Jenseits der unüberprüfbaren Behauptungen der Hamas ist es im Moment völlig ungewiss, wie hoch die Zahl der Todesopfer in diesem Krieg tatsächlich ist geschweige denn, was sie für die Beurteilung der Verantwortung oder Schuld bedeutet.
James Sinkinson
Seit zwei Monaten unterstützt US-Präsident Joe Biden unerschütterlich und lautstark Israels Recht – und betont die Notwendigkeit –, die Terrorgruppe Hamas zu zerschlagen. Doch um ihn herum rufen Kritiker und Feinde des jüdischen Staates nach einem sofortigen Waffenstillstand. Mit jedem Tag, den der Krieg voranschreitet, geben sich viele dieser Kritiker lautstärker und beklagen das Schreckgespenst einer exorbitant in die Höhe schießenden Zahl von Todesopfern.
Aber sind diese von der Hamas-Gesundheitsbehörde gelieferten Todeszahlen wirklich so hoch wie behauptet wird? Was sagen sie uns? Oder: Was sagen sie uns nicht? Je genauer wir hinsehen, desto mehr scheint es, dass die Aufregung über die Zahl der Todesopfer im Gazastreifen eher eine politische Agenda widerspiegelt als die tatsächliche Sorge um den Verlust von Menschenleben.
Durchsichtige Motive
Tatsache ist, dass das Zählen der Toten in einem Krieg, insbesondere in einem von Bomben beschädigten städtischen Umfeld, eine langwierige, mühsame und in der Regel ungenaue Angelegenheit ist, und zwar selbst für objektive Beobachter, was die Hamas nicht ist. Kein Wunder also, dass Biden am 25. Oktober kundtat, er »sei nicht der Ansicht, dass die Palästinenser die Wahrheit darüber sagen, wie viele Menschen in diesem Krieg getötet wurden«. Das Wunder ist vielmehr, dass die Medien täglich die Todeszahlen der Hamas nachplappern, ohne sie auch nur annähernd bestätigen zu können.
Darüber hinaus übersehen die Medien und andere, die geradezu zwanghaft die Zahl der von der Hamas gemeldeten Todesopfer weitergeben, den eigentlichen Punkt. Was wirklich zählt, ist nicht die Zahl der Toten, sondern wie sich Israel und die Hamas jeweils gegenüber unschuldigen Zivilisten verhalten. In der Tat tut Israel sein Möglichstes, um die Zahl der zivilen Opfer zu minimieren, während die Hamas das Gegenteil tut.
Diejenigen, die sich für einen Waffenstillstand einsetzen, tragen, ob bewusst oder unbewusst, dazu bei, dass die Hamas intakt bleibt und sich wieder erholen kann. Die Feinde Israels führen die »steigende Zahl der Todesopfer« als Argument für einen sofortigen Waffenstillstand an. Doch die Hamas wird jeden Waffenstillstand nutzen, um sich neu zu formieren und ihre terroristische Infrastruktur wieder aufzubauen, wie sie es bei auch schon jedem Waffenstillstand in früheren Konflikten mit Israel getan hat.
Daher wollen der Iran und Katar, die beide die Hamas finanzieren, einen Waffenstillstand, ebenso wie fanatische antiisraelische Politiker im Westen, etwa Rashida Tlaib in USA. Auch die für die Hamas protestierenden Demonstranten wollen einen Waffenstillstand, wobei sie ihre Forderung »Waffenstillstand jetzt« mit völkermörderischen Sprechchören wie »From the river to the sea, Palestine will be free« verbinden.
Notorisch ungenaue Zahlen
Jenseits der unüberprüfbaren Behauptungen der Hamas haben wir keine Ahnung, wie hoch die tatsächliche Zahl der Todesopfer in diesem Krieg tatsächlich ist – geschweige denn, was sie für die Beurteilung der Verantwortung oder Schuld bedeutet.
Die während eines Kriegs gemeldeten Zahlen über Todesopfer sind bekanntermaßen unzuverlässig. Laut Taylor Seybolt, außerordentlicher Professor an der Universität von Pittsburgh und Mitherausgeber des Buches Counting Civilian Casualties kann die genaue Schätzung der zivilen Opfer in einem solchen Konflikt Jahre dauern. In einigen Fällen kommt es sogar nie zu einer detaillierten Überprüfung der zivilen Todesopfer.
Während des Kosovo-Kriegs 1998/99 behaupteten Medienberichte, 10.000 Kosovaren seien von serbischen Truppen massakriert worden. Jahre später kam der Internationale Strafgerichtshof im Kriegsverbrecherprozess gegen den serbischen Staatschef Slobodan Milosevic zu dem Schluss, dass 2.788 Leichen in Massengräbern gefunden wurden. Die Wahrheit ist, dass die Zahl der Todesopfer in Kriegen bestenfalls Schätzungen darstellen, die notorisch ungenau sind und oft um Hunderttausende schwanken.
Die von der Hamas propagierten Todeszahlen für den Gazastreifen lassen bequemerweise auch die Zahl der bewaffneten Terroristen außer Acht. Selbst, wenn man davon ausgeht, dass die nicht überprüfbaren Zahlen für den Gazastreifen korrekt sind und man Israels Schätzung von 6.000 getöteten Kämpfern von Anfang Dezember ernst nimmt, ist die Zahl der zivilen Todesopfer deutlich geringer als die »offiziellen« Zahlen und beträgt 10.000 statt der 16.000, die das Gesundheitsministerium von Gaza angibt.
