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In Israel als terroristisch eingestuft, von Deutschland weiterhin gefördert

Deutsche Außenministerin Baerbock will die Finanzierung mit der Terrororganisation PFLP verbundenen NGOs nicht einstellen
Deutsche Außenministerin Baerbock will die Finanzierung mit der Terrororganisation PFLP verbundenen NGOs nicht einstellen (© Imago Images / photothek)

Die deutsche Regierung will ihre Förderpraxis gegenüber sechs NGOs, die in Israel als terroristische Vereinigungen eingestuft sind, nicht ändern. Es gebe keine Erkenntnisse, die einen Stopp der indirekten Finanzierung erforderlich machten, heißt es aus dem Auswärtigen Amt. 

Als Ende Oktober 2021 der seinerzeitige israelische Verteidigungsminister Benny Gantz bekannt gab, dass der jüdische Staat sechs palästinensisleNGOs aufgrund von Verbindungen zur terroristischen Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) nunmehr selbst als terroristische Vereinigungen betrachtet, gab es harsche Reaktionen. Die deutsche Bundesregierung etwa zeigte sich »sehr besorgt« über diesen Beschluss, denn die betroffenen Organisationen hätten sich für den Schutz von Menschenrechten eingesetzt und unter anderem die Interessen von Frauen, Kindern und prekär Beschäftigten vertreten, wie eine Sprecherin des Auswärtigen Amts sagte. Projekte von einigen dieser NGOs seien auch von deutschen »Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit unterstützt worden«.

Für das israelische Verteidigungsministerium hingegen stellte sich die Sachlage anders dar: »Diese Vereinigungen sind unter dem Deckmantel zivilgesellschaftlicher Organisationen tätig, gehören aber in Wirklichkeit zur Führung der PFLP, deren Haupttätigkeit die Zerstörung Israels ist, und bilden einen ihrer Arme«, hieß es in einer Erklärung. Gemeint waren damit die Union der palästinensischen Frauenkomitees (UPWC), Addameer, al-Haq, die Vereinigung der Komitees für landwirtschaftliche Arbeit (UAWC), das Bisan-Zentrum für Forschung und Entwicklung sowie die palästinensische Sektion von Defence for Children International (DCI-P).

Später präzisierte das israelische Außenministerium die Gründe für den Regierungsbeschluss: »Die PFLP, die von den USA und der EU als terroristische Vereinigung eingestuft wird, unterhält einen organisatorischen und militärischen Apparat, einschließlich eines Netzes ziviler Institutionen, deren Ziel es ist, Spenden aus dem Ausland zu akquirieren und grundlegende Erfordernisse der Gruppe zu finanzieren.« Die PFLP-nahen Vereinigungen arbeiteten »unter dem Deckmantel der humanitären Hilfe« und würden »hauptsächlich aus Europa finanziert«. Mehrere Millionen Euro an Hilfsgeldern seien über ein Netzwerk von Einrichtungen an die PFLP geflossen und würden »für Terrorakte der Organisation auch gegen israelische Zivilisten verwendet«.

Finanzierung auf indirektem Weg

Bei zwei Vertretern dieser Vereinigungen handle es sich um PFLP-Aktivisten, die für einen Bombenanschlag im August 2019 verantwortlich gewesen seien, bei dem die 17-jährige Israelin Rina Schnerb getötet wurde. Die mit der PFLP verbundenen Organisationen seien miteinander verflochten und stellten »die wirtschaftliche und organisatorische Lebensader der Partei im Hinblick auf die Geldwäsche und die Finanzierung der PFLP dar«. Die sechs NGOs böten dem israelischen Außenministerium zufolge überdies Arbeitsplätze für PFLP-Kader, und ihre Büros würden für Aktivitäten der PFLP genutzt.

Diese Organisationen können auch auf Gelder der Bundesregierung zurückgreifen. Es gibt zwar keine direkte Finanzierung, aber das Auswärtige Amt und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) geben finanzielle Mittel etwa an parteinahe Stiftungen und Hilfsorganisationen wie Medico International oder Brot für die Welt, die ihrerseits in Projekten mit den in Israel als terroristisch eingestuften NGOs zusammenarbeiten. Nach Recherchen der Tageszeitung Welt unterstützt das BMZ beispielsweise mit mehr als einer halben Million Euro ein Projekt, in dem Brot für die Welt mit der Organisation Al-Haq kooperiert. Al-Haq ist eine führende Organisation in der antisemitischen BDS-Bewegung, ihr Vorsitzender saß wegen Aktivitäten für die terroristische PFLP mehrmals in Israel im Gefängnis.

