-Korrespondenten ein solch haarsträubender Fehler unterlaufen? Der Beitrag wurde vormittags um halb elf Uhr online gestellt und stand dort mindestens bis weit in den Nachmittag hinein unverändert. Irgendwann machte offenbar jemand die Redaktion auf den Fehler aufmerksam gemacht. Nun ist dort folgende Richtigstellung zu lesen:

»Anm. der Red.: In einer früheren Version dieses Berichts hieß es, der Tempelberg werde voraussichtlich in den letzten zehn Tagen des Ramadan für nicht-jüdische Besucher komplett gesperrt. Richtig ist, dass der Tempelberg für nicht-muslimische Besucher komplett gesperrt werden soll. Wir haben die Passage korrigiert.«

Eine Entschuldigung wäre angezeigt gewesen. Wer auf einem Portal mit einer so hohen Reichweite über ein so sensibles Thema berichtet, der darf nicht leichtfertig Falschinformationen in die Welt setzen, die dann auch noch vom gleichen Typ sind wie die Verleumdungen, die von islamistischen Brandstiftern verwendet werden. Seit Jahren organisieren palästinensische Terrorgruppen wie die Hamas am Tempelberg geplante Gewaltexzesse, bei denen immer wieder zahlreiche Menschen verletzt werden. Der Kriegsruf ist seit hundert Jahren der gleiche: »Al-Aqsa in Gefahr«: Juden, so heißt, wollten die Al-Aqsa-Moschee zerstören und den Tempelberg für sich haben.

Diese Propaganda kostet Menschenleben. Wenn man sich die Kommentare in arabischen Zeitungen, Websites und auf Facebook anschaut, findet man Belege im Überfluss für die Verbindung zwischen den Al-Aqsa-Lügen und der Gewalt in Jerusalem und in Israel, die nicht selten in den Morden an Juden mündet. Wer wie die ARD das Gerücht in die Welt setzt, Nichtjuden würde der Zugang zu Al-Aqsa und dem Felsendom verboten, der bringt Menschen in Gefahr und befeuert ein antisemitisches Gerücht.

Tatsache ist: Für jüdische Besucher wird der Tempelberg – wie so oft – während der letzten zehn Tage des Ramadan gesperrt sein. Die Jerusalem Post hatte schon im Februar berichtet, Beamte des israelischen Verteidigungsministeriums hätten darum gebeten, »Juden während der letzten zehn Tage des Ramadan den Zutritt zum Tempelberg zu verweigern, wie dies in den vergangenen Jahren der Fall war«.

Da der Ramadan am Abend des 21. April endet und das jüdische Pessachfest vom 5. bis zum 13. April geht, bedeutet das zehntägige Zugangsverbot, dass Juden während der letzten beiden Tage des Pessachfestes — des Befreiungsfestes, bei dem des Auszugs aus der ägyptischen Knechtschaft gedacht wird — ihr wichtigstes Heiligtum nicht betreten dürfen. Die Juden erlegen sich selbst diesen Nachteil auf, damit Terroristen wie die der Hamas die Präsenz jüdischer Besucher nicht dazu nutzen können, Anschläge auf diese zu verüben, die ein Eingreifen der israelischen Polizei nötig machen würden – was die Terroristen dann wiederum propagandistisch für weitere Aufrufe zur Gewalt ausschlachten würden.

Schikanen für nicht-muslimische Besucher

Die Nachricht, die der ARD-Korrespondent hätte herausstellen sollen, lautet: Die Juden geben nach und setzen sich selbst in den Nachteil, um des Friedens willen. Wie gehabt. Während muslimische Besucher den Tempelberg über zehn verschiedene Tore betreten können, gibt es für Juden, Christen und andere Nichtmuslime nur einen einzigen Zugang, die hölzerne Mughrabi-Brücke. Die Besuchszeiten für Nichtmuslime sind vielfach beschränkt: Ohnehin dürfen sie den Tempelberg nur an den Wochentagen von Sonntag bis Donnerstag besuchen und nur außerhalb der muslimischen Gebetszeiten. Das sind lediglich vier bis fünf Stunden am Tag. 

