US-Präsident Barack Obama hat Russland die Tür in den Nahen Osten geöffnet. Der Region hat er damit keinen guten Dienst erwiesen.
Jakub Grygiel, The Caravan
Der Wiedereintritt Russlands in den östlichen Mittelmeerraum und den Nahen Osten ist eine der großen Geschichten des vergangenen Jahrzehnts. Obwohl Russlands recueillement nach 1991 zu seinem effektiven Verschwinden aus dem Nahen Osten führte, ist seine Präsenz in der Region geschichtlich natürlich keine neue Realität. Zaren und sowjetische Führer bemühten sich in den letzten drei Jahrhunderten, ihre militärische Macht und ihren politischen Einfluss in der Region auszudehnen und stießen dabei mit verschiedenen Großmächten zusammen, vom osmanischen Sultanat über das britische Empire bis hin zu den Vereinigten Staaten. Aber die Geschwindigkeit, mit der der derzeitige russische Vorstoß stattgefunden hat, ist überraschend und beunruhigend. Moskau hat ein enormes Maß an Instabilität und Unvorhersehbarkeit in die ohnehin schon verzwickte lokale Machtdynamik gebracht. (…)
Russland kehrte in den Nahen Osten zurück, weil die USA ihm die Tür geöffnet haben. Putin war ermutigt durch die hochfliegende, aber leere Rhetorik der Obama-Regierung. Präsident Obama hatte 2011 lautstark verkündet, dass Assad in Syrien ‚zur Seite treten‘ müsse. Im Jahr 2012 fügte er hinzu, dass Assad durch den Einsatz chemischer Waffen eine ‚rote Linie‘ überschritten habe. Die kühnen Worte wurden jedoch nie von einer entsprechenden Politik begleitet. Russland hatte Assad viele Jahre lang unterstützt, tatsächlich war dessen Regime der letzte Quasi-Verbündete Moskaus in dieser Region. Die Forderung nach Assads Abtreten, ohne ihr mit ernsthaften Maßnahmen Nachdruck zu verleihen, war wie eine Gratis-Einladung an Putin, den syrischen Diktator zu unterstützen. (…)
Im Laufe von fünf Jahren gelang es Putin nicht nur, die syrische Regierung als Vorposten des russischen Einflusses in der Region zu halten, sondern auch ein wichtiges NATO-Mitglied, die Türkei, dazu zu bewegen, sich deutlich freundlicher gegenüber Moskau umzuorientieren. (…)
Moskau hat keine eifrigen Pläne zum Wiederaufbau Syriens oder für die Linderung der von Assad und den islamistischen Terrorgruppen verursachten humanitären Katastrophe. Es ist nur bestrebt, Stützpunkte zu errichten, von denen aus es einen gewissen Einfluss auf den östlichen Mittelmeerraum ausüben kann. Außerdem will Putin die Region destabilisieren, indem er ein Problem schafft, für das er selbst dann eine Lösung anbieten kann. Das ist eine bewährte Strategie, die Russland seit seinem Aufstieg im frühen 18. Jahrhundert verfolgt: Instabilität säen, um dann das Gebiet nach seinen Interessen neu ordnen zu können. So hat sich Russland den europäischen Führern als entschiedener Verteidiger der Christen gegen die Feldzüge islamistischer Terroristen und als eine Kraft zur Begrenzung der Flüchtlingsströme präsentiert – während es gleichzeitig wenig gegen den IS unternimmt und Assad bei dessen grausamer Unterdrückung der Opposition unterstützt.“