Kooperation von Stiftungen und Hilfsorganisationen

Die den Grünen nahestehende Heinrich-Böll-Stiftung wiederum arbeitet schon seit mehreren Jahren mit Addameer zusammen, einer Organisation, die keineswegs nur ein menschenrechtlich ausgerichteter Rechtshilfeverein für palästinensische Häftlinge in israelischen Gefängnissen ist, sondern auch mit deren politischen Zielen sympathisiert und etwa den palästinensischen Terror als »Widerstand gegen die Besetzung und Kolonisierung palästinensischen Landes« verharmlost. 

Die Rosa-Luxemburg-Stiftung und Medico International kooperieren mit der Vereinigung der Komitees für landwirtschaftliche Arbeit (UAWC). Zwei Männer, die im Sommer 2019 Führungsfunktionen in dieser Organisation innehatten, sollen an der Ermordung von Rina Schnerb beteiligt gewesen sein. Sie müssen sich dafür in Israel vor Gericht verantworten. Die Niederlande lösten im vergangenen Jahr einen Vertrag mit der Landwirtschaftsorganisation auf. Eine Untersuchung hatte ergeben, dass 34 Mitarbeiter und leitende Funktionäre der UAWC zwischen 2007 und 2020 Verbindungen zur PFLP hatten.

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock hatte während ihres Israel-Besuchs im Februar des vergangenen Jahres auf einer Pressekonferenz mit dem seinerzeitigen israelischen Premierminister Yair Lapid gesagt, sie nehme »die israelischen Bedenken« zu den sechs palästinensischen NGOs »sehr ernst«. Lapid kündigte damals an, das israelische und das deutsche Außenministerium würden gemeinsam prüfen, wie sich die Finanzierung von Projekten im Westjordanland fortsetzen lassen könnte, ohne dass finanzielle Mittel an Gruppen fließen, die von Israel als terroristisch geächtet werden.

Nun aber heißt es nach Recherchen der Welt vonseiten der deutschen Bundesregierung, es gebe »keine Neubewertung der Sachlage durch das Auswärtige Amt« – nachdem das Außenministerium noch im Januar verkündet hatte, neue Erkenntnisse aus dem »engen Austausch« mit der israelischen Regierung würden »fortlaufend berücksichtigt«. Die Bundesregierung verweist außerdem auf eine gemeinsame Erklärung mehrerer Außenminister von EU-Staaten vom August 2022, in der die »fortgesetzte Beschneidung zivilgesellschaftlicher Handlungsmöglichkeiten in den besetzten palästinensischen Gebieten« moniert wird. 

Deutsche Regierung will Förderpraxis nicht ändern

Die Ministerien hätten von der israelischen Regierung darüber hinaus keine Informationen erhalten, die dazu führten, »dass wir unsere Haltung gegenüber den sechs palästinensischen Organisationen der Zivilgesellschaft revidieren«. Mit anderen Worten: Die Förderpraxis geht unverändert weiter, selbst nach der Aufkündigung des Vertrags der niederländischen Regierung mit der UAWC aufgrund der Verbindungen dieser Organisation mit der terroristischen PFLP. Die Bundesregierung sieht selbst darin offenbar kein Signal, um genauso zu handeln.

»Es ist richtig, dass die Bundesregierung in den Palästinensergebieten Projekte finanziert, die sich etwa für Demokratisierung, Frauenrechte oder bessere Lebensbedingungen einsetzen«, schrieb Frederik Schindler in einem Kommentar für die Welt. »Das ist im Interesse Israels und derjenigen Palästinenser, die von ihrer korrupten und autokratischen Regierung genug haben.« Nicht gefördert werden dürften dagegen »Projekte mit zweifelhaften Durchführungspartnern«, so Schindler weiter. Wenn das Auswärtige Amt die Informationen aus Israel nicht für stichhaltig halte, solle es das »wenigstens transparent erklären«. Die Bundesregierung müsse überdies bis zur Aufklärung der Vorwürfe die Geldflüsse stoppen. Tatsächlich wäre dieser Schritt das Mindeste, was sie zu tun hätte.

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