Die Türkei ist über Russlands Verhalten in Syrien verärgert. Einen Bruch mit Moskau kann sie sich aber nicht leisten.
Jonathan Spyer, The Jerusalem Post
Weil die USA sich entschlossen haben, ein größeres Engagement im Krieg in Syrien zu vermeiden, ist Russland zum entscheidenden militärischen Faktor und damit zur wichtigsten diplomatischen Kraft im Land geworden. Da Russland von jedem gebraucht wird, um etwas umsetzen zu können, und da es für viele Aufgaben in Syrien keinen alternativen Schirmherrn gibt, bleibt Moskau für alle Beteiligten der unverzichtbare Partner.
Das wird wahrscheinlich auch in dem Konflikt zwischen der Türkei und dem syrischen Regime rund um Idlib gelten.
Die Türkei ist zweifellos verärgert über die großen Fortschritte, die syrische Regimetruppen mit russischer Luftunterstützung in der Provinz Idlib gemacht haben. Präsident Recep Tayyip Erdogan hat Assad am Mittwoch gewarnt, seine Truppen bis Ende Februar hinter die Linien der türkischen Beobachtungsposten zurückzuziehen oder die Konsequenzen tragen zu müssen.
‚Nach dem Angriff des Assad-Regimes in Idlib, bei dem türkische Soldaten getötet wurden, wird nichts mehr sein wie zuvor‘, sagte Erdogan, bevor er hinzufügte, dass die Türkei von Russland erwarte, dass es die türkischen Empfindlichkeiten in dieser Region zur Kenntnis nehme.
An anderer Stelle erklärte Erdogan den von Russland geförderten diplomatischen Prozess von Astana für ‚todgeweiht‘ und kritisierte Russland wegen der Verletzung seiner Verpflichtungen aus dem Abkommen von Sotschi vom September 2018. (…)
Assad ist entschlossen, wieder ganz Syrien unter seine Kontrolle zu bringen. Russland, das in diesem Fall die eigentliche Macht im Land sein wird, unterstützt dieses Ziel.
Aber selbst wenn eine begrenzte militärisches Konfrontation zwischen türkischen und syrischen Regimetruppen stattfindet, muss am Ende die Diplomatie stehen. Und für die Diplomatie in Syrien bleibt Russland die einzige verfügbare Adresse.
Darüber hinaus braucht Ankara Moskau nicht nur, um sein Gesicht zu wahren und einen neuen Flüchtlingsstrom im Nordwesten Syriens zu verhindern. Die Beziehungen zu Russland sind für die Förderung der türkischen Interessen gegenüber den Kurden östlich des Euphrats von entscheidender Bedeutung. Und selbst wenn die Türkei in Idlib die Muskeln spielen lässt, kann sich Erdogan nicht so viele Toten leisten, wie ein ausgedehnter Konflikt mit Assad sie nach sich ziehen würde.
Erweitern wir den Blickwinkel, so sehen wir, dass die Türkei im Begriff ist, das russische S-400-Luftabwehrsystem zu kaufen; mit Russland an der Turkstream-Pipeline zusammenarbeitet, um Europa mit Gas zu versorgen; und Russland braucht, um einen Angriff des libyschen Generals Khalifa Haftar auf die türkischen Verbündeten in der Regierung der Nationalen Übereinkunft in Tripolis zu verhindern.
Und die Türkei hat niemanden sonst, an den sie sich wenden kann. Die USA zeigen keine Anzeichen dafür, an einem Wiedereintritt in Syrien westlich des Euphrats interessiert zu sein – und haben auf Assad ohnehin keinen Einfluss.“
Do Syria-Turkey clashes presage a wider confrontation in the Middle East?