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Warum sehnen sich der Iran und die Hisbollah nach Jerusalem?

Der Felsendom und die al-Aqsa-Moschee auf dem Tempelberg in Jerusalem
Der Felsendom und die al-Aqsa-Moschee auf dem Tempelberg in Jerusalem (Quelle: JNS)

Nach dem Krieg gegen den Irak beschloss der Iran, die Befreiung Jerusalems in den Vordergrund zu stellen, um den sunnitischen Blick in Richtung Westen nach Jerusalem und nicht in Richtung Teheran zu richten.

Pinhas Inbari

»Rettet die al-Aqsa-Moschee!« ist der Schlachtruf des radikalen Islams und findet sich in allen Kriegsslogans der sunnitischen Hamas, der schiitischen Hisbollah und des ebenfalls schiitischen Irans wieder. Selbst der türkische Präsident Erdogan, der die sunnitische Muslimbruderschaft unterstützt, möchte Israel die Kontrolle über den Tempelberg entreißen.

Was die Hisbollah und den Iran betrifft, so ist diese Leidenschaft für Jerusalem rätselhaft, denn die schiitische Religion misst Jerusalem eigentlich keinerlei Bedeutung bei. Wer durch die Gassen der Jerusalemer Altstadt geht, wird keine Spur schiitischer Geschichte finden. Nach dem schiitischen Buch der Überlieferungen Bihar al-Anwar (deutsch: Ozeane der Lichter) verbot der Prophet Mohammed Pilgerfahrten nach Jerusalem und erlaubte sie nur in das irakische Kufah, das ein schiitisches Religionszentrum werden sollte.

Selbst die Isra’ (Nachtreise) führte Mohammed der schiitischen Konfession gemäß nicht nach Jerusalem, sondern zu einer »fernen Moschee« im Himmel. Die Mi’radsch ist eine Leiter, auf der der Prophet in den Himmel hinaufgestiegen sein soll, aber Buraq, das wundersame geflügelte Pferd der Sunna, das den Propheten auf den Tempelberg gebracht haben soll, wird nicht erwähnt.

Warum also setzen der Iran und die Hisbollah die al-Aqsa ganz oben auf ihre Tagesordnung?

Wohlüberlegte iranische Taktik

Nach dem blutigen sunnitisch-schiitischen Krieg zwischen dem Irak und dem Iran beschlossen die Ayatollahs, die Befreiung Jerusalems in den Vordergrund zu stellen, damit die Sunniten ihren Blick in Richtung Westen nach Jerusalem und nicht in Richtung Osten nach Teheran richten. Für die Schiiten ist die »Rettung der al-Aqsa« ein rein politischer Slogan und kein religiöser Wert.

Im Zuge der wachsenden Spannungen innerhalb der arabischen Welt zwischen gemäßigten Sunniten und dem schiitischen Iran und radikalen Sunniten wie Katar und der Muslimbruderschaft entsteht eine Interessengemeinschaft zwischen Israel und der gemäßigten sunnitischen Welt, also Saudi-Arabien, der Golfregion, Ägypten und andere.

Dabei gilt festzuhalten, dass Ägypten und Marokko, die früher Ambitionen auf die Jerusalemer Moscheen hatten, ihre Ansprüche auf den Tempelberg zurückgezogen haben. Marokko, das früher den Ausschuss der Arabischen Liga für Jerusalem leitete, hat sein Interesse verloren und mischt sich nicht mehr wie früher in Jerusalemer Angelegenheiten ein.

Was von den Spannungen in der gemäßigten sunnitischen Welt bleibt, ist der Kampf zwischen Saudi-Arabien und Jordanien, da die beiden Königreiche die Krone des »Wächters der Heiligen Stätten« tragen: Saudi-Arabien in Mekka und Medina und die in Jordanien regierenden Haschemiten in Jerusalem. Die Jerusalem-Frage berührt also die Frage nach der Legitimität des Hauses Saud gegenüber dem Haus Haschem, das die heiligen Stätten in Mekka gehütet hatte, bevor die Saudis sie zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts vertrieben.

Was aber hat das mit Israel zu tun? An dem historischen Scheideweg, an dem der Nahe Osten heute steht, sehen gemäßigte sunnitische Kräfte im jüdischen Staat die einzige Kraft, die die Bemühungen der Extremisten eindämmen kann, die »Befreiung von al-Aqsa« in einen Motor für die schiitische Übernahme der arabischen und muslimischen Welt zu verwandeln.

Die Rolle Israels

Aufgrund des Streits zwischen Saudi-Arabien und Jordanien ist es unmöglich, sich auf eine interarabische Kraft zu einigen, die Israel in seiner Rolle als Verteidiger der Moscheen ersetzen kann. Das Einverständnis Jordaniens und seiner Religionsbehörde Waqf mit der israelischen Polizeipräsenz auf dem Tempelberg ist ein Eckpfeiler des Status quo auf dem Tempelberg.

Aber, wie Spiderman in dem berühmten Filmen sagte: »Mit großer Macht kommt große Verantwortung.« Die Geschichte hat dem jüdischen Staat die Gelegenheit gegeben, eine der bedeutendsten Moscheen des Islams zu schützen, und dies erfordert ein Maß an Verantwortung, das dieser beispiellosen Rolle angemessen ist.

Pinhas Inbari ist langjähriger Korrespondent für arabische Angelegenheiten, der früher für den israelischen Rundfunk und die Zeitung Al Hamishmar berichtete. Derzeit arbeitet er als Analyst für das Jerusalem Center for Public Affairs.  (Der Artikel erschien auf Englisch beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)

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