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Wochenbericht, 17.3. bis 23.3.2014

In dieser Ausgabe:
I. Allgemeiner Überblick
II. Alles beim Alten: Israel schießt zuerst zurück
III. Kaum ein Thema: Abbas in Washington

I. Allgemeiner Überblick

In der vergangenen Woche erschienen in den von MENA systematisch ausgewerteten österreichischen Tageszeitungen 235 Beiträge mit Bezügen zum Nahen Osten und zu Nordafrika:

Wochenbericht, 17.3. bis 23.3.2014

Folgende Länder standen im Mittelpunkt der Berichterstattung:

Wochenbericht, 17.3. bis 23.3.2014

Die ungewöhnliche Anwesenheit von Katar in der Liste der fünf am häufigsten genannten Länder war im Wesentlichen auf den Beginn der neuen Saison der Motorrad-Weltmeisterschaft zurückzuführen, die am Wochenende in Doha ihren Auftakt hatte.

In den 69 relevanten Beiträgen der wichtigsten Fernseh- und Radionachrichtensendungen des ORF wurde folgenden Ländern am meisten Aufmerksamkeit entgegengebracht:

Wochenbericht, 17.3. bis 23.3.2014

II. Alles beim Alten: Israel schießt zuerst zurück

Am vergangenen Dienstag wurden auf den Golanhöhen an der israelisch-syrischen Grenze vier israelische Soldaten verletzt, als ihr Jeep über eine am Boden platzierte Bombe fuhr. Tags darauf flogen israelische Kampfjets Angriffe gegen nahe gelegene syrische Militäreinrichtungen. Die Times of Israel berichtete über eine Stellungnahme, in der Verteidigungsminister Yaalon die hinter dem Militäreinsatz steckende Logik der Abschreckung erläuterte: „The defense minister went on to declare that if the Syrian president ‚will continue to cooperate with terror elements that aspire to harm the State of Israel, we will continue to exact from him a heavy price in a manner that will make him regret his actions.‘”

Die Berichterstattung über diese Vorfälle in den österreichischen Medien folgte einem altbekannten Muster: Der gegen die israelischen Soldaten gerichtete Anschlag war den von MENA analysierten Zeitungen und dem ORF zunächst keinerlei Erwähnung wert. Erst als die israelische Armee in Aktion trat, wurde die Geschichte auch hierzulande aufgegriffen.

Während in der von der Presse gewählten Überschrift „Israel übt Vergeltung am Golan“ (Presse, 20. März 2014) wenigstens angedeutet wurde, dass dem israelischen Armeeinsatz etwas vorhergegangen sein musste, fehlte in den Schlagzeilen der übrigen Medien jeglicher derartige Hinweis. Stattdessen wurde wieder einmal der jüdische Staat als Aggressor präsentiert. „Israel flog Angriffe gegen Syrien“ titelte der Standard (20. März 2014), „Israel-Bomben auf Golanhöhen“ war in der Krone zu lesen (Kronen Zeitung, 20. März 2014), „Israel bombardiert syrische Armee“ lautete die Schlagzeile in den Nachrichtensendungen des ORF. (ZiB 2, 19. März 2014; ZiB 24, 19. März 2014) In gewissem Sinne konsequent blieben die Salzburger Nachrichten, der Kurier und die Kleine Zeitung – sie berichteten weder über den Anschlag auf die Soldaten, noch über die darauf folgenden Luftschläge der israelischen Armee.
 

