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Wie Geister: Für die Medien sind die Hamas-Terroristen unsichtbar

Warum sieht man in Medien so selten Hamas-Kämpfer im Einsatz
Warum sieht man in Medien so selten Hamas-Kämpfer im Einsatz (Imago Images / Sipa USA)

Die Hamas im aktuellen Krieg wirkt wie ein Geist. Warum sieht man in den Medien so gut wie nie Bilder von Kämpfern der Terrororganisation?

Mitchell Bard

Nach Israels Krieg im Libanon im Jahr 2006 hat der erfahrene Journalist und Senior Fellow am Joan Shorenstein Center on the Press, Politics and Public Policy in Harvard, Marvin Kalb, detailliert beschrieben, wie die Hisbollah die Presse manipuliert. Ein ähnlicher Bericht kann geschrieben werden, wenn der jetzige Krieg mit der Hamas vorbei ist, wobei man aus Kalbs damaligem Artikel nur den Begriff Hisbollah durch Hamas ersetzen müsste.

Israel ist in jedem Konflikt automatisch im Nachteil, weil es eine offene Gesellschaft ist. Wie Kalb zum Libanonkonflikt 2006 schrieb, »wurden während des Kriegs keine Geheimnisse der Hisbollah preisgegeben, aber in Israel sickerten Geheimnisse durch, Gerüchte verbreiteten sich wie ein Lauffeuer, führende Politiker sahen sich gezwungen, mahnende Appelle zu veröffentlichen, die oft auf unvollständigem Wissen beruhten, und Journalisten wurden durch die Konkurrenz und den Wettbewerb dazu getrieben, auch unbegründete Informationen zu veröffentlichen und zu verbreiten.«

Wurden nun beim aktuellen Gaza-Krieg irgendwelche Geheimnisse der Hamas enthüllt? Nein. Im Gegenteil, selbst, wenn Beweise für geheime Tunnel und die Nutzung ziviler Orte als Verstecke und Waffenlager vorgelegt wurden, haben Medien wie die New York Times (NYT) diese Beweise infrage gestellt. Die NYT hilft Israels Feinden, indem sie deren Propaganda wiederholt und Hamas-Vertreter zitiert oder Bewohner des Gazastreifens, die nicht ungezwungen sprechen können, ohne Repressalien zu riskieren.

Schlimmer noch, die NYT hat der Hamas sogar gezielte Informationen geliefert, indem sie israelische Truppenbewegungen kartierte. Haben Sie schon einmal gesehen, dass die New York Times Karten ukrainischer Truppenbewegungen veröffentlichte? Es ist, als ob die NYT-Redakteure der Hamas bei der Umsetzung ihrer Charta helfen wollten, indem sie den darin zitierten Hadith in Kraft setzen: »Der Tag des Jüngsten Gerichts wird nicht eintreten, bis die Muslime die Juden bekämpfen und töten, sodass die Juden sich hinter Steinen und Bäume verstecken. Die Steine oder Bäume jedoch werden sagen: ›Oh Muslim, oh Diener Allahs, ein Jude versteckt sich hinter mir, komm und töte ihn.‹« – Wer braucht schon sprechende Bäume, wenn er die New York Times hat?

Strenge Kontrolle

2006 berichtete Kalb auch, was Medienbeobachter wussten, Journalisten aber selten zugaben, nämlich, dass die Hisbollah die Berichterstattung der Reporter im Libanon streng kontrollierte. »Ausländische Korrespondenten wurden bei der Besichtigung [eines südlichen Vororts von Beirut] gewarnt, dass sie nicht auf eigene Faust herumlaufen oder den Bewohnern Fragen stellen dürften. Sie durften nur Fotos von Orten machen, die von ihren Hisbollah-Aufsehern genehmigt worden waren.« Zuwiderhandlungen gegen diese Vorgaben, so wurde ihnen gesagt, würden streng geahndet. Kameras würden konfisziert, Filme oder Bänder vernichtet und Reportern, die gegen die Vorschriften verstoßen, würde nie wieder Zugang zu Hisbollah-Funktionären oder von der Hisbollah kontrollierten Gebieten gewährt.

Kalb verglich die Bedingungen mit jenen der Sowjet-Ära und schrieb, nur Anderson Cooper von CNN habe die von der Hisbollah auferlegten Grundregeln beschrieben, mit denen die Terrorgruppe die Berichterstattung kontrollierte. »Alle anderen Reporter folgten dem Drehbuch der Hisbollah, das lautete: Israel hat in einer grausamen, herzlosen Machtdemonstration unschuldige Zivilisten bombardiert. Die Opferzahlen waren hoch. Die Verwüstung war überall.‹ So redete der Hisbollah-Sprecher; so schrieben viele in der ausländischen Presse.« Klingt das irgendwie bekannt?

