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Ringen um Einfluss in afrikanischer Wagner-Bastion

Kämpfer mit dem Abzeichen der Gruppe Wagner. (© imago images/SNA)
Kämpfer mit dem Abzeichen der Gruppe Wagner. (© imago images/SNA)

Vier Monate nach dem Tod ihres Anführers Jewgeni Prigoschin wackelt die Vormachtstellung der Gruppe Wagner in der Zentralafrikanischen Republik.

Im August dieses Jahres kam Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin – wenig überraschend nach der gescheiterten Rebellion des 62-Jährigen gegen die russische Militärführung in Moskau – bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Obwohl es die Söldnergruppe offiziell nie hätte geben dürfen, da das russische Gesetz private Militärfirmen verbietet, existiert die Organisation nach wie vor.

Neben ihrem Engagement in Syrien, Libyen, der Zentralafrikanischen Republik und der Ukraine haben Wagner-Söldner auch im Sudan, in Mali und Mosambik gekämpft und damit stellvertretend russischen Einfluss ausgeübt. Darüber hinaus soll Wagner auch in Madagaskar und Sri Lanka tätig gewesen sein. In Venezuela waren die bezahlten Kämpfer für den Schutz von Präsident Nicolas Maduro verantwortlich.

Einsatz in Syrien beendet

Nach dem Tod Prigoschins wurden Teile der Wagner-Strukturen aufgelöst wie etwa in Syrien, wo die Söldner Öl- und Gasanlagen für das Assad-Regime bewachten und im Gegenzug Gewinne abschöpften. Da Russland offiziell in Syrien im Einsatz ist, war es einfach, die Wagner-Verbände in die russische Armee einzugliedern. Der Großteil von ihnen wurde nach Russland und Belarus abgezogen, um lokale Streitkräfte auszubilden und in der Ukraine zu kämpfen.

Anders verhält es sich in Afrika, wo die Gruppe Wagner über die Jahre ein weitreichendes Netzwerk aufgebaut hat und als Sicherheitsdienstleister und in der Wirtschaft über großen Einfluss verfügt – ein Netzwerk, auf das der russische Präsident Wladimir Putin aus wirtschaftlichen und strategischen Gründen nicht verzichten möchte. Die Zahl der Wagner-Kräfte in Afrika, die sich vor allem auf die Zentralafrikanische Republik, Mali und Libyen konzentrieren, blieb daher vorerst stabil.

Große Nachfrage in Afrika

Jewgeni Prigoschin war mit seinen Truppen schon seit mindestens dem Jahr 2017 in Afrika aktiv. Der Einfluss des Unternehmens reicht von Libyen, wo Wagner seit 2018 mit General Khalifa Haftar kooperiert, bis in den Sudan und in die Zentralafrikanische Republik, wo die Söldner die Regierung von Präsident Touadéra unterstützen. Seit 2021 ist Wagner auch in Mali stationiert, wo es an der Seite des Militärs einen dschihadistischen Aufstand im Norden und im Zentrum des Landes bekämpft.Insgesamt sollen sich rund fünftausend Söldner auf dem Kontinent befinden, die aus dem Arsenal ehemaliger russischer Soldaten, Sträflingen und ausländischen Staatsangehörigen rekrutiert wurden.

Aber Wagner kämpft nicht nur. Da Russland in Afrika keine koloniale Vergangenheit hat, gibt sich die russische Söldnergruppe einen antikolonialen Anstrich und hetzt in Desinformationskampagnen gegen den Westen. Damit tritt sie in Konkurrenz zur ehemaligen Kolonialmacht Frankreich, die in den letzten Jahren am Kontinent immer mehr an Einfluss verlor.

Wagner ist der ideale Partner für regional und international geächtete Staatsführer, die durch fehlende Legitimation und Aufstände unter Druck geraten sind und nur über wenige Alternativen und begrenzte Liquidität verfügen. Anders als westliche Partner interessiert Wagner sich auch nicht für Menschenrechts- und Transparenzstandards.

Die Reichweite der Söldnergruppe beschränkt sich jedoch nicht nur auf illiberale Regime. Wagner war etwa auch in Mosambik tätig, um Extremisten in der Provinz Cabo Delgado zu bekämpfen. Da es der Gruppe aber nicht gelang, den Aufstand einzudämmen, zog sie sich nach einigen Monaten aus dem Gebiet zurück.

