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Wochenbericht, 22.9. bis 28.9.2014

In dieser Ausgabe:

I. Allgemeiner Überblick
II. Der „Islamische Staat“ und der Atomstreit: Rohani vor den Vereinten Nationen
III. Der Iran und der islamistische Terror im Irak und in Syrien

I. Allgemeiner Überblick

In der vergangenen Woche erschienen in den von MENA systematisch ausgewerteten österreichischen Tageszeitungen 419 Beiträge (zuletzt: 326) mit Bezügen zum Nahen Osten und zu Nordafrika:

Wochenbericht, 22.9. bis 28.9.2014

Folgende Länder wurden in der Berichterstattung am häufigsten erwähnt:

Wochenbericht, 22.9. bis 28.9.2014

In den insgesamt 189 relevanten Beiträgen (zuletzt: 140) der wichtigsten Radio- und Fernsehnachrichtensendungen des ORF wurde folgenden Ländern am meisten Aufmerksamkeit geschenkt:

Wochenbericht, 22.9. bis 28.9.2014

II. Der „Islamische Staat“ und der Atomstreit: Rohani vor den Vereinten Nationen

Wie schon im vergangenen Jahr war der iranische Präsident Hassan Rohani auch heuer so etwas wie der inoffizielle Stargast der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York. Ganz im Sinne der Charmeoffensive, mit der Rohani seit seinem Amtsantritt vor einem Jahr das Image der iranischen Diktatur zu verbessern versucht, war der Präsident auch diesmal bemüht, „sich und seine Islamische Republik von der freundlich lächelnden und konstruktiven Seite zu zeigen.“ (Presse, 26. Sept. 2014) Groß scheint noch immer das Aufatmen darüber, dass die „antisemitische(n) Hetzreden“ und „Hasstiraden“, die zu Zeiten von Rohanis Vorgänger Mahmud Ahmadinedschad noch „fixer Bestandteil“ der UN-Generalversammlung waren, der Vergangenheit angehören. Stets seien sie ein „unerfreulicher Höhepunkt“ gewesen, der „die Gräben zwischen dem Iran und den westlichen Staaten jedes Mal fühlbar werden“ ließ. Jetzt, da sich der Iran mit einem „lächelnden, milden Gesicht“ zeige, seien diese Zeiten vorbei. (Standard, 26. Sept. 2014)

In seiner Rede vor den Vereinten Nationen gab Rohani den „Mahner und Prediger“, der dem Westen eine Kooperation im Kampf gegen die Gruppe „Islamischer Staat“ (IS) anbot. Der Westen und der Iran hätten in dieser „mörderischen Bande“, die das „Feuer des Extremismus und Radikalismus“ verbreite, einen gemeinsamen Feind. So wie die Extremisten sich zusammengetan hätten, um die „Zerstörung der Zivilisation“ zu betreiben, müsse sich die Welt nun vereinen, um sie zu bekämpfen. (Presse, 26. Sept. 2014)

Neben dem IS war der Atomstreit das zweite große Thema in Rohanis Rede. Er hoffe, dass bis November ein Abkommen ausgehandelt werden könne, mit dem das Problem gelöst werde. „Ein Erfolg bei den Verhandlungen könne zu einer neuen multilateralen Zusammenarbeit führen und für Stabilität im Nahen Osten sorgen, sagte Rohani – und stellte so die Verbindung zwischen dem Atomstreit und dem Kampf gegen den Extremismus her.“ Ein Abkommen mit dem Westen sei eine „historische Gelegenheit“, um zu zeigen, dass man Probleme durch Respekt und Kooperation lösen könne. (Standard, 26. Sept. 2014)

