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„Was soll ich denn noch zu Heiko Maas sagen?“

Der Obmann der FDP-Fraktion im Auswärtigen Ausschuss Bijan Djir-Sarai
Der Obmann der FDP-Fraktion im Auswärtigen Ausschuss Bijan Djir-Sarai (© Imago Images / Future Image)

Als einzige Partei erwähnt die FDP in ihrem Programm zur Bundestagswahl die antiisraelische Boykottkampagne BDS. Dieser wolle sie „klar entgegentreten“. Stefan Frank sprach darüber mit Bijan Djir-Sarai (FDP), Mitglied des Deutschen Bundestages und Obmann der FDP-Fraktion im Auswärtigen Ausschuss.

Mena Watch: In ihrem Wahlprogramm zur Bundestagswahl verspricht die FDP, der antiisraelischen Boykottbewegung BDS entgegenzutreten. In der Wirtschaft wollen Sie „durchsetzen, dass für antisemitische und israelfeindliche Geschäftspraktiken, wie sie beispielsweise im Luftreiseverkehr vorkommen, auf deutschen Märkten kein Platz ist“. Bitte erläutern Sie, was damit gemeint ist.

Bijan Djir-Sarai: Es gab den Fall Kuwait Airlines. Im Sommer 2016 weigerte sich die Fluglinie, einen Israeli zu befördern – aufgrund seiner Staatsangehörigkeit. Dazu gab es später eine Klage vor dem Landgericht Frankfurt am Main. Die Fluggesellschaft verstoße gegen deutsches Recht, hieß es. Es gab aber auch eine Debatte darüber, wie die gesetzliche Lage in Kuwait sei.

Wir haben uns damals über diesen Sachverhalt selbstverständlich empört und haben gesagt: Hier muss die Bundesregierung prüfen, ob es die Möglichkeit gibt, Kuwait Airlines die Start- und Landerechte in der EU zu entziehen. Man muss auch die diplomatischen Mittel ausschöpfen, damit so etwas nicht noch einmal vorkommt. Das ist nicht hinzunehmen.

Mena Watch: Muss der Bundestag auch ein neues Gesetz verabschieden?

Djir-Sarai: Nein, das kann man so pauschal nicht sagen. Es ging einfach darum, dass die Bundesregierung prüfen sollte, ob es innerhalb der bestehenden Rechtslage die Möglichkeit gibt, in so einer Situation die Start- und Landerechte zu entziehen, bevor man weitere Maßnahmen einleitet. Das hat die Bundesregierung gar nicht geprüft.

Mena Watch: Gibt es weitere Beispiele für antisemitische und israelfeindliche Geschäftspraktiken, gegen die die Bundesregierung vorgehen sollte?

Djir-Sarai: Kuwait Airlines ist einer der prominentesten Fälle, die wir derzeit kennen. Das andere muss man schauen. Gerade in Zusammenhang mit der BDS-Bewegung gab es ja auch die Forderung, bestimmte Produkte aus Israel zu kennzeichnen. Wir haben immer gesagt, dass wir das für falsch halten.

Mena Watch: Sie reden von Waren, die in israelischen Siedlungen in der Westbank produziert werden?

Djir-Sarai: Ja. Es gab vor zwei Jahren ein Urteil des Europäischen Gerichtshof dazu. Ich möchte keine juristische Debatte darüber führen. Da wird ja auch mit dem Verbraucherschutz argumentiert. Ich persönlich halte das einfach für falsch, denn die Debatte wird bei keinem anderen Staat dieser Welt geführt, sie bezieht sich sehr konkret auf Israel, und das ist aus meiner Sicht nicht fair.

Resolution gegen BDS

Mena Watch: Auch CDU, SPD und Grüne bekennen sich in ihren Programmen zur Bundestagswahl zur „Freundschaft“ mit Israel und zu Israels „Sicherheit“ und „Existenzrecht“ als „deutscher Staatsräson“. Diese Parteien vermeiden aber konkrete Aussagen und thematisieren nicht BDS. Die Passage zu Israel, die vor vier Jahren im Programm der FDP zur Bundestagswahl 2017 stand, war genauso vage, und vom Kampf gegen BDS war damals noch keine Rede. Können Sie erläutern, wie es dazu kam, dass dies diesmal ein wichtiges Thema im Programm ist?

Djir-Sarai: Das war auch damals schon ein wichtiges Thema im Programm.

Mena Watch: Ich habe das Programm von 2017 gestern aufgeschlagen und nichts dazu gefunden.

Djir-Sarai: Aber es war immer ein Bestandteil unserer Politik. Wahlprogramme sind zusammengefasst und auf das Wesentliche fokussiert.

Mena Watch: Mit „Programm“ meinte ich das, was man auf der Website  der Partei als das „Programm der Freien Demokraten zur Bundestagswahl 2017“ herunterladen kann.

Djir-Sarai: Genau, die Debatten sind natürlich komplexer und facettenreicher. Wir waren in der letzten Wahlperiode der Meinung, dass man im Deutschen Bundestag – nicht nur als FDP, sondern fraktionsübergreifend – Zeichen setzen muss gegen Antisemitismus in Deutschland. Da haben ja alle Fraktionen im Bundestag mitgemacht, mit Ausnahme der AfD. Wir haben gesagt, wir wollen eine Resolution verabschieden gegen BDS.