Das bedeutet, dass das Verhältnis zwischen Kämpfern und Nichtkämpfern im Dezember 1:2,66 betrug. Im Gegensatz dazu beziffern die Vereinten Nationen das Verhältnis der von den amerikanischen und britischen Streitkräften in Afghanistan und im Irak im Jahr 2015 getöteten Kämpfer zu Nichtkämpfern mit 1:3 bis 1:4.
Wenig aussagekräftig
Aus der Zahl der Todesopfer in Gaza geht auch nicht hervor, wer die Verantwortung für den Tod der Opfer trägt. Das Hamas-Gesundheitsministerium bezeichnet einfach alle Todesopfer als Opfer der »israelischen Aggression«, einschließlich derer, die von der Hamas getötet wurden.
So machte die Hamas beispielsweise sofort Israel für einen Luftangriff auf das Al-Ahli-Krankenhaus verantwortlich und behauptete, es habe dabei fünfhundert Tote gegeben. Tage später legte Israel jedoch eindeutige Beweise dafür vor, dass die Explosion durch einen fehlgeschlagenen terroristischen Raketenabschuss verursacht worden war, bei dem vielleicht fünfzig Menschen ums Leben kamen. Das Blut der bei der Explosion Getöteten klebt also an den Händen der Terroristen, nicht an denen Israels.
Im Allgemeinen sagen uns die Todeszahlen nur sehr wenig über einen bestimmten Krieg aus. Was sind zu viele Todesopfer in einem Krieg? Was sind zu viele zivile Todesopfer? In Wahrheit hängen die Anzahl und die Kategorien der in einem Krieg getöteten Menschen von vielen Variablen ab. In einem konventionellen Krieg auf offenem Feld werden mehr militärische Opfer zu beklagen sein, während in einer dichten städtischen Umgebung mehr Zivilisten getötet werden. Der Angriff der USA auf die Kämpfer des Islamischen Staates in der irakischen Stadt Mossul beispielsweise forderte schätzungsweise 40.000 zivile Opfer. Die Zahl der Todesopfer nach der Bombardierung Dresdens durch die Alliierten im Zweiten Weltkrieg wird auf bis zu 25.000 geschätzt. Gegen beide Aktionen gab es keine Antikriegs- oder Waffenstillstandsdemonstrationen.
Wichtiger als die Zahl der Todesopfer sind die Methoden, mit denen die beiden Seiten den Krieg führen. In diesem Krieg wendet die Hamas eine Taktik an, die ein Maximum an Opfern unter der eigenen Zivilbevölkerung sicherstellt, während das israelische Militär eine Taktik anwendet, die ausschließlich auf feindliche Kämpfer abzielt und versucht, Opfer unter der Zivilbevölkerung zu vermeiden.
Umfangreiche Dokumente belegen, dass die Hamas Zivilisten als menschliche Schutzschilde einsetzt, indem sie sich selbst und ihre terroristische Infrastruktur in der Nähe von zivilen Einrichtungen platziert. Erst letzte Woche haben die israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) in der Nähe einer Schule und eines Krankenhauses eines der größten Waffenverstecke entdeckt, die bisher im Gazastreifen gefunden wurden. Der Einsatz menschlicher Schutzschilde ist ein Kriegsverbrechen ebenso wie die Nutzung ziviler Einrichtungen wie des Al-Shifa-Krankenhauses in Gaza als Militärstützpunkte.
Hamas-Kriegsführung
Im Gegensatz dazu achtet Israel darauf, dass die Zivilbevölkerung des Gazastreifens möglichst wenig zu Schaden kommt. Die IDF warnt die Zivilbevölkerung routinemäßig per SMS, Telefon und Flugblätter, die Kampfzonen zu verlassen. Greift die IDF eine zivile Einrichtung an, dann nur, wenn der militärische Vorteil eines solchen Angriffs in einem angemessenen Verhältnis zu den möglichen zivilen Opfern steht, wie es das Völkerrecht vorsieht.
Kurz gesagt, die militärischen Entscheidungen der Hamas führen dazu, dass viel mehr Zivilisten getötet werden, als dies sonst der Fall wäre. Ebenso verringern die israelischen Entscheidungen die Zahl der zivilen Todesopfer unter den gegebenen Umständen.
Die Zahl der Todesopfer ist nicht der entscheidende Faktor in einem Krieg. Wichtiger ist, dass die Hamas sich ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung verhält und davon ausgeht, dass die Zivilisten im Gazastreifen einfach nur Märtyrer für ihre Sache sind. Israel verhält sich in einer Weise, die den Tod von Zivilisten minimiert. Kein Wunder, dass die IDF oft als die moralischste Armee der Welt bezeichnet wird.
James Sinkinson ist Präsident von Facts and Logic About the Middle East (FLAME), einer Organisation, die Aufklärungsmaterial veröffentlicht, um Unwahrheiten und falsche Vorstellungen über Israel und seine Beziehungen zu den Vereinigten Staaten zu korrigieren. (Der Artikel erschien auf Englisch beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)