Und das auch nur in der Theorie. In der Praxis wird der Zugang für Nichtmuslime immer wieder ohne Vorankündigung untersagt, wenn es »Spannungen« gibt. Am Mughrabi-Tor angekommen, finden sich die nichtmuslimischen Besucher in einer Situation wie an einem Flughafen wieder. In einer Warteschlange warten sie darauf, einen Metalldetektor zu passieren. Etwaig mitgebrachte Taschen werden mit einem Röntgengerät durchleuchtet. Religiöse Gegenstände jeglicher Art dürfen nicht mitgeführt werden, selbst ein Gesangbuch nicht. 

Nichtjüdische Besucher können auf dem Plateau zwischen der Al-Aqsa-Moschee und dem Felsendom herumspazieren und sich die Gebäude von außen ansehen. Benutzt ein Reiseführer das Wort »Tempelberg« und hört dies einer der Aufseher der jordanischen Religionsstiftung Waqf, der die Verwaltung des Plateaus obliegt, kann es vorkommen, dass die gesamte Gruppe unter den Worten »Redet keinen Bullshit« den Tempelberg verlassen muss, wie Filmaufnahmen zeigen.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Da ergeht es ihnen immer noch besser als Besuchern, die aufgrund ihrer Kleidung als jüdisch zu erkennen sind: Auf sie warten bei ihrer Ankunft Gruppen von Frauen, deren Job es ist, während der Besuchszeiten von Nichtmuslimen dort herumzusitzen. Die Frauen, die als Murabitat (»die Standhaften«) gepriesen werden, haben nur eine Mission: die Schikane jüdischer Besucher. Zeigt sich eine Gruppe von Juden, bedrängen und beschimpfen sie diese, rufen »Allahu Akbar«, manchmal spucken sie. 

Die Besuche, die in Absprache mit der Jerusalemer Polizei stattfinden, werden von der Palästinensischen Autonomiebehörde und Jordanien als Versuche bezeichnet, die Al-Aqsa-Moschee zu »stürmen«. Jüdische Besucher werden stets als »Siedler« bezeichnet. Schon einige Male kam es vor, dass Palästinenser jüdische Besucher – sogar Kinder – mit Schuhen beworfen haben. Die Murabitat bekommen ein Gehalt, heißt es. Ihre Wut ist Schauspiel. Wenn sie nach getaner »Arbeit« ruhig plaudernd nach Hause gehen, sieht man ihnen nichts mehr an von dem religiösen Eifer, der sie kurz zuvor scheinbar gepackt hatte. Das hat der Verfasser selbst beobachtet.

Wir reden hier, wohlgemerkt, immer noch von den »friedlichen« Tagen. Ausschreitungen sehen anders aus. An Tagen, an denen die Hamas und andere Terrorgruppen Randale planen, werden schon vorher tonnenweise Steine und Feuerwerkskörper in die Al-Aqsa-Moschee getragen, um Juden und israelische Polizisten angreifen zu können. Die selbsternannten »Verteidiger« von Al-Aqsa entweihen die Moschee mit ihren Straßenschuhen, wie Fotos beweisen. Auch ihre Gewalt und der Missbrauch der Moschee als Arsenal für Steine und andere Waffen, die Menschen verletzen sollen, ist alles andere als fromm.

Wer provoziert?