Mena Watch: Die Linke hat ebenfalls nicht mitgemacht.

Djir-Sarai: Die Linke hat als Fraktion nicht mitgemacht, aber es gab einzelne Abgeordnete, die die Resolution unterstützt haben.

Mena Watch: Und viele Grüne haben sich enthalten.

Djir-Sarai: Einige haben sich enthalten, andere haben die Resolution mitentwickelt. Von daher ist das Thema Gott sei Dank bei allen Fraktionen auf dem Schirm gewesen. Es war eine gute Sache, dass der Deutsche Bundestag solch eine fraktionsübergreifende Resolution zustande gebracht hat. Daran sieht man auch, dass alle das Thema ernst nehmen.

Mena Watch: War es damals einfach, diese relative Geschlossenheit aller Bundestagsfraktionen für diese Resolution herzustellen? Sind die Befürworter überall auf offene Arme gestoßen?

Djir-Sarai (lacht): Der Anfang war nicht leicht. Aber wir wussten, dass andere Parlamente, wie der Landtag von Nordrhein-Westfalen, ja auch schon eine solche Resolution verabschiedet hatten. Wir fanden das gut und haben es als Vorbild gesehen und haben gesagt: Wir als Deutscher Bundestag müssen eine Positionierung dazu haben.

Natürlich gab es einzelne Stimmen aus anderen Fraktionen, die gesagt haben: Nein, das muss man nicht machen. Aber die überwiegende Mehrheit fand den Gedanken richtig, dass der Deutsche Bundestag eine Position hat. Es war uns auch wichtig, dass es nicht die Resolution einer bestimmten Fraktion ist, sondern die des Deutschen Bundestages.

Das iranische Atmoprogramm

Mena Watch: Was waren die wichtigsten Impulse, die Sie und die FDP-Bundestagsfraktion in der zurückliegenden Legislaturperiode im Hinblick auf Israel und BDS gegeben haben?

Djir-Sarai: Also einmal diese BDS-Resolution des Deutschen Bundestages. Diese würde ich als eine Initiative der FDP bezeichnen, die dann in die Resolution des gesamten Deutschen Bundestages gemündet ist. Das Thema ist ja sowohl außen- als auch innenpolitisch relevant. Wir waren auch die Fraktion, die Druck gemacht hat, damit die Hisbollah als Terrororganisation eingestuft wird. Das war ein Thema, das wir Außenpolitiker schon immer so gesehen haben, es hat sich aber immer wieder verzögert.

Nun wäre meiner Meinung nach der nächste Schritt, die Hisbollah EU-weit als Terrororganisation einzustufen. Dass es in Deutschland zu so einer Bewertung kam, war ein Erfolg meiner Fraktion, wir waren die Treiber dahinter.

Wir haben das Thema „Abstimmungsverhalten Deutschlands bei der UNO in Bezug auf Israel“ thematisiert, als Antrag im Deutschen Bundestag. Wir haben das auch mehrmals als Debattenpunkt im Auswärtigen Ausschuss aufgesetzt. Und wir haben oft die Bundesregierung aufgefordert, Stellung zu beziehen, warum sie sich bei bestimmten Abstimmungen so verhalten hat, wie sie sich verhalten hat. Wir haben da in der letzten Wahlperiode permanent den Druck erhöht.

Wir haben – was für Israel relevant ist – im Auswärtigen Ausschuss die Rolle des Iran in der Region immer wieder auf die Tagesordnung gesetzt. Wir waren Impulsgeber für eine Meinung, die es früher nicht im Deutschen Bundestag gab und die sich auch noch nicht hundertprozentig durchgesetzt hat. Aus unserer Sicht – und da unterscheiden wir uns von allen anderen Parteien im Deutschen Bundestag – ist die komplette Fokussierung der Europäischen Union auf das Atomabkommen mit dem Iran falsch. Die Welt ist nicht mehr die Welt des Jahres 2015.

Wir brauchen zusätzliche Abkommen. Wir müssen über das Raketenprogramm reden, wie auch über die Rolle des Irans in der Region. Diesen Beitrag empfinden wir als außerordentlich problematisch. Deshalb ist es aus unserer Sicht falsch, allein das Atomabkommen in den Vordergrund zu rücken. Wir haben viele andere Konflikte mit dem Iran in der Region, die umfassender sind. In den letzten Jahren gab es im Iran immer wieder Unruhen, in deren Folge es zu eklatanten Menschenrechtsverletzungen kam.

Wir haben es als beschämend empfunden, dass der deutsche Außenminister nie in der Lage war, diese Dinge anzusprechen geschweige denn zu kritisieren. Das hat uns als FDP immer sehr geärgert, dass beim Thema Iran immer nur dieses Abkommen im Vordergrund steht und man bereit ist, Menschenrechtsverletzungen im Iran totzuschweigen. Das ist aus meiner Sicht beschämend für die deutsche Außenpolitik.