Gerade beim Thema Atomstreit, bemerkte der Kurier, sei deutlich geworden, wieviel sich binnen eines Jahres, seit der letzten UN-Generalversammlung verändert habe. Stand das iranische „Atomwaffenprogramm“ damals noch im Zentrum der UN-Ansprache von US-Präsident Obama, so erschien dieses heuer nur mehr wie ein „nebensächliche(s) Problem. Gerade einmal eine kurze Erwähnung war das Thema dem Präsidenten wert.“ Hier sei nicht weniger zu bemerken, als eine „völlige Umkehrung aller politischen Realitäten im Hinblick auf den Iran.“ (Kurier, 25. Sept. 2014)

Die von iranischer Seite bekundete Kompromissbereitschaft im Atomstreit und der Wille zur Zusammenarbeit im Kampf gegen den IS sollten freilich nicht darüber hinweg täuschen, dass die Gräben zwischen dem Iran und dem Westen unter einem Präsidenten Rohani zwar vielleicht weniger „fühlbar“ sein mögen als früher, in Wahrheit aber keineswegs verschwunden sind. Im Atomstreit hat sich trotz aller iranischen Beteuerungen, niemals Atomwaffen anzustreben, nichts Wesentliches geändert: Nach wie vor betreibt der Iran ein Atomprogramm, an dessen militärischen Zwecken es kaum ernsthafte Zweifel gibt. Der im vergangenen November in Genf beschlossene Interimsdeal beinhaltet keine Einschränkungen des iranischen Atomprograms, die nicht binnen weniger Wochen wieder rückgängig gemacht werden könnten. (Sehen Sie dazu das MENA-Dossier „Nuklearer Iran. Die Gefahr eines faulen Deals und die Illusion möglicher Abschreckung“.) In den seit damals geführten Verhandlungen gibt es keine nennenswerten Erfolge; die jüngsten Gespräche am Rande der UN-Generalversammlung in New York wurden dem französischen Außenministers Laurent Fabius zufolge wegen „fehlender Fortschritte“ vertagt. (Standard, 27./28. Sept. 2014) Einer Lösung des Atomstreits steht aus iranischer Sicht nicht etwa im Wege, dass das iranische Regime seit über zehn Jahren konsequent auf Täuschen, Verzögern und simple Lügen setzt. Nicht der Iran habe etwas zu erbringen, sondern der Rest der Welt: Eine Einigung sei möglich, wenn der Westen seine „verrückte Iranophobie“ ablege, wie Präsident Rohani in New York zu Protokoll gab. (Kurier, 26. Sept. 2014)

Die vom Standard konstatierte Verknüpfung des Atomstreits mit dem Kampf gegen den IS stellt sich für die iranische Führung so dar, dass sie für ihre Kooperationsbereitschaft im Irak und in Syrien Konzessionen im Atomstreit verlangt. Der Iran sei ein „sehr einflussreiches Land in der Region“ und könne „im Kampf gegen IS helfen”, heiße es aus Regimekreisen in Teheran – und diese Hilfe wolle man sich gewissermaßen abkaufen lassen. „Man gibt etwas, man bekommt etwas.“ (Presse, 22. Sept. 2014) Der „erzwungene Schulterschluss“ des Westens mit dem Iran bei der Bekämpfung des IS „sollte auch den raschen Abschluss der Atomgespräche fördern“, meinte Ernst Trost in der Kronen Zeitung (27. Sept. 2014), verfehlte aber den entscheidenden Punkt: Einen raschen Abschluss der Atomverhandlungen hält der Iran für möglich, weil er glaubt, mit dem IS ein Druckmittel in der Hand zu haben, das zu einem weitgehenden westlichen Einknicken führen wird. Allem Gerede vom gemeinsamen Kampf gegen den Terror zum Trotz behandelt der Iran den IS somit wie ein Faustpfand, mit dem er Druck auf den Westen ausüben zu können glaubt. Gudrun Harrer brachte in einem Kommentar im Standard die Logik auf den Punkt: Der Iran scheint zwar „im Moment den Bogen zu überspannen“, wenn er in den Atomverhandlungen Forderungen hinsichtlich seines Urananreicherungsprogramms erhebt, denen westliche Verhandler nicht nachgeben werden, doch könne es sich andererseits „der Westen jetzt nicht leisten, den Iran zu ‚verlieren‘.“ Deshalb gehe es bei den Atomgesprächen jetzt nicht mehr um „hopp oder dropp“, sondern es werde „nach Konstruktionen gesucht, die den Jetztzustand – eine ‚freiwillige‘ Beschränkung des Iran – auf längere Zeit einfrieren würden.“ (Standard, 27./28. Sept. 2014) Was Harrer nicht erwähnte: Einer solchen „Lösung“ würde das iranische Regime wenn überhaupt, so nur um den Preis einer vollständigen oder zumindest sehr weitgehenden Aufhebung der Wirtschaftssanktionen zustimmen. Das Ergebnis wäre nicht weniger als ein Triumph iranischer Entschlossenheit und eine Kapitulation der internationalen Gemeinschaft, denn ein „Einfrieren“ des iranischen Atomprogramms auf seinem Jetztzustand wäre genau die „Institutionalisierung der iranischen atomaren Bedrohung“, vor der die US-Ex-Außenminister Kissinger und Shultz nach Abschluss des Genfer Interimsabkommens gewarnt haben.
 

