Eine kriegsmüde und im Rückzug begriffene Weltmacht USA, uneinige und planlose Europäer, ein blockierter UN-Sicherheitsrat und die Ignoranz der Weltgemeinschaft sorgten dafür, dass Russland, der Iran und die Türkei ihre Ziele in Syrien erreichen konnten.
Kristin Hellberg, Blätter
Für die drei Interventionsmächte hat sich der Einsatz in Syrien gelohnt. Ankara ist zwar von seinem ursprünglichen Ziel eines Machtwechsels in Damaskus abgerückt, kann aber einen Teil der syrischen Aufständischen als islamistische Söldner zur Verfolgung eigener Interessen nutzen – östlich des Euphrats gegen die Kurden, inzwischen auch in Libyen. Mit ihrem Einmarsch in Nordsyrien im Oktober 2019 hat die Türkei die dort herrschende Partei der Demokratischen Union (PYD) in die Arme Assads und Putins getrieben und ein kurdisches Autonomieprojekt verhindert.
Der Anfang Februar verstärkte türkische Einsatz in Idlib dient nur kurzfristig der Eskalation, um dem Regime eine Zonefür diemehr als eine Million Vertriebenen abzutrotzen. Mittelfristig könnten sich Ankara und Damaskus durchaus annähern, ihre Geheimdienstchefs trafen sich im Januar in Moskau. Mit Verweis auf das Abkommen von Adana aus dem Jahr 1998 versucht Putin, die beiden Nachbarn auf einen gemeinsamen Kampf gegen die PKK und ihre Verbündeten einzuschwören.
Russland unterhält in Syrien drei Militärbasen und bleibt damit im östlichen Mittelmeerraum präsent. Daneben haben sich russische Firmen mit einseitigen Verträgen einen Großteil der Gewinne bei der Förderung von Öl, Gas und Phosphor gesichert. Moskau will in Syrien staatliche Strukturen stärken und Milizen einhegen – ganz im Gegensatz zu Teheran, das an einem Staat im Staate arbeitet, um den eigenen Einfluss militärisch, politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich zu verstetigen. Nach dem Vorbild der iranischen Revolutionsgarden baute der ermordete General Qassem Soleimani die Nationalen Verteidigungskräfte (National Defense Forces, NDF) auf, syrische Paramilitärs, die unter lokaler Führung für Assad kämpfen.
Was im Libanon mit der Hisbollah gelang und im Irak mit den Hashd al-Shaabi, soll sich in Syrien mit Hilfe der NDF wiederholen – ein dauerhafter Einfluss über einen von Iran abhängigen lokalen Stellvertreter. Die schiitische „Achse des Widerstands“, die von Teheran über Bagdad, Damaskus und Beirut bis zum Mittelmeer und an die Grenzen Israels reicht, wäre damit komplett. (…)
Der Syrienkonflikt ist für die USA und Europa verloren. Umso mehr sollten sie, kurzfristig, gegenüber dem Regime und den russischen Normalisierungsbemühungen standhaft bleiben und mit Druck auf die UNO dafür sorgen, dass ihre humanitäre Hilfe den Bedürftigsten zugutekommt und nicht Assads Patronagenetzwerk. Langfristig können die Europäer auf den Veränderungswillen der Syrer hoffen und sie, wo immer das möglich ist, in ihrem Streben nach Freiheit, ihren Bemühungen um Gerechtigkeit und ihrem Wunsch nach Aussöhnung unterstützen.