BR-Korrespondent Jan-Christoph Kitzler malt ein anderes Bild. In seinem Beitrag auf tagesschau.de werden ausschließlich Juden mit »Provokation« in Verbindung gebracht. Ein Mann namens Omar Youssef, der als »Stadtplaner und Fachmann für Jerusalem« vorgestellt wird, »befürchtet« laut Kitzler »turbulente Wochen, vor allem rund um das wichtige Freitagsgebet«: Die Al-Aksa-Moschee werde voll sein, so der ARD-Bericht, »die Leute draußen beten«. Kitzler zitiert seinen Fachmann mit den Worten:

»Und es ist so eine spirituelle Stimmung. Und wenn jetzt die israelischen Provokationen anfangen – man weiß nicht, was mit diesen Massen passiert. Und das ist das Gefährliche.«

Der Fachmann rechnet also offenbar mit Ausschreitungen nach dem Freitagsgebet: Das, was Gläubige nach dem Beten während des heiligen Monats eben so tun, nicht wahr? Daran werden natürlich »israelische Provokationen« schuld sein. Und das, obwohl Freitags nicht mal ein einziger Jude den Berg betreten darf. Die ARD bietet der Hamas-Propaganda eine Bühne.

Mit »Provokationen«, erfährt der Leser dann, »meint Youssef mögliche Sicherheitsbeschränkungen«. Wegen der vielen erwarteten Pilger würden nämlich »rund 2000 zusätzliche Sicherheitskräfte in und um die Altstadt von Jerusalem ihren Dienst tun«. Wenn das eine »Provokation«, sprich: Einladung zur Gewalt, sein soll, sagt das wohl einiges über die radikalen Ansichten des von Kitzler befragten »Fachmanns«. Gern wüsste man mehr über dessen Hintergrund.

Das Problem, erklärt nun Kitzler, seien »immer größere Besucherströme«. »Kamen vor zehn Jahren noch vier Millionen im Jahr, sind es inzwischen zwölf Millionen.« Für das Hauptproblem hält er die Juden:

»Immer mehr gläubige Juden wollen auch auf den Tempelberg. Vor allem Extremisten haben dort immer wieder provoziert«.

Hier zitiert der ARD-Mann Shmuel Rabinovitch, den für die Klagemauer zuständigen Rabbiner. Rabinovitch wendet sich in einer von Kitzler zitierten Äußerung gegen »Extremisten« ungenannter Provenienz: »Wir können keiner extremistischen Gruppe erlauben, die Dinge in die Hand zu nehmen. Wir müssen die Führer auf beiden Seiten auffordern, Ruhe zu bewahren. Das ist ein Problem auf der ganzen Welt. Extremisten wollen Feuer legen. Und das ist für die Gemeinschaft nicht gut. Wir dürfen das nicht zulassen.«

Daran ist nichts auszusetzen. Das Perfide: Indem der BR-Korrespondent den Satz »immer mehr gläubige Juden wollen auch auf den Tempelberg« direkt mit den »Extremisten« in Zusammenhang bringt, die dort »immer wieder provoziert« hätten, lässt er es so klingen, als wären es Juden, die immer wieder Steine und Feuerwerkskörper auf den Tempelberg tragen, um damit Menschen anzugreifen — und somit auch den heiligen Ort zu schänden. Über diese Gewalt palästinensischer Terroristen, die in den letzten Jahren gerade an Ramadan großflächig und geplant verübt wurde, verliert Kitzler kein einziges Wort. Auch nicht darüber, dass christliche Besucher auf Anordnung der jordanischen Waqf seit kurzem stigmatisierende und demütigende gelbe Kopfbedeckungen tragen müssen.

Nein, für Jan-Christoph Kitzler vom ARD-Studio Tel Aviv ist weder die Demütigung von nichtmuslimischen Besuchern ein Problem noch die Gewalt, die gegen Juden verübt wird. Daran, dass es »Sorge um die Sicherheit der heiligen Stätte« gibt — so die Überschrift des ARD-Beitrags — können nur die Juden selbst und ihre »Provokationen« schuld sein. 

Als wenn man nicht wüsste, dass für den Antisemiten die bloße Existenz von Juden eine »Provokation« ist. Dass Kitzler dann noch behauptete, am Ramadan werde der Tempelberg »für nicht-jüdische Besucher komplett gesperrt« – also zehn Tage lang exklusiv Juden vorbehalten sein –, das passte zu gut zu dem Tenor seines Beitrags, um ein unschuldiger Irrtum zu sein. Ein Irrtum? Ja. Unschuldig? Nein. 

