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Wiederholt sich im Sudan das libysche Szenario?

General al-Burhan hat sich nach Port Sudan zurückgezogen. (© imago images/Pond5 Images)
General al-Burhan hat sich nach Port Sudan zurückgezogen. (© imago images/Pond5 Images)

Ein Ende der Kämpfe im Sudan ist nicht in Sicht. Die Spaltung des Landes in rivalisierende Machtzentren wird immer wahrscheinlicher.

Seit Mitte April kämpfen die sudanesische Armee und die Miliz namens Rapid Support Forces (RSF; Schnelle Eingreiftruppe) in der Hauptstadt Khartum und in den Städten im Westen des Landes um die Macht. Da keine der beiden Parteien in der Lage ist, den Konflikt zu ihren Gunsten zu entscheiden, droht sich ein Szenario zu wiederholen, das aus Libyen bekannt ist: Das Land könnte zwischen den konkurrierenden Lagern aufgespalten werden.

Seit 2014 gibt es in Libyen zwei Regierungen, zwei Armeen und zwei Parlamente, wobei die eine Regierung den Osten und die andere, die international anerkannt ist, den Westen des Landes kontrolliert. Alle Bemühungen um die Schaffung einer einheitlichen Regierungsgewalt und einer einheitlichen Armee sind bislang gescheitert. Erschwert wird eine Konfliktlösung auch durch die Interventionen zahlreicher internationaler Akteure, die Einfluss auf das Land nehmen wollen und von denen einige das regionale Machtzentrum im Osten, andere wiederum die offizielle Regierung im Westen unterstützen.

Verlegung nach Port Sudan

Im Sudan hat sich der Befehlshaber der Armee, Abdel Fattah al-Burhan, in die Küstenstadt Port Sudan im Osten des Landes zurückgezogen. Angesichts der komplizierten Lage in der Hauptstadt Khartum, die sich großteils unter der Kontrolle der RSF befindet, hat auch die Regierung des Landes ihren Sitz momentan in Port Sudan am Roten Meer.

Laut dem katarischen TV-Sender Al-Jazeera plane General al-Burhan, in der Hafenstadt zu bleiben und von dort aus das Land führen und eine neue Regierung bilden zu wollen. Schon bevor al-Burhan diese Woche in Port Sudan eintraf, hatten Ministerien, diplomatische Vertretungen und die Hauptquartiere vieler humanitärer Organisationen sich in der Küstenstadt niedergelassen, die etwa achthundert Kilometer von Khartum und auch weit von den Kämpfen im Rest des Landes entfernt ist. Port Sudan ist zwar nur die zweitgrößte, aber wegen des für Importe und Exporte entscheidenden Hafens wirtschaftlich wichtigste Stadt des Sudans.

Für den sudanesischen Schriftsteller Othman Mirghani ist die die Verlegung von al-Burhans Hauptquartier von Khartum nach Port Sudan ein Beleg dafür, dass eine Verhandlungslösung zur Beendigung des Konflikts derzeit nicht Sicht ist. Der Tonfall seiner jüngsten Reden deutet eher darauf hin, dass der Armeechef entschlossen sei, die Kämpfe gegen die RSF weiterzuführen. Laut Mirghani plane al-Burhan die Schaffung einer Übergangsregierung, welche die derzeitige absetzen solle, mit deren Leistung niemand zufrieden sei. »Die meisten Menschen nehmen die aktuelle Regierung überhaupt nicht wahr und kennen nicht einmal die Namen der meisten ihrer Minister.«

Spaltung des Landes?

Eine Fortführung der Kämpfe wäre für das Land allerdings katastophal. Wie zuletzt der ehemalige US-Sondergesandte für den Sudan, Donald Booth, feststellte, haben die seit vier Monaten andauernden Kämpfe zwischen der Armee und den RSF katastrophale Folgen für das Land. Tausende Menschen seien getötet und rund fünf Millionen in die Flucht getrieben worden; das Gesundheitssystem sei zusammengebrochen.

»Eine Beendigung der Kämpfe ist dringend nötig, um das sudanesische Volk von seinen Qualen zu erlösen, aber weder die Streitkräfte noch die RSF scheinen bereit zu sein, die Kämpfe einzustellen und gemeinsam darüber zu sprechen, wie Frieden im Sudan erreicht werden kann«, so Booth. Würden die Kämpfe weitergeführt, stünde der Bevölkerung nicht nur weiteres Leid bevor, sondern es sei auch die nationale Einheit des Landes bedroht.

Auch der ehemalige Leiter des Büros des US-Sondergesandten für den Sudan, Cameron Hudson, warnt im Falle eines Andauerns des Blutvergießens vor einem Staatszerfall, wie er sich in Libyen nach dem Sturz von Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 ereignet hat. »Wenn dies geschieht, wird es die gesamte Region destabilisieren.«

Mit dem Rückzug von al-Burhan aus Khartum und der Verlegung seines Hauptquartiers nach Port Sudan beginnt eine neue Phase des Konflikts. Sollte nicht doch noch eine politische Lösung gefunden werden, droht die Spaltung des Landes in rivalisierende Machtzentren – mit wahrscheinlich schwerwiegenden Folgen für den Sudan und seine Nachbarstaaten.

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