III. Der Iran und der islamistische Terror im Irak und in Syrien

Wie groß die Gräben zwischen dem Westen und dem iranischen Regime trotz aller Wohlfühl-Rhetorik sind, sollte in der vergangenen Woche auch an einem anderen Punkt deutlich geworden sein. Wie die SN berichteten, habe US-Präsident Obama den Hauptteil seiner UN-Rede der „Bedrohung durch religiös motivierten Extremismus im Nahen und Mittleren Osten“ gewidmet. (Salzburger Nachrichten, 25. Sept. 2014) Dabei hatte Obama natürlich den Terror des IS vor Augen, doch war bemerkenswert, dass er zum nach wie vor wichtigsten Zentrum von religiös motiviertem Extremismus im Nahen Osten so gut wie nichts zu sagen hatte. Denn so akut die Bedrohung durch den IS aktuell auch sein mag, über ihn lässt sich sinnvollerweise gar nicht sprechen, ohne auch in diesem Zusammenhang auf die verheerende Rolle des iranischen Regimes hinzuweisen.

Präsident Rohani machte in seiner UN-Rede den Westen für den Aufstieg des IS verantwortlich. Dessen „strategische Fehler“ hätten dazu geführt, dass sich der Nahe Osten, Zentralasien und der Kaukasus „in einen Rückzugsort für Terroristen verwandelt haben.“ (Standard, 26. Sept. 2014) Nicht ohne Grund bezeichnete Richard Herzinger in der Welt die Ausführungen Rohanis als an „zynischer Verdrehung der Wirklichkeit und Heuchelei bei der Selbstdarstellung einer vermeintlich durch und durch friedfertigen iranischen Politik“ kaum zu überbieten. Zuerst habe das iranische Regime „alles daran gesetzt, die Stabilität des Irak unter der US-Besatzung zu untergraben und zu diesem Zweck terroristische Umtriebe jeglicher Couleur gefördert.“ Dann habe es nach dem Abzug der Amerikaner den damaligen irakischen Premier Nuri al-Maliki unterstützt, dessen offen sektiererische Politik die sunnitische Bevölkerung des Landes ausgrenzte und in die Arme des IS getrieben habe. Und in Syrien sei der Iran seit dreieinhalb Jahren an dem Massaker beteiligt, dass das Assad-Regime an der eigenen Bevölkerung begehe. „Erst dadurch, dass das Assad-Regime die IS-Milizen gewähren ließ oder gar förderte, damit sie die syrischen Oppositionskräfte dezimierten, konnten sich diese explosionsartig ausbreiten.“ Darüber hinaus bildeten Antisemitismus und „Todfeindschaft gegen Israel“ den „konstitutiven weltanschaulichen Kern der Islamischen Republik“, die mit der Aufrüstung von Hamas und Hisbollah sowie durch sein Atomwaffenprogramm „seit vielen Jahren die Hauptquelle der Destabilisierung und Gewalteskalation im Nahen Osten“ sei. „Der IS ist nicht aus heiterem Himmel aufgetaucht, sondern ein extremes Symptom dieser wesentlich von Teheran betriebenen Zerrüttung der Region.“ Wer über all das hinwegsehe und im Sinne eines gemeinsamen Kampfes gegen den IS politische Zugeständnisse an Teheran machen wolle, begehe einen schweren strategischen Fehler, weil er der Logik des iranischen Regimes auf den Leim gehen würde: „Je mehr Chaos es in der Region stiftet, so dessen Kalkül, umso weniger angreifbar werde es selbst.“ Die Katastrophen im Irak und in Syrien sollten deshalb weniger Anlass dazu sein, eine Annäherung an das iranische Regime zu suchen, als im Gegenteil „dem Treiben Teherans einen Riegel vorzuschieben. Sonst bleibt eine neue Sicherheitsarchitektur für die Region unerreichbar.“

