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Warum spricht im Nahen Osten niemand von Rechtsextremismus?

Warum spricht im Nahen Osten niemand von Rechtsextremismus?
Hisbollah-Mitglieder im Libanon.

„Auf die Länder von Marokko bis Pakistan kann das Bezugssystem, das von einer politischen Linken und Rechten ausgeht, offenbar nicht angewendet werden. Eine Ausnahme bildet Israel. Bei den israelischen Wahlen tritt den größeren Medien zufolge ein Parteienspektrum an, das von ganz links bis ganz rechts reicht.

Obwohl Indien und Pakistan historisch viel gemeinsam haben, macht der Independent zwar in Indien einen ‚rechtsradikalen Populismus‘ aus, nicht aber in Pakistan. Wenn es dort keinen ‚rechtsradikalen‘ Populismus gibt, dann vielleicht einen ‚linksextremen‘? Auch nicht. Der Nahe und Mittlere Osten scheint sich in einem apolitischen Universum zu befinden. In Südamerika, dem südlichen Afrika, in Ostasien und Australien dagegen gibt es links- und rechtsgerichtete Parteien. Wie ist die Unfähigkeit der größeren Medien insbesondere im Westen zu erklären, die Konzepte ‚rechts, rechtsaußen, links, linksradikal‘ oder ‚konservativ, liberal‘ auf den Nahen und Mittleren Osten anzuwenden? Die Hamas oder die Fatah etwa werden nicht als ‚rechtsradikale Fundamentalisten‘ oder ‚Mitte Rechts Nationalisten‘ bezeichnet, obwohl sie vermutlich so genannt würden, träten sie bei den Wahlen in Bulgarien oder Dänemark an. (…)

Um dieser Begrifflichkeit auszuweichen (und damit einen Großteil der Politik in einem Dutzend Länder schönzureden und zu verharmlosen), haben manche Medien sogar neue Begriffe geprägt, um politische Trennungslinien zu bezeichnen, so beispielsweise für den Iran. Im Iran gibt es ‚Hardliner‘ und ‚Gemäßigte‘. Und fertig. Es gibt keine ‚rechten‘ Parteien, keine Zentristen, keine Populisten, und selbstverständlich keine Alt Right. Mahmoud Ahmadinedschad gilt als ‚forscher populistischer Hardliner‘. Als Roy Moore in Alabama für den Senat kandidierte, wurde er als ‚reaktionär‘, als ‚rechtsradikaler Republikaner‘ und ‚umstrittener Konservativer‘ beschrieben. Doch die gleichen Medien sind unfähig, eine ähnliche Terminologie auf den Holocaustleugner Ahmadinedschad anzuwenden. (…)

Die Vermeidung dieser Begrifflichkeit ist zudem auf das absichtliche Bestreben zurückzuführen, die Politik in diesen Ländern schönzureden. Das politische Spektrum Pakistans reicht in erster Linie von rechtsradikalen religiösen Traditionalisten bis zur nationalistischen Rechten. Im Iran reicht es von rechtsradikalen religiösen Traditionalisten bis zu fanatischen rechtsradikalen religiösen Traditionalisten. In den meisten dieser Länder gibt es schlicht keine Linke. Fast alle Kandidaten bei den Wahlen in Pakistan unterstützen die Verhängung der Todesstrafe für Gotteslästerung. Täte das ein Kandidat in den USA, würde er selbstverständlich als ‚extremistischer rechtsradikaler Fundamentalist‘ eingestuft. Wenn Le Pen ‚rechtsaußen‘ ist, dann ist Ahmadinedschad es allemal, und das gleiche gilt für die AKP, die Hamas, die Hisbollah und die PML-N und viele andere Parteien im Nahen und Mittleren Osten.

Schließlich ist die Abwesenheit eines konventionellen politischen Spektrums auch darauf zurückzuführen, dass der Begriff ‚links‘ in den westlichen Medien im Allgemeinen mit ‚gut‘ gleichgesetzt wird. ‚Rechts‘ steht dagegen für ‚schlecht‘, ‚rassistisch‘, ‚nationalistisch‘ oder ‚religiös-konservativ‘. Im Nahen und Mittleren Osten sind praktisch alle Parteien entweder nationalistisch oder rechtsradikal-konservativ. Die Entscheidung, sie nicht als solche zu benennen, ermöglicht, sie vor dem Leser zu verharmlosen. (…)“ (Seth J. Frantzman: „Whitewashing far-right parties in the Middle East“)

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