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Türkische Regierungspartei AKP: Gründe und Auswirkungen der Wahlniederlage

Auch in Istanbul: Erdogan musste Niederlage der Regierungspartei AKP eingestehen
Auch in Istanbul: Erdogan musste Niederlage der Regierungspartei AKP eingestehen (Imago Images / CTK Photo)

Die regierende Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) hat bei den Kommunalwahlen die größte Niederlage seit zwei Jahrzehnten erlitten. Das wirft Fragen nach den Gründen für dieses Ergebnis und den Auswirkungen auf die Autorität von Präsident Erdoğan auf.

Der Leiter der Obersten Wahlkommission Ahmed Yenir gab am vergangenen Montag bekannt, dass die Republikanische Volkspartei (CHP), die größte Oppositionspartei, bei den Kommunalwahlen in fünfunddreißig, die Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) in vierundzwanzig und die pro-kurdische Partei für Demokratie und Volksgleichheit (DEM) in zehn Gemeinden den Wahlsieg errungen hat.

Darüber hinaus erkämpfte sich die rechtsextreme Nationale Bewegung (MHP) den Vorsitz in acht Gemeinden, während die islamistische Neue Wohlfahrtspartei (YRP), die rechtsextrem-islamistische Partei der Großen Einheit (BBP) und die nationalistische Gute Partei (IYI), die von der Oppositionspolitikerin Meral Akşener geführt wird, das Rennen in je zwei Gemeinden für sich gewinnen konnten.

Zum Vergleich: Vor fünf Jahren gewann die AKP noch neununddreißig und damit um fünfzehn Gemeinden mehr als beim aktuellen Urnengang. Während die CHP im Jahr 2019 in einundzwanzig Gemeinden den Vorsitz innehatte, stellt sie nun nur noch in vierzehn den Bürgermeister.

Präsident Erdoğan räumte die Niederlage seiner Partei ein, obwohl er während des Wahlkampfs bestrebt war, die Stadtverwaltung von Istanbul zurückzugewinnen, nachdem er sie 2019 verloren hatte. Erdoğan beteiligte sich an der Kampagne zur Unterstützung von Murat Kurum, um diese wirtschaftlich und symbolisch wichtige und größte Stadt der Türkei zurückzuerobern. Der AKP-Kandidat verlor jedoch gegen jenen der Republikanischen Volkspartei, Ekrem Imamoğlu.

Erdoğan erklärte im Nachgang, seine Regierungskoalition habe bei den Kommunalwahlen nicht die gewünschten Ergebnisse erzielt und fügte hinzu, man werde sich selbst zur Rechenschaft ziehen und die Mängel beheben. Vor Anhängern sagte er, die Wahlen stellten einen »Wendepunkt« für seine Partei dar und versprach, »die Entscheidung des Volks zu respektieren«.

Schlappe für Erdoğan

Zu den Gründen für die Wahlniederlage der AKP meinte die türkische Autorin Dilara Aslan, der Hauptgrund sei die schlechte wirtschaftliche Lage, da der Anstieg der Inflation und der Wertverlust der Lira das tägliche Leben der Bürger negativ beeinflussten. »Am meisten verärgert sind die Rentner, von denen fast alle mit zehntausend Lira im Monat auskommen müssen«, präzisierte sie ihre Ausführungen.

Der zweite Grund liege darin, dass es in der AKP immer mehr unfähige und erfolglose Politiker gebe, »im Gegensatz zu dem erfolgreichen Team, das die Partei in ihren ersten Jahren an die Macht führte«. Der dritte Grund hänge damit zusammen, »dass die Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung in den vergangenen Jahren ihre Bindung an das Volk verloren hat«, schloss Aslan ihre Analyse.

Der Autor Murat Yetkin erläuterte, Erdoğan habe die Wahlen als politische Auseinandersetzung zwischen ihm selbst und dem amtierenden Bürgermeister von Istanbul, Ekrem Imamoğlu, geführt. Dabei habe er »alle Möglichkeiten seiner Regierung mobilisiert, um gegen ihn zu gewinnen, was zum gegenteiligen Ergebnis führte.«

Yetkin wies darauf hin, dass Erdoğan dabei nämlich die realen Probleme des Landes, insbesondere die wirtschaftliche Lage, die Verletzung der Rechtsstaatlichkeit, die Einschränkung der bürgerlichen Freiheiten und die Manipulation der Demokratie, ignoriert und zudem schwache Kandidaten ausgewählt habe. Die schlechteste Wahl dabei sei ausgerechnet Murat Kurum gewesen, »der Bürgermeisterkandidat von Istanbul, nachdem dieser als Umwelt- und Stadtentwicklungsminister bei der Bewältigung der Erdbebenkatastrophe versagt hat und die Opfer mehr als ein Jahr nach der Katastrophe immer noch in Zelten leben«.

Der türkische Politologe Mahmoud Alloush bezeichnete die Ergebnisse der Kommunalwahlen als »politisches Erdbeben, das die Innen- und Parteipolitik nach mehr als zwei Jahrzehnten der Herrschaft der Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung neu gestalten wird«. Er vertritt die Ansicht, die türkischen Wähler hätten mit ihrem Wahlverhalten »beschlossen, Erdoğan eine sehr deutliche Warnung auszusprechen, während sie Ekrem Imamoğlu zum mächtigsten Oppositionsführer des Landes gekrönt haben«.

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