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Libanons oberster christlicher Kleriker verurteilt Gewalt

Hisbollah- und Amal-Anhänger beim Begräbnis der vergangene Woche in Beirut Getöteten
Hisbollah- und Amal-Anhänger beim Begräbnis der vergangene Woche in Beirut Getöteten (© Imago Images / ZUMA Wire)

„Niemand steht über dem Gesetz“, sagte der maronitische Patriarch Bechara Boutros Al-Rai, nach einem tödlichen Schusswechsel zwischen Hisbollah-Anhängern und nicht identifizierten Angreifern in Beirut.

Der oberste christliche Geistliche des Libanon verurteilte am Sonntag die Gewalttaten, die letzte Woche in Beirut ausgebrochen waren, als „inakzeptabel“ und rief alle Parteien des Landes auf, die Unabhängigkeit der Justiz zu respektieren.

„Wir müssen die Justiz von politischer Einmischung, konfessionellem und parteipolitischem Aktivismus freimachen und ihre Unabhängigkeit gemäß dem Prinzip der Gewaltenteilung respektieren“, sagte der maronitische Patriarch Bechara Boutros Al-Rai laut Reuters. „Niemand steht über dem Gesetz und der Justiz.“

Rais Äußerungen fielen im Kontext der wachsenden Spannungen im Zusammenhang mit der laufenden Untersuchung der Katastrophe im Beiruter Hafen vom 4. August 2020, die sich am Donnerstag in einer tödlichen Straßenschlacht in der libanesischen Hauptstadt Tripolis zuspitzte.

Bei der Explosion im Beiruter Hafen, einer der größten nichtnuklearen Explosionen der Geschichte, kamen mehr als 200 Menschen ums Leben und es entstand ein Schaden in Milliardenhöhe. Die Explosion wurde durch die Entzündung einer großen Menge Ammoniumnitrat verursacht, das seit 2014 unsachgemäß im Hafen gelagert worden waren. Mehr als ein Jahr nach der Katastrophe ist noch niemand zur Rechenschaft gezogen worden.

Die Ermittlungen werden durch den Widerstand verschiedener politischer Gruppierungen behindert, insbesondere derjenigen, die mit der schiitischen Terrorgruppe Hisbollah verbunden sind. Der leitende Ermittler, Richter Tarek Bitar, hat nach Angaben der Financial Times eine Reihe ehemaliger hochrangiger Beamter, darunter auch Verbündete der Hisbollah, wegen krimineller Fahrlässigkeit angeklagt. Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah seinerseits hat Bitar politische Voreingenommenheit vorgeworfen.

Eskaltion der Gewalt

Am Donnerstag wurden mindestens sieben Menschen getötet, als Unbekannte das Feuer auf Anhänger der Hisbollah und der schiitischen Amal-Partei eröffneten, die an einer von den beiden Gruppen organisierten Demonstration gegen Bitar und für seine Absetzung teilnehmen wollten.

Am Freitag fanden Beerdigungen der Toten statt, darunter eine Frau, die nach Angaben der Financial Times auf ihrem Balkon erschossen worden sein soll. Die Hisbollah machte am Donnerstag die Partei der christlichen libanesischen Streitkräfte für die Todesfälle verantwortlich, was der Vorsitzende dieser Partei, Samir Geagea, zurückwies.

Die Gewalttaten ereigneten sich vor dem Hintergrund der schlimmsten Finanzkrise, die der Libanon je erlebt hat, und verstärkten die Sorge um die Zukunft des Landes.

In seiner Predigt am Sonntag rief Patriarch Al-Rai das libanesische Volk dazu auf, Gerechtigkeit nicht durch Rache zu ersetzen.

„Das demokratische System hat uns friedliche Mittel zur freien Meinungsäußerung zur Verfügung gestellt, egal ob wir dafür oder dagegen sind. Es ist daher nicht hinnehmbar, dass irgendeine Partei auf Drohungen oder Gewalt zurückgreift und Partei- oder Stammeskontrollpunkte einrichtet, um mit Gewalt zu erreichen, was sie will“, sagte er.

Er fügte hinzu, dass der libanesische Ministerrat zusammenkommen, Entscheidungen treffen und die verfassungsmäßige Ordnung respektieren müsse, so Reuters.

(Der Artikel Lebanon’s top cleric condemns Beirut violence, calls to respect judiciary“ ist zuerst beim Jewish News Syndicate erschienen. Übersetzung von Alexander Gruber.)

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