Mena Watch: Sollte es EU-Sanktionen gegen das iranische Regime geben?

Djir-Sarai: Das ist nicht der Punkt. Ich glaube, dass Deutschland und die EU eine neue Iran-Strategie brauchen, denn die bisherige, die auf die Bewahrung des Atomabkommens zielt, ist absolut nicht zeitgemäß, aus meiner Sicht gescheitert und jenseits der Realität. Es braucht eine  neue Strategie, in der das Atomabkommen nur ein Baustein ist. Die anderen sind das Raketenprogramm und die Lage der Menschenrechte. Das sind Themen, die auf den Tisch gehören und aus meiner Sicht höchste Priorität haben.

Mena Watch: Aber muss man dem iranischen Regime nicht auch mit irgendetwas drohen können, etwa mit Sanktionen?

Djir-Sarai: Im Moment wird mit gar nichts gedroht. Wir haben in der Europäischen Union ein konkretes Instrument an der Hand: personenbezogene Sanktionen. Ich bin dagegen, dass man ein ganzes Volk abstraft, dass man das iranische Volk für das schlechte Verhalten dieses Regimes bestraft. Aber wir können schon sehr konkret Personen sanktionieren und davon sollten wir Gebrauch machen.

Wir sind sehr leicht in der Lage, festzustellen, wer im iranischen Regime die Verantwortlichkeit für bestimmte Dinge hat, etwa für Menschenrechtsverletzungen oder Operationen im Ausland oder Aktivitäten, die Terroristen unterstützen. Gegen die Personen und Institutionen, die das machen, müssen Sanktionen verhängt werden – konkret gegen diese Gruppen, und nicht pauschal gegen das Land und die Menschen.

Deutschland in der UNO

Mena Watch: Bundesaußenminister Heiko Maas verteidigt das deutsche Abstimmungsverhalten in der UNO – wo Deutschland fast jede Anti-Israel-Resolution mitträgt – mit dem Argument, auf diese Weise Schlimmeres zu verhüten:

„Anstatt frühzeitig aus der Debatte rauszugehen und damit Resolutionstexte zu bekommen, die deutlich schärfer gegen Israel gerichtet sind, wollen wir in den Debatten Einfluss nehmen und dafür sorgen, dass die Texte so ausfallen, dass sie nicht die Schärfe haben, sondern dass Dinge, die dort stehen und die wir nicht mittragen können, auch nicht verabschiedet werden.“

Was sagen Sie zu dieser Argumentation?

Djir-Sarai: Was soll ich denn noch zu Heiko Maas sagen? Was soll ich als Außenpolitiker zu einem Außenminister sagen, der bis vor einigen Wochen der Meinung war, dass die Taliban in Afghanistan keine große Rolle spielen? Was soll man da noch sagen.

Ich glaube, ich muss Heiko Maas nicht mehr kommentieren. Diese ewigen Ausreden, dass man mit diesem Abstimmungsverhalten israelische Interessen berücksichtigt hätte – das sind ja faule Ausreden. In der Außenpolitik ist es aus meiner Sicht notwendig, eine sehr klare Linie zu haben. Deutsche Politiker sagen bei jeder Gelegenheit, ihnen sei die Sicherheit des Staates Israel wichtig – und dann solche geheimen Abstimmungen.

Übrigens erteilt die Bundesregierung nicht gerne Auskunft darüber, wie sie letztendlich abgestimmt hat, das ist auch interessant. Wenn die Bundesregierung letztendlich anders abstimmt, als sie vorher großmündig immer ankündigt, dann ist das ein großes Glaubwürdigkeitsproblem der Bundesregierung. Da machen wir uns unehrlich.

Wir sollten in der Außenpolitik klare Positionen und einen klaren Wertekompass haben. Wir sollten Leitlinien in der Außenpolitik haben, denen gemäß wir handeln oder an denen wir uns zumindest orientieren. Das fehlte mir bei Heiko Maas und der letzten Bundesregierung gerade in der Außenpolitik total.

Mena Watch: Es ist gut möglich, dass die FDP der nächsten Bundesregierung angehören wird. Wird sich dann an der Politik gegenüber Israel und dem deutschen Abstimmungsverhalten in der UNO etwas ändern – auch, wenn die FDP vielleicht nicht den Außenminister stellen wird?

Djir-Sarai: Zunächst einmal wollen wir hoffen, dass die FDP Teil der Bundesregierung sein wird. Es ist schwer, vom heutigen Tag aus eine Prognose abzugeben. Dann kommt es auch darauf an, ob die FDP tatsächlich das Außenministerium führen wird. Auch das müssen wir abwarten. Sollte das der Fall sein, wird die Entwicklung einer neuen Nahoststrategie notwendig sein. Dies beinhaltet natürlich auch die Themen, die ich vorhin erwähnt habe, etwa das Thema Iran.

Israel ist die einzige Demokratie in der Region; und auch in Zusammenhang mit der historischen Verantwortung wird die FDP in einer Bundesregierung – egal, in welcher Konstellation – immer ein fairer Freund und Partner Israels sein.

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