In der Sitzung, in der Israels Regierung für das Oslo-Abkommen stimmte, wurden viele Bedenken laut – auch von Premier Jitzchak Rabin.
Vor dreißig Jahren, am 30. August 1993, billigte die israelische Regierung das Oslo-I-Abkommen. Das Protokoll der Sitzung blieb bis vergangenen Dienstag »streng geheim«, jetzt hat das Staatsarchiv es der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Aus dem Protokoll geht hervor, dass die Minister der Regierung, darunter auch Ministerpräsident Jitzchak Rabin, große Bedenken über den Weg hatten, der mit dem Abkommen eingeschlagen wurde.
Das Osloer Abkommen war ein Versuch, Frieden zwischen Israel und den Palästinensern zu schaffen, indem Gebiete unter israelischer Kontrolle an den Vorsitzenden der Palästinensischen Befreiungsorganisation, Jassir Arafat, übergeben wurden (zunächst Teile der Region Jericho und des Gazastreifens) und ihm damit Legitimität verliehen wurde. Arafat war bis dahin als Vater des modernen Terrorismus bekannt gewesen, und Gegner des Abkommens warnten, dass er sich nicht ändern werde. (Sie sollten Recht behalten, denn Arafat entfesselte [mit der sogenannten zweiten Intifada im Herbst 2000] eine beispiellose Terrorwelle gegen die israelische Zivilbevölkerung, bei der über tausend Juden getötet wurden.)
Rabins Bedenken
Während Rabin die Warnungen der Oslo-Gegner öffentlich zurückwies und das Abkommen verteidigte, räumte er bei dem Treffen, an dem siebzehn weitere Regierungsmitglieder und der damalige Stabschef der israelischen Armee, Ehud Barak, teilnahmen, Bedenken ein.
»Dies ist ein schwieriger Deal«, sagte Rabin laut Protokoll zu Beginn der Sitzung. »Wenn wir mit uns selbst verhandelt hätten, wäre die Formulierung natürlich viel besser gewesen. Einige der Formulierungen sind unsympathisch … aber wir müssen alle verschiedenen Komponenten unter einem viel umfassenderen Blickwinkel betrachten.« Rabin stellte auch fest, dass von der anderen Seite wenig verlangt wurde. »Es gibt sehr wenige Verpflichtungen von ihrer Seite.«
Laut Rabin habe ihm Außenminister Shimon Peres zugesagt, dass es eine Erklärung der Palästinenser zur Beendigung des Terrorismus geben werde. Allerdings räumte er ein: »Ich weiß nicht, wie sie formuliert ist und inwieweit sie Teil des Abkommens ist.« An dieser Stelle warf Peres ein: »Einstellung der Gewalttaten.« –»Ich hoffe, dass dies eine Bedingung ist«, sagte Rabin, »wir müssen sehen, wie die Erklärung aussieht. Ist sie ein Text? Wer verkündet sie? Erscheint sie auch in schriftlicher Form? Als ein Anhang [zum Abkommen]? Das ist nicht luftdicht.«
Keine anderen Partner
Shimon Peres, der als Nächster sprach und in seinem 1993 erschienenen Buch Der neue Nahe Osten eine geradezu messianische Zukunft für die Region ausgemalt hat, warnte bei dem Treffen, dass »die Möglichkeit besteht, dass die ganze PLO-Sache auseinanderfällt und es hier eine Art Hamas-Iran geben wird«.
Sowohl Rabin als auch Peres vertraten die Auffassung, dass die Regierung nur wenige Optionen habe, wenn sie eine Lösung des Konflikts anstrebe. Rabin sagte, ein Abkommen mit den Syrern und Verhandlungen unter Einbindung der Amerikaner hätten kaum Aussicht auf Erfolg. Peres meinte, es gebe keine anderen Partner auf der Gegenseite. »Angenommen, die PLO verschwindet, was wird dann passieren? Mit wem werden wir reden? Worüber werden wir verhandeln? Mit wem werden wir verhandeln?«
Barak wenig angetan
Generalstabschef Ehud Barak, der später als Premierminister weitreichende Zugeständnisse an Arafat machen sollte, meinte: »Ich habe sehr ernste Probleme bei der Umsetzung des Sicherheitsaspekts dieses Abkommens festgestellt. Es gibt bereits palästinensische Polizisten, die in Jordanien ausgebildet wurden. Sie könnten mehr Leute mitbringen, auch solche mit einem Hintergrund in militärischen oder paramilitärischen palästinensischen Organisationen, Leute von der Palästinensischen Befreiungsarmee oder Ähnliches.«
Barak fragte sich, ob die israelische Armee mit der palästinensischen Polizei zusammenarbeiten könne, um gesuchte Personen festzunehmen oder einen Terroranschlag in palästinensisch kontrollierten Gebieten zu vereiteln. »Wenn wir Informationen über gesuchte Personen in Jabaliya [im Gazastreifen] oder über einen geplanten Terroranschlag in einem der Flüchtlingslager haben, wird es nicht einfach sein, effektiv dagegen vorzugehen. Es besteht immer die Gefahr, dass Leute, die für die palästinensische Polizei arbeiten, denjenigen, die einen Terroranschlag planen, einen Tipp geben«, sagte er.
Der damalige Innenminister Aryeh Deri, der die religiöse Partei Schas vertrat, war der Meinung, das geistliche Oberhaupt seiner Partei, Rabbi Ovadia Yosef, trete zwar sehr für den Frieden ein, die Wähler von Schas aber »ziemlich rechts« und Orte wie Nablus (Shechem) und Hebron (die beide später unter palästinensische Kontrolle gestellt werden sollen) für sie wichtig seien. »Es ist sehr schwierig für die Öffentlichkeit, dies zu akzeptieren.«
Dennoch Zustimmung
Trotz der Vorbehalte der Regierung stimmten sechzehn Teilnehmer des Treffens für die Annahme des Osloer Abkommens; Aryeh Deri und Shimon Shetreet (Arbeitspartei), Minister für Wirtschaft und Planung, enthielten sich der Stimme. Zwei Wochen später, am 13. September 1993, unterzeichneten Rabin und Arafat das Osloer Abkommen auf dem Rasen des Weißen Hauses in Anwesenheit des amerikanischen Präsidenten Bill Clinton.
Teile des Protokolls werden nach wie vor unter Verschluss gehalten. Ein Teil wird in zwanzig Jahren veröffentlicht werden, der Rest erst in sechzig Jahren.
(Der Artikel ist vom Jewish News Syndicate veröffentlicht worden. Übersetzung von Florian Markl.)