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Islamisches Zentrum Hamburg zieht vor Gericht

Das Islamische Zentrum Hamburg gilt als Außenstelle des iranischen Regimes in Europa
Das Islamische Zentrum Hamburg gilt als Außenstelle des iranischen Regimes in Europa (© Imago Images / Hanno Bode)

Das Hamburger Landesamt für Verfassungsschutz bezeichnet das Islamische Zentrum Hamburg (IZH) als Außenstelle des iranischen Regimes in Europa, was das IZH für eine Verunglimpfung hält.

Jan Vahlenkamp

Hamburg hat eine besondere Beziehung zum Iran. Schon Ende des 18. Jahrhunderts ließen sich persische Kaufleute an der Elbe nieder. In der Nachkriegszeit prägten Teppichhändler aus dem Iran das Bild der Speicherstadt und tun es zum Teil noch immer. Heute leben etwa 30.000 Menschen mit iranischem Migrationshintergrund in Hamburg und bilden damit nach London die zweitgrößte entsprechende Community in Europa. 

Iranische Kaufleute in Hamburg waren es dann auch, die 1953 einen Verein für den Bau einer Moschee gründeten. Zwei Jahre später wurde Hojatolislam Mohagheghi aus dem Iran als deren Leiter entsandt. 1963 war der Rohbau der Imam-Ali-Moschee, die heute das Islamische Zentrum Hamburg (IZH) beherbergt, fertiggestellt. Damals konnte von Staatsnähe noch nicht die Rede sein. Die iranische Botschaft in Bonn, zu jener Zeit noch unter der Herrschaft des Schahs, hatte zeitweilig sogar die Bankkonten der Moschee sperren lassen.

Erst mit der Islamischen Revolution von 1979, durch die der Klerus die Macht eroberte, etablierte sich auch die Verbundenheit des IZH mit der jetzt entstandenen Islamischen Republik Iran. Mohammad Beheschti, IZH-Leiter von 1965 bis 1970, wurde nach der Revolution zum Obersten Richter Irans ernannt. Wie Der Spiegel seinerzeit recherchierte, benutzte er sein Amt, um Familien verurteilter Regimegegner Schmiergelder abzupressen, um die Delinquenten dann doch hinrichten zu lassen. In der Folge ließ er mehrere Millionen Mark über die Bank Melli Iran dem IZH gutschreiben, die anschließend von einem Vertrauten Beheschtis auf ein Konto bei einer deutschen Bank weitergeleitet wurden. Mohammad Khatami, IZH-Leiter von 1978 bis 1980, stieg 1997 zum iranischen Staatspräsidenten auf. 

Außenstelle der Islamischen Republik

Islamisches Zentrum Hamburg zieht vor Gericht
Demonstration von iranischen Regimegegnern gegen das IZH (Quelle: Jan Vahlenkamp)

Dem derzeitigen IZH-Leiter Mohammad Hadi Mofatteh attestiert das Hamburger Landesamt für Verfassungsschutz, ein ehemaliges Mitglied der Revolutionsgarden zu sein. Der Verfassungsschutz berichtet seit Jahrzehnten über die Aktivitäten des Islamischen Zentrums Hamburg und sieht dieses als Instrument der iranischen Staatsführung zur Etablierung einer antidemokratischen und antisemitischen Ausrichtung des schiitischen Islams nach Vorbild der iranischen Staatsideologie innerhalb Europas, also dem Export der Islamischen Revolution

Lange Zeit beeindruckte das aber kaum. Das IZH ist Gründungsmitglied des 1994 gegründeten Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD), beteiligte sich 1999 an der Gründung von Schura – Rat der islamischen Gemeinschaften in Hamburg e.V. und gab 2009 die Initiative zur Gründung der Islamischen Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden Deutschlands (IGS) bekannt. In seiner Funktion als SPD-Vorsitzender traf sich 2015 Sigmar Gabriel mit dem IGS-Vorstand. »Unser gemeinsames Ziel ist es, dass jede und jeder in unserem Land ohne Angst verschieden sein kann«, wurde damals in einer gemeinsamen Pressemitteilung von IGS und SPD verkündet. 

So ganz ohne Angst verschieden sein können, soll man nach Ansicht der IGS aber dann wohl doch nicht, denn bei der Einführung der »Ehe für alle« zwei Jahre später sah man darin »einen äußerst befremdlichen und besorgniserregenden Trend, der Indizien auf eine geplante und organisierte gesellschaftliche Verirrung sowie die Verwässerung jeglicher Moral, Ethik und Religiosität aufweist«. Ein Jahr später lud Bundespräsident Steinmeier die IGS zum »interreligiösen Dialog« nach Schloss Bellevue ein. 