III. Kaum ein Thema: Abbas in Washington

Weitgehend unbemerkt von österreichischen Medien war letzte Woche eine von PLO-Chef Mahmud Abbas geführte palästinensische Delegation zu Gast in Washington. Der Standard widmete der Visite in drei Beiträgen ein wenig Aufmerksamkeit: In einer Kurzmeldung wurde berichtet, US-Präsident Obama habe Abbas dazu aufgefordert, „schwere Entscheidungen“ im Friedensprozess zu treffen. Die Verhandlungen befänden sich in einer „entscheidenden Phase“, die „Chance auf dauerhaften Frieden“ dürfe nicht verpasst werden. (Standard, 18. März 2014) Tags darauf fanden sich noch ein kurzer Bericht über das Treffen Obama-Abbas sowie ein Kommentar zum Stand des Friedensprozesses von Gudrun Harrer. (Standard, 19. März 2014) Das war’s aber auch schon mit der medialen Aufmerksamkeit: Presse, SN, Kurier, Kleine Zeitung, Kronen Zeitung sowie die Radio- und Fernsehnachrichtensendungen des ORF interessierten sich überhaupt nicht dafür, was Obama und Abbas in Washington zu sagen hatten. Das eklatante Desinteresse so vieler Medien ist insofern bedauerlich, als die im Zuge des Treffens abgegebenen Stellungnahmen durchaus interessante Einsichten boten.

Da war einerseits die Forderung von Mahmud Abbas, dem PLO-Chef und Vorsitzenden der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) – als solcher mittlerweile im zehnten Jahr seiner vierjährigen Amtszeit – nach dem Abschluss der vereinbarten Freilassungen palästinensischer Häftlinge aus israelischen Gefängnissen: „Mr. President, we have an agreement with Israel, that was brokered by Mr. Kerry concerning the release of the fourth batch of prisoners and we are hopeful that the fourth batch will be released by the 29th of March because this will give a very solid impression about the seriousness of these efforts to achieve peace.“ Um die palästinensische Führung im Westjordanland nach ihrer jahrelangen Weigerung überhaupt wieder an den Verhandlungstisch zurückzubringen, hatte Israel der Freilassung von insgesamt 104 palästinensischen Häftlingen zugestimmt, die allesamt wegen mörderischer Terroranschläge schon lange Zeit in israelischen Gefängnissen einsaßen. Die drei bisher vorgenommenen Freilassungswellen liefen stets nach dem gleichen Muster ab: Während in Israel die Angehörigen der Terroropfer dagegen protestierten, die Mörder ihrer Verwandten und ihrer Freunde auf freien Fuß zu setzen, wurden die Freigelassenen in Ramallah auf Heldenempfängen von Mahmud Abbas jubelnd begrüßt, ihre blutigen Taten gepriesen und die Fortsetzung des Kampfes geschworen, bis auch noch der letzte palästinensische Terrorist in Freiheit ist. Abbas forderte in Washington also, dass Israel als Zeichen seines ernsthaften Bemühens um Frieden palästinensische Mörder freilassen müsse, die dann auf von ihm inszenierten Jubelfeiern für ihre Verbrechen als Helden gefeiert werden – eine wahrlich denkwürdige Zurschaustellung der „Ernsthaftigkeit“ des palästinensischen Bemühens um Frieden.

Noch aufschlussreicher waren allerdings die Ausführungen von US-Präsident Obama, machten diese doch deutlich, wie wenig er sich für die reale Lage vor Ort interessiert. Lassen wird die diplomatischen Höflichkeiten sowie das uneingeschränkte, ja geradezu überschwängliche Lob für Abbas beiseite, so stach vor allem eine Passage hervor: „I also want to point out that the Palestinian Authority has continued to try to build strong institutions in preparation for a day in which the Palestinians have their own state, and I will continue to emphasize the importance of rule of law, transparency, and effective reform so that not only do the Palestinians ultimately have a state on paper, but, more importantly, they have one that actually delivers on behalf of their people.“