Die Rolle des iranischen Regimes tritt auch deutlich zutage, wenn man sich ein Detail der amerikanischen Luftschläge im Irak und in Syrien ansieht. In der New-York-Times-Beilage des Standard fand sich heute ein Artikel über Mushin al-Fadhli, den Führer einer Terrorgruppe namens Khorasan. Luftangriffe der USA in Syrien sollen sich in der vergangenen Woche gegen Stützpunkte dieser Organisation gerichtet haben, die von Vertretern der US-Regierung als akute und direkte Bedrohung betrachtet wird, weil sie Anschläge in westlichen Städten plane. Der gebürtige Kuwaiter al-Fahdli, der bei einem amerikanischen Luftangriff getötet worden sein soll, war einst ein enger Vertrauter Osama Bin-Ladens und soll eine der wenigen Personen gewesen sein, die bereits im Vorfeld über die Anschläge vom 11. September 2001 informiert worden waren. Und wo hatte sich al-Fadhli aufgehalten, bevor er nach Syrien gegangen war? „According to the State Department, Mr. Fahdli … had been living in Iran as part of a small group of Qaeda operatives who had fled to the country from Afghanistan after the September 11 attacks.“

2012 identifizierte das US-Außenministerium al-Fahdli als al-Qaida-Führer im Iran, der sowohl die Gelder als auch die Mitglieder der Organisation kontrollierte. Im Fahndungsaufruf des State Department ist zu lesen:

„Al-Qaida elements in Iran, led by al-Fadhli, are working to move fighters and money through Turkey to support al-Qaida-affiliated elements in Syria. Al-Fadhli also is leveraging his extensive network of Kuwaiti jihadist donors to send money to Syria via Turkey. Additionally, he has assisted al-Qaida in moving multiple operatives from Pakistan via Iran and Turkey to destinations in Europe, North Africa, and Syria, and is believed likely to continue moving experienced al-Qaida operatives to reinforce and gain influence in these areas.“

Während die USA bis zu sieben Millionen Dollar für Hinweise ausgesetzt hatten, die zur Ergreifung von al-Fahdli beitragen, ging dieser ungehindert, aber unzweifelhaft in vollem Wissen der allgegenwärtigen Sicherheitsdienste im Iran seiner „Arbeit“ nach, Geld und Terroristen der al-Qaida in alle Welt – und insbesondere nach Syrien – zu schicken. Derartige Geschichten sollte man sich vor Augen halten, wenn das nächste Mal Vertreter des iranischen Regimes den Westen anklagen, Rückzugsorte für Terroristen geschaffen zu haben.

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