Als Mitglied der Schura war das IZH seit 2012 auch über einen Staatsvertrag mit dem Land Hamburg verbunden. Hier ist es vor allem dem zähen Protest von Exil-Iranern, säkularen Muslimen, ehemaligen Muslimen und mit Israelsolidarischen Bürgern zu verdanken, dass das Thema IZH anlässlich der Evaluierung des Staatsvertrags 2022 durch die Oppositionsparteien in der Hamburgischen Bürgerschaft in den Fokus der Öffentlichkeit geriet. 

Wohl um der Schura allzu viel negative Aufmerksamkeit zu ersparen, zog sich das IZH im Januar 2022 aus dem Schura-Vorstand zurück. Doch die Aufmerksamkeit blieb. Im Juni 2022 wurde bekannt, dass der stellvertretende IZH-Leiter Seyed Soliman Mousavifar eine Ausweisungsverfügung der Hamburger Behörde für Inneres erhalten hatte, da ihm enge Beziehungen zur Hisbollah nachgewiesen werden konnten. 

Und dann flammten noch die Proteste im Iran auf, die auch in Deutschland die Aufmerksamkeit auf Institutionen richteten, die der iranischen Staatsführung nahestehen. Der Bundestag forderte im November die Regierung auf, ein Verbotsverfahren gegen das IZH zu prüfen. Auf einem Parteitag der in Hamburg mitregierenden Grünen wurde beschlossen, dass das IZH bei Verträgen mit der Stadt künftig keine Rolle mehr spielen dürfe. Kurz darauf trat das IZH aus der Schura aus. 

Unterlassungsklage gegen Verfassungsschutz

Islamisches Zentrum Hamburg zieht vor Gericht
Demonstration von iranischen Regimegegnern gegen das IZH (Quelle: Jan Vahlenkamp)

Anhängig ist aber noch immer eine 2020 eingereichte Unterlassungsklage des IZH gegen das Landesamt für Verfassungsschutz. Es sieht sich in den Verfassungsschutzberichten durch, wie es erklärt, zweifelhafte Behauptungen, Annahmen und Aussagen verunglimpft. Zwar ist unstrittig, dass der IZH-Leiter Mohammad Hadi Mofatteh der offizielle Stellvertreter des geistlichen Oberhaupts der Islamischen Republik, Ayatollah Ali Khamenei ist. Er sei ihm aber nur theologisch vorgesetzt, nicht politisch. 

Doch wie glaubhaft ist so eine Aussage in einem System, in dem Staat und Klerus praktisch identisch sind? Das IZH weist stets darauf hin, dass es nicht nur von Iranern, sondern auch von Arabern, Türken oder deutschen Konvertiten genutzt wird. Sunniten sind explizit einbezogen, was wohl im Iran undenkbar wäre. Auch Halima Krausen, die erste in Deutschland tätige Imamin, war im IZH aktiv. Sie erklärte: »Das IZH als Außenarm Teherans zu bezeichnen, ist sehr zugespitzt.« Es gebe zwar Verbindungen zwischen dem IZH und der iranischen Regierung, doch unterliege das IZH keinerlei Zwang, dem Kurs der Regierung zu folgen. 

Ganz anders sahen das die rund 200 Demonstranten, die am vergangenen Freitag erneut vor dem IZH an der Hamburger Außenalster zusammengekommen waren und sich für dessen sofortige Schließung und die Einrichtung eines iranischen Kulturzentrums in der Imam-Ali-Moschee aussprachen. 

Die Organisatorin Hourvash Pourkian von International Women in Power gab sich zuversichtlich, dass eine Zeitenwende eingetreten sei und die feministische Revolution gewinnen werde. Die Soziologin Necla Kelek forderte, dass die Moschee statt eines ideologischen Sprachrohrs des Regimes zu einem der Freiheit werden müsse. Der Fall des Mullah-Regimes sei der Schlüssel zum Frieden im Nahen Osten, erklärte die grüne Bürgerschaftsabgeordnete Gudrun Schittek. 

Kazem Moussavi, Sprecher der Green Party of Iran, regte die Umbenennung des Zentrums in »Mahsa-Amini-Kulturzentrum« an. Außerdem müsse der Leiter des IZH vor ein internationales Gericht gestellt werden. Des Weiteren sprachen auch der Hamburger CDU-Vorsitzende Dennis Thering, der Landesvorsitzende der Jungen Liberalen Nils Knoben, der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Kazim Abaci und der grüne Bürgerschaftsabgeordnete Peter Zamory auf der Kundgebung für die Schließung des IZH.

Solch eine Schließung ist letztlich nicht Teil der Verhandlung, die heute vor dem Hamburgischen Oberverwaltungsgericht stattfindet. Sollte allerdings das Gericht die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes bestätigen, wäre eine Hürde auf dem Weg zu einem Verbot durch das Bundesministerium des Innern und für Heimat genommen. Im anderen Fall ließe sich wohl kaum begründen, dass dem IZH eine »aggressiv-kämpferische« Ausrichtung gegen die Verfassung innewohnt, was für ein Verbot ausschlaggebend wäre. Es bleibt also spannend.

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