Bodyguards des Präsidenten

Eine Wagner-Bastion war lange Zeit die Zentralafrikanische Republik. Bereits 2017 lud Präsident Touadéra russische Militärausbilder ein, um seinen schlecht ausgebildeten Streitkräften im Kampf gegen muslimische Rebellengruppen unter die Arme zu greifen. Bis heute sind über tausend Söldner für die Sicherheit der Regierung zuständig. Wagners Statthalter ist der noch von Prigoschin eingesetzte Vitali Perfilev, der als oberster Sicherheitsberater im Sold von Präsident Touadéra steht.

Wagner eskortiert aber nicht nur den Präsidenten auf seinen Reisen durch das Land. Soldaten der nationalen Armee, die von russischen Ausbildern geschult wurden und das Totenkopf-Logo der Gruppe Wagner auf ihren Uniformen tragen, bewachen Regierungsgebäude und patrouillieren in der Nachbarschaft des Präsidenten.

Bezahlt wird Wagner unter anderem mit Konzessionen. So kontrolliert die Gruppe die größte Goldmine der Zentralafrikanischen Republik und lässt Diamanten und Uran abbauen.

Ringen um Einfluss

Wie die New York Times Ende November berichtete, hat der Tod Prigoschins die einstmals guten Beziehungen der Söldnergruppe zur Zentralafrikanischen Republik geschwächt. Wie Beobachter meinen, sei dies auf die harte Vorgehensweise der Gruppe, darunter Vergewaltigung, Folter und andere Menschenrechtsverletzungen sowie auf deren wirtschaftliche Ausbeutung des Landes zurückzuführen.

Die Regierungsspitze prüfe Angebote westlicher Länder, einschließlich der USA, um Wagner als primären Sicherheitsgaranten zu ersetzen. Doch so einfach wird das nicht. Robert Ngoki, Präsident der Handelskammer des Landes, brachte es gegenüber der New York Times auf den Punkt: »Der Westen will, dass wir die Wagners loswerden, aber ohne sie werden wir innerhalb von achtundvierzig Stunden Probleme haben. Ob wir es wollen oder nicht, sie sind diejenigen, die das Hinterland schützen.«

Das Regime von Präsident Touadéra kann nur überleben, wenn es von bewaffneten Professionellen verteidigt wird. Frankreich wird diese Rolle nicht übernehmen. Präsident Emmanuel Macron hat zwar eine erneute Zusammenarbeit in zivilen Angelegenheiten angeboten, aber deutlich gemacht, keine Truppen entsenden zu wollen.

Für Touadéra aussichtsreicher scheint ein Angebot der privaten US-Sicherheitsfirma Bancroft zu sein. Die Firma mit Sitz in Washington bietet Beratung und Militärtrainings unter anderem in Somalia und Burundi an. Zwar fand schon ein Treffen mit zentralafrikanischen Beamten statt, zu einer Einigung kam es bisher jedoch noch nicht.

»System Wagner« bleibt

Russland profitiert in doppelter Weise vom »System Wagner«: Zum einen durch den politischen und geostrategischen Einfluss in einem immer wichtiger werdenden Teil der Welt. Zum anderen durch den wirtschaftlichen Faktor, denn Wagner versorgt Russland mit Bodenschätzen wie Gold und Diamanten – wichtige Rohstoffe in Zeiten von Sanktionen.

Moskau wird das »System Wagner« daher nicht zerschlagen. Stattdessen zielt der Kreml darauf ab, Wagner-Söldner durch neue Verträge an das russische Verteidigungsministerium zu binden und, wo es an Loyalität mangelt, Köpfe auszutauschen.

Beobachter vermuten, dass auch die russische Sicherheitsfirma Redut Teile der Wagner-Geschäfte in Afrika übernehmen könnte. Ähnlich wie Wagner war Redut lange Zeit in Syrien tätig, kämpft seit 2022 in der Ukraine und hat Erfahrung mit Einsätzen in den Golfstaaten, Irakisch-Kurdistan und Somalia.

Das »System Wagner« hat also eine Zukunft, wenn auch mit neuer Führung und möglicherweise einem neuen Namen.

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