Die türkische Wahlbehörde ernannte nachträglich den Kandidaten der regierenden AKP zum Bürgermeister der kurdischen Stadt Van, nachdem die Bewerbung des pro-kurdischen Kandidaten und späteren Wahlsiegers für ungültig erklärt worden war.
Die türkische Wahlbehörde hat am Dienstag den Kandidaten der regierenden Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) zum Bürgermeister der kurdischen Stadt Van ernannt, nachdem ein vorangegangenes Gerichtsurteil die Kandidatur des pro-kurdischen Kandidaten der Partei für Gleichheit und Demokratie der Völker (DEM) für ungültig erklärt hatte, der das Rennen bei den Kommunalwahlen vom Sonntag gewonnen hatte.
Die DEM-Partei teilte am Dienstag mit, das türkische Justizministerium habe fünf Minuten vor Ende der Amtszeit am Freitag Einspruch gegen die Entscheidung des Gerichts in Van eingelegt, nach der die suspendierten Rechte des dortigen DEM-Kandidaten Abdullah Zeydan wiederherzustellen seien. Zugleich appellierte die Generalstaatsanwaltschaft am selben Tag an das Gericht, die Entscheidung aufzuheben, wodurch Zeydans Kandidatur ungültig wurde. Das Büro der Wahlbehörde (YSK) in Van entschied am Dienstag schließlich, dass Zeydan nicht zur Teilnahme an den Wahlen berechtigt gewesen sei und übergab in der Folge das Bürgermeisteramt der kurdischen Stadt an den AKP-Kandidaten Abdulahat Arvas, der am Sonntag die zweitmeisten Stimmen erhalten hatte.
»Wir lehnen die Entscheidung des Provinzwahlausschusses ab, dem AKP-Bürgermeisterkandidaten für die Großstadtgemeinde Van, in der unsere Partei mit großem Vorsprung gewonnen hat, den Wahlerfolg zuzusprechen«, erklärte DEM auf X. »Die Entscheidung, die von den manipulierten Mitgliedern des Provinzwahlausschusses von Van mit einer Stimmenmehrheit getroffen wurde, ist rechtswidrig, illegitim und eine Entscheidung, die den Willen des Volkes missachtet«, heißt es in der Mitteilung weiter, in der auch darauf hingewiesen wurde, dass die Anwälte der Partei bereits Berufung gegen die Entscheidung eingelegt hätten.
»Die jüngste Entscheidung ist null und nichtig. Zeydan sollte heute die Bescheinigung [über seinen Wahlsieg] erhalten, und wenn sie diese nicht vorlegen, werden wir die notwendigen rechtlichen Schritte einleiten«, erklärte Zeydans Anwalt Mahsuni Karaman gegenüber der türkischen Nachrichtenagentur Gazete Duvar und warnte, dass weitere ähnliche Maßnahmen gegen gewählte Kandidaten der DEM-Partei und Mitglieder des Provinzrats ergriffen werden könnten.
Kritik der Opposition
Der Vorsitzende der oppositionellen Republikanischen Volkspartei (CHP), Özgur Özel, kritisierte die Entscheidung in einer Videobotschaft auf X und bezeichnete sie als »Schande« und »Hinterhalt gegen den Willen« der Bevölkerung von Van. »Wenn die Bürger von Van jemanden zum Bürgermeister wählen, der dreimal so viele Stimmen erhält wie sein Konkurrent, dann ist es unsere Pflicht, dies zu respektieren«, erklärte Özel. Der CHP-Vorsitzende wies auch darauf hin, dass die Ernennung des AKP-Kandidaten zum Bürgermeister im Widerspruch zu den Äußerungen von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan stehe, der am Sonntagabend nach der Wahl erklärt hatte, seine Partei respektiere das Ergebnis der Wahlen. »Ich warne ihn [Erdogan], dass alle seine Worte hinfällig werden, wenn er sich zu so etwas herablässt«, so Özel.
Die pro-kurdische DEM-Partei wählte den ehemaligen Parlamentsabgeordneten Abdullah Zeydan als einen ihrer Kandidaten für das Bürgermeisteramt der Stadt Van aus, zusammen mit Neslihan Sedal. Die Partei errang bei den Kommunalwahlen am Sonntag einen erdrutschartigen Sieg in der Provinz, als ihre Kandidaten in allen dreizehn Bezirken siegreich waren und Zeydan das Bürgermeisteramt in der Großstadt gewann.
Zeydan, der im November 2016 verhaftet worden war und wegen Terrorvorwürfen bis Januar 2023 inhaftiert war, erhielt von einem Gericht in Van 2022 die Bestätigung über eine »Wiedereinsetzung der ausgesetzten Rechte« und damit die Erlaubnis, an den Wahlen teilzunehmen.
Nach den vorläufigen Ergebnissen erhielt DEM landesweit 5,7 Prozent der Stimmen. Die Partei errang das Bürgermeisteramt von Van sowie neun weitere kurdische Provinzen im Südosten des Landes. Bei den Kommunalwahlen 2019 hatte die Demokratische Volkspartei (HDP), die Schwesterpartei der DEM, das Bürgermeisteramt in acht Provinzen gewonnen. Im Laufe der Zeit wurden jedoch auch damals schon Dutzende gewählter pro-kurdischer Bürgermeister wegen ihrer angeblichen Verbindungen zur Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) aus dem Amt gedrängt und durch staatlich gelenkte Treuhänder ersetzt. In der Provinz Van und anderen kurdischen Provinzen fanden Proteste statt, bei denen die Annulierung von Zeydans Kandidatur verurteilt wurde. Einige Demonstrationen endeten in Gewalt.
Trotz unzähliger Hausdurchsuchungen heute morgen und der Abriegelung der ganzen Stadt mit Wasserwerfern sammeln sich heute morgen weiter Menschen auf den Straßen von Wan/ #Van.
Für heute wird trotz einem 15-tägigen Versammlungs-Verbot zu einem Sternmarsch aufgerufen. pic.twitter.com/GryC6Tdgqe
— Riseup4Rojava Wien (@Riseup4RojavaAT) April 3, 2024
In #Van werden trotz Versammlungsverbot die Proteste für die Demokratie immer größer. pic.twitter.com/lp9UOGgl0o
— Martin Glasenapp (@MartinGlasenapp) April 3, 2024
Trotz unzähliger Hausdurchsuchungen heute morgen und der Abriegelung der ganzen Stadt mit Wasserwerfern sammeln sich heute morgen weiter Menschen auf den Straßen von Wan/ #Van.
Für heute wird trotz einem 15-tägigen Versammlungs-Verbot zu einem Sternmarsch aufgerufen. pic.twitter.com/GryC6Tdgqe
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