Der von Kalb damals so hervorgehobene Anderson Cooper wiederum ist einer der wenigen, die zugeben, dieselben Einschränkungen würden auch für Reporter im Gazastreifen gelten. Doch selbst CNN meldet nicht offen, dass all jene humanitären Helfer, die Propaganda der Hamas verbreiten, auch wenn sie den Gazastreifen bereits verlassen haben, ihre Arbeit nicht fortsetzen dürften, sollten sie die Terroristen kritisieren oder von der Hamas-Darstellung abweichen.

Bei der vorangegangenen Operation im Gazastreifen räumte beispielsweise der Direktor des Hilfswerks der Vereinten Nationen (UNRWA) in Gaza ein, die Angriffe der israelischen Verteidigungsstreitkräfte seien präzise und auf militärische Ziele gerichtet gewesen. Kurz darauf sah er sich gezwungen, einen Rückzieher zu machen und Gaza zu verlassen. Zu Beginn dieses Kriegs löschte die UNRWA Postings, in denen enthüllt worden war, dass die Hamas Treibstoff und medizinische Hilfsgüter aus einem der UNO-Lager gestohlen hatte.

Wie Gespenster

Im Libanonkrieg 2006 benötigten Kameraleute keine Erlaubnis, um die Verwüstung zu filmen, wurden aber davor gewarnt, Bilder von Hisbollah-Terroristen aufzunehmen. »Das seltenste Bild von allen«, bemerkte Kalb damals, »war das eines Hisbollah-Kämpfers. Es war, als ob der Krieg aufseiten der Hisbollah von Geistern geführt würde.« Die australische Herald Sun war eine der wenigen Medien, die Fotos davon veröffentlichten, als die Hisbollah den Abschuss von Raketen aus zivilen Wohnvierteln vorbereitete – und damit jene Art von visuellem Beweis, der bei einer weiten Verbreitung die unrichtigen Berichte von Human Rights Watch und Amnesty International schnell hätte diskreditieren können.

Auch die Hamas im aktuellen Krieg wirkt wie ein Geist. Gibt es irgendeinen Ort auf der Welt, dem die Medien heute mehr Aufmerksamkeit schenken als Gaza? Und zugleich: War seit Kriegsanfang auch nur ein einziges Bild von einem Hamas-Terroristen zu sehen, wie er eine der mehr als 12.000 Raketen auf Israel abfeuert? Einige Fotografen waren am 7. Oktober ›zufällig‹ bei den Hamas-Terroristen, hätten aber angeblich keinen Tipp bekommen. Wer hat nun das Glaubwürdigkeitsproblem?

Die Medien geben Statistiken wieder, von denen die meisten wissen, dass sie vom Hamas-geführten Gesundheitsministerium stammen. Aber haben sie sich auch bemüht, die Informationen zu verifizieren? Die Reporter könnten sich diese Zahlen genauso gut von Hamas-Führer Yahya Sinwar selbst diktieren lassen. Sie wissen, dass die Opferzahlen der Hamas auch Terroristen umfassen und wiederholen dennoch immer wieder, es handle sich um Zivilisten.

Wie viele der in den Statistiken Auftauchenden sind Männer im Alter von Hamas-Rekruten? Die Hamas gibt das Alter der Opfer nicht mehr an, dafür aber Zahlen von Frauen und Kindern, welche die Journalisten nicht überprüfen können. Israel hat erklärt, mindestens sieben- bis achttausend Terroristen getötet zu haben. Selbst wenn die Zahlen der Hamas stimmen sollten, würde dies also bedeuten, dass mehr als ein Drittel der Toten Terroristen sind.

Die Medien könnten auch daran erinnert werden, dass Israel bei der Operation Gegossenes Blei 2008/09 beschuldigt wurde, mehr als 1.400 Palästinenser getötet zu haben. Auch damals wurde den israelischen Verteidigungsstreitkräften nicht geglaubt, 709 von ihnen seien Terroristen gewesen. Später allerdings gab Hamas-Innenminister Fathi Hammad zu, dass seine Organisation zwischen 600 und 700 Männer verloren hatte.

Mangelndes Verantwortungsbewusstsein

Kalb hatte auch Recht, als er schrieb, dass die Medien unbegründete Informationen veröffentlichen. Immer wieder wurde etwas als Tatsache gemeldet, obwohl, wie später zugegeben wurde, die Informationen nicht bestätigt werden konnten. Stammen die Daten von der Hamas, werden sie in der Regel als korrekt behandelt, während alles aus Israel Stammende mit Skepsis aufgenommen wird. Können Sie sich eine Schlagzeile vorstellen wie »Von den Republikanern geführtes Krankenhaus hat herausgefunden, dass Joe Biden senil ist, wie Quellen berichten« und im Text zugegeben wird, dass die Informationen nicht überprüft werden konnten?