Freudscher Verschreiber

Eher eine Art Freudscher Verschreiber. Denn aus Sicht der ARD nehmen Juden sich auf dem Tempelberg immer wieder Dinge heraus, die ihnen angeblich nicht zustehen. Dazu gehört für die öffentlich-rechtliche Anstalt schon bloßes Bertreten. Als das israelische Kabinettsmitglied Ben-Gvir Anfang Januar den Tempelberg besuchte, sagte ARD-Korrespondentin Sophie von der Tann, diesen Besuch könne man »als Provokation werten«. Überschrift des Beitrags auf tagesschau.de: »Provokation am Tempelberg«. Da war sie wieder, die »Provokation« eines Juden.

Dann verbreitete von der Tann die antisemitische Legende, die von Yassir Arafat lange geplante und im September 2000 gestartete Mordwelle, der tausend Israelis zum Opfer fielen, die »Al-Aqsa-Intifada«, sei ebenfalls das Ergebnis jüdischer Übertretungen gewesen:

»Was für dramatische Konsequenzen der Besuch eines Politikers auf dem Tempelberg haben kann, hat man 2000 gesehen, als Sharon, damals Oppositionsführer, den Tempelberg besuchte und danach die zweite Intifada, also der palästinensische Volksaufstand, begann.«

In dem gedruckten Text zu Ben-Gvirs Besuch auf dem Tempelberg schrieb tagesschau.de gar:

»Die Gefahr eines Volksaufstandes der Palästinenser gegen Israel ist durchaus realistisch. Das zeigt ein Rückblick ins Jahr 2000. Damals marschierte der damalige Oppositionsführer Ariel Sharon auf den Tempelberg und löste die zweite Intifada aus – mit Tausenden Toten über fünf Jahre.«

Dass die ARD Massaker an unschuldigen Zivilisten wie das im Parkhotel, in der Diskothek Delphinarium oder in der Pizzeria Sbarro als »Volksaufstand« adelt, wäre Thema für einen eigenen Beitrag. Hier soll es um etwas anderes gehen: Juden haben aus Sicht der gebührenfinanzierten Sendeanstalt auf dem Tempelberg nichts verloren. Besucht ein Jude das höchste jüdische Heiligtum, kann das nämlich laut der ARD schnell zu »Tausenden Toten« führen. Dass die ARD hier dschihadistisches Gedankengut übernimmt, wurde noch einmal sehr deutlich, als die Tagesschau-Moderatorin an Sophie von der Tann gerichtet den Gang des israelischen Ministers auf den Tempelberg mit den Worten kommentierte:

»Nun ist das ja eine klare Provokation in Richtung Palästinenser. So sieht es z.B. die Hamas.«

Der erste Teil der Aussage aber stammte von der ARD-Moderatorin selbst, war keine indirekte Rede im Konjunktiv. Richtig also ist: So sehen es die Hamas und die ARD.

Twitter

Mit dem Laden des Tweets akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Twitter.
Mehr erfahren

Inhalt laden

Bleiben Sie informiert!
Mit unserem wöchentlichen Newsletter erhalten Sie alle aktuellen Analysen und Kommentare unserer Experten und Autoren sowie ein Editorial des Herausgebers.

Zeigen Sie bitte Ihre Wertschätzung. Spenden Sie jetzt mit Bank oder Kreditkarte oder direkt über Ihren PayPal Account. 

Mehr zu den Themen

Das könnte Sie auch interessieren

Wir sprechen Tachles!

Abonnieren Sie unseren Newsletter und erhalten Sie einen unabhängigen Blickzu den Geschehnissen im Nahen Osten.
Bonus: Wöchentliches Editorial unseres Herausgebers!

Nur einmal wöchentlich. Versprochen!