Wer einen nüchternen Blick auf die Gebiete wirft, die unter der Kontrolle der Autonomiebehörde stehen, kann sich über diese Bemerkungen Obamas nur wundern. Zwar gab es in der Vergangenheit unter dem Finanz- und späteren Premierminister Salam Fayyad Ansätze dazu, die chaotischen Strukturen, das undurchsichtige Finanzgebaren und die chronische Korruption einzudämmen, die in der PA vorherrschten, doch war es niemand anderes als Obamas umschmeichelter Gast Abbas, der Fayyad letztlich aus dem Amt ekelte und damit alle Versuche zum Scheitern brachte, im Westjordanland etwas aufzubauen, das halbwegs an geordnete staatliche Institutionen erinnert. Von Rechtsstaatlichkeit, Transparenz und effektiven Reformen kann heute im Zusammenhang mit der PA keine Rede sein, während die vielen so genannten Sicherheitsbehörden damit beschäftigt sind, Opposition zu Abbas einzuschüchtern, die Presse- und Meinungsfreiheit zu unterdrücken und ganz allgemein die Menschenrechte der Palästinenser mit Füßen zu treten. Sollte in absehbarer Zukunft wirklich ein palästinensischer Staat ins Leben gerufen werden, wird es sich bei ihm aller Voraussicht nach nicht nur um eine weitere arabische Diktatur handeln, sondern stehen die Chancen gut, dass dieser Staat scheitern wird, kaum dass er gegründet wurde. Am Ende seiner lesenswerten Studie „State of Failure. Yasser Arafat, Mahmoud Abbas, and the Unmaking of the Palestinian State“ kommt Jonathan Schanzer zu dem Schluss: „In all likelihood, with the current infrastructure, Palestinian independence could actually mean collapse.“

Schanzer macht auf einen wichtigen Punkt aufmerksam: Die Institutionen der PA befinden sich nicht zuletzt deshalb in einem so schlechten Zustand, weil ihre westlichen Geldgeber, allen voran die EU und die USA, es verabsäumt haben, die umfangreichen finanziellen Zuwendungen mit konkreten Forderungen nach effektiven Reformen zu verbinden. Der Schock der Machtergreifung der Hamas im Gazastreifen saß so tief, dass jeglicher Reformdruck auf Abbas entfiel: „With the international community overwhelmingly concerned about the continued survival of the government in the West Bank, Western governments abandoned all expectations of Abbas as a leader. Discussions no longer revolved around efforts to create an independent state with a viable public authority. The goal was simply to keep the West Bank out of the hands of Hamas. With the end of expectations came the decline of the nascent political system the Palestinians had tried to build.“ Hierin lag die Unehrlichkeit von Obamas Behauptung, er werde „weiterhin die Wichtigkeit von Rechtsstaatlichkeit, Transparenz und effektiver Reform“ betonen – weder hat er das bislang getan, noch je daran gedacht, die Finanzierung der PA an die Erfüllung solcher Kriterien zu knüpfen.

Wie auch immer Obama sich die Performance von Abbas und den Zustand der PA schönreden möchte, im Hinblick auf Fortschritte im Friedensprozess wird ihm das alles nichts nützen. Denn kaum standen die beiden nicht mehr im Fokus der Kameras, ließ Abbas den amerikanischen Präsidenten in allen wichtigen Punkten einfach abblitzen. Wie die Times of Israel berichtete, wies er die Forderung nach der Anerkennung Israels als jüdischer Staat zurück, weigerte sich, vom uneingeschränkten „Rückkehrrecht“ für Millionen so genannter palästinensischer Flüchtlinge nach Israel Abstand zu nehmen, und zeigte sich nicht bereit, nach einem Abkommen mit Israel den Konflikt für beendet zu erklären und keine weiteren Forderungen an den jüdischen Staat mehr zu erheben.

Dass es unter Vermittlung von US-Außenminister John Kerry gelingen würde, binnen neun Monaten einen abschließenden Friedensvertrag zwischen Israel und der PLO zu verhandeln, glaubte schon kaum jemand, als das Unterfangen vor acht Monaten begann. Mittlerweile ist nicht einmal mehr der Abschluss eines Rahmenabkommens wahrscheinlich, mit dem sich Kerry nach dem Scheitern seiner unrealistischen Hoffnungen begnügen musste, weil Abbas zu keiner der Erklärungen willens oder in der Lage ist, die erforderlich wären, um wenigstens den Schein eines Fortschrittes aufrecht zu erhalten. Dass die USA oder die EU aus der fortdauernden palästinensischen Verweigerungshaltung den Schluss ziehen werden, zur Abwechslung einmal Druck auf die palästinensische Seite auszuüben, ist dennoch nicht zu erwarten. Zu hoffen bleibt, dass der Ablauf der von Kerry willkürlich festgesetzten Neunmonatsfrist für die Verhandlungen ohne den zu befürchtenden Gewaltausbruch auf Seiten der Palästinenser über die Bühne gehen wird.

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