Das vielleicht beste Beispiel für ein überstürztes Urteil und die verheerenden Auswirkungen dieser Ungenauigkeit der Medien waren Berichte, wonach Israel das arabische Krankenhaus Al-Ahli bombardiert und fast 500 Zivilisten getötet hätte. Von der Hamas mit Lügen gefüttert, wiederholten die Medien diese und waren so dafür verantwortlich, dass die Stimmung gegen Israel weltweit angeheizt wurde. Die Fakten, welche die Medien nicht abwarten wollten, deuten darauf hin, dass eine fehlgeleitete Rakete des Palästinensischen Islamischen Dschihads einen Parkplatz neben dem Krankenhaus traf, nicht das Krankenhaus selbst, und die Zahl der Opfer zwischen 30 und 50 lag. Als die Wahrheit bekannt wurde, war es bereits zu spät.

Die meisten Medien weigern sich zu glauben, die Hamas nutze Krankenhäuser, Moscheen und Schulen für ihre Zwecke. Da die Geschichte erst dann zu beginnen schien, als die Reporter am Ort des Geschehens eintrafen, ignorierten sie gern alle früheren Beweise, zum Beispiel, dass die Hamas das Shifa-Krankenhaus schon 2014 als Stützpunkt und Folterkeller verwendet hatte. Selbst jetzt, nach Vorlage von Beweisen und Bestätigung durch den amerikanischen Geheimdienst, scheinen Journalisten den Dementis der Hamas immer noch Glauben zu schenken.

Mediale Erfüllungsgehilfen

Kalb wies 2006 darauf hin, dass die Hisbollah kontrollieren konnte, wie sie der Welt präsentiert wird und ihre Abhängigkeit vom Iran selten zum Thema gemacht wurde. In ähnlicher Weise wird auch heute die Abhängigkeit der Hamas vom Iran kaum erwähnt; stattdessen wird einer leichtgläubigen und schlecht informierten Öffentlichkeit das Narrativ vom Widerstand der Menschen gegen »Besatzung« und Ungerechtigkeit aufgedrückt.

Ursprünglich erklärte die Hamas, die Al-Aqsa-Moschee in Jerusalem zu verteidigen. Wie viele Journalisten hinterfragten die Grundlage für diese Behauptung oder interessierten sich dafür, weshalb sie dann Raketen auf Jerusalem abfeuerte und die Gläubigen auf dem Tempelberg, um deren Schutz es ihr doch angeblich ging, zwang, in Schutzräume zu fliehen?

Wie damals im Libanon wird Israel auch heute beschuldigt, wahllos auf Zivilisten zu zielen, während Terroristen diese Zivilisten als Schutzschilde missbraucht. Kalb wies darauf hin, dass Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah vor dem Krieg gesagt hatte, Hisbollah-Kämpfer »leben in ihren [zivilen] Häusern, in ihren Schulen, in ihren Kirchen, auf ihren Feldern, in ihren Höfen und in ihren Fabriken«. Das muss man im Hinterkopf behalten, sollte der Krieg im Libanon erneut ernsthaft beginnen.

In einer weiteren Parallele zur aktuellen Situation stellte Kalb fest, dass die Reporter anfänglich berichtet hatten, die Hisbollah habe den Krieg begonnen und die Opfer seien eine Folge dieser Kämpfe. »Aber nach der ersten Woche wurden solche Hinweise entweder fallen gelassen oder heruntergespielt, sodass der weit verbreitete Eindruck entstand, Israel sei eine unkontrollierte Kanone, die auf alles schießt, was sich bewegt.«

In ähnlicher Weise räumten die Medien auch dieses Mal ein, dass das Massaker vom 7. Oktober der Auslöser für den Krieg war, verlagerten ihren Schwerpunkt aber bald auf die Anschuldigung, Israel bemühe sich nicht ausreichend, zivile Opfer zu vermeiden – und dies selbst, nachdem der Sprecher des amerikanischen Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, erklärt hatte, Israel unternehme beispiellose Schritte, um Zivilisten zu warnen. »Das ist im Grunde genommen ein Telegrafieren der eigenen Angriffspläne [an die Hamas]. Es gibt nur sehr wenige moderne Militärs auf der Welt, die das tun würden. Ich weiß nicht, ob wir das tun würden«, sagte Kirby bei einer Pressekonferenz.

Man muss den Medien zugestehen, dass sie konsequent sind. Schade nur, dass diese Konsequenz darin besteht, die journalistische Ethik zu ignorieren und voreingenommen gegenüber Israel zu berichten.

Mitchell Bard ist außenpolitischer Analyst und Experte auf dem Gebiet amerikanisch-israelischer Beziehungen, der 22 Bücher geschrieben und herausgegeben hat, darunter: The Arab LobbyDeath to the Infidels: Radical Islam’s War Against the Jews und After Anatevka: Tevye in Palestine. (Der Artikel erschien auf Englisch beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)

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