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Israels Souveränität und Völkerrecht: Fazit (9/9)

Internationales Recht
Internationales Recht (Quelle: Pixabay)

Internationales Recht, dass nicht auf alle vergleichbaren oder ähnlich gelagerten Fälle gleich angewendet wird, ist keines.

Die von Kontorovich in seiner in Teil 8 vorgestellten Studie untersuchten Fälle fördern ganz ähnliche Befunde zutage wie die drei zu Osttimor, der Westsahara und dem Libanon. Hervorzuheben wären hier noch die von Russland besetzten Gebiete Abchasien und die Halbinsel Krim.

Obwohl vor allem die Besetzung der Krim international für scharfe Kritik sorgte und deshalb Sanktionen gegen Russland verhängt wurden, ist die Siedlungspolitik in den russisch besetzten Gebieten international überhaupt kein Thema und von Art. 49 (6) ist keine Rede.

Als Ergebnis von Kontorovichs Vergleich lassen sich aus der Staatenpraxis folgende Schlüsse ziehen:

  1. In allen Fällen einer länger andauernden Besatzung eines an die Besatzungsmacht angrenzenden Gebiets gibt es mehr oder minder umfangreiche Siedlungstätigkeiten, von denen manche tiefgreifende Auswirkungen auf die Demographie der besetzten Gebiete haben.
    Oftmals geht der Zustrom von neuen Siedlern Hand in Hand mit der Flucht oder Vertreibung zahlreicher Bewohner aus den besetzten Gebieten. Die großen Ausnahmen diesbezüglich waren die vietnamesische Besatzung Kambodschas – und die israelische Besatzung des Westjordanlands.
  2. In allen untersuchten Fällen ging die fast selbstverständliche Siedlungstätigkeit mit weitgehendem internationalem Schweigen einher. Außer den betroffenen Ländern selbst verurteilten weder Staaten noch internationale Organisationen die jeweilige Siedlungspolitik als Bruch des Völkerrechts.
    In keinem Fall wurde auf einen Verstoß gegen Art. 49(6) der IV. Genfer Konvention verwiesen – nicht im Sinne einer engen Auslegung, in der es um staatlich organisierte Umsiedlung und Deportation geht, und schon gar nicht im Sinne der viel weiter gefassten Auslegung, die schon die Ermöglichung oder Unterstützung des Zuzugs von Siedlern in das besetzte Gebiet als Bruch des Völkerrechts verurteilt.
    Eigentlich müsste Art. 49(6) umso öfter Anwendung finden, umso weiter er ausgelegt wird. In der realen Praxis der Staaten und internationalen Organisationen spielt er aber selbst bei weitester Auslegung praktisch keine Rolle.
  3. In keinem Fall forderte die internationale Staatengemeinschaft im Rahmen von Konfliktlösungsprozessen den Abzug der Siedlerbevölkerung aus dem besetzten Gebiet. (Das forderten höchstens die betroffenen Staaten selbst, wie etwa Zypern im Falle der türkischen Siedler im türkisch besetzten Norden des Landes). Vielmehr wurde mehrfach explizit Sorge dafür getragen, dass die Siedler vor Ort bleiben und an der Zukunftsgestaltung des Landes mitwirken können.

Internationales Recht?

All das steht in geradezu schreiendem Gegensatz zu der Art und Weise, wie Staaten, internationale Organisationen und andere Akteure sich im Fall der israelischen Siedlungen im Westjordanland positionieren: Hier wird ein Verhalten an den Tag gelegt wie buchstäblich gegenüber keinem anderen Fall auf der Welt. Die staatliche Praxis zeigt, dass Artikel 49(6) ausschließlich bemüht wird, um Israel an den Pranger zu stellen.

Der Vergleich zwischen Israel und ähnlich gelagerten Schauplätzen zeigt in aller Klarheit, wie hohl die Berufung auf internationales Recht bei der Verurteilung israelischer Siedlungen ist. Internationales Recht muss zwei Komponenten aufweisen:

  1. Es muss sich um Recht in dem Sinne handeln, dass Normen allgemeingültig festlegen, wie ähnlich gelagerte Fälle zu bewerten sind.
  2. Und es muss insofern international sein, als es nicht ausschließlich auf ein Land angewendet werden darf.

Wenn Regeln und Normen nicht konsistent auf alle ähnlich gelagerten Fälle Anwendung finden, sondern auf einen einzigen Fall beschränkt bleiben, handelt es sich nicht um Recht, sondern um Willkür, die in der Verkleidung von Recht auftritt.

Dass diejenigen, die Israel aussondern und ausschließlich israelische Siedlungen als illegal verurteilen, ausgerechnet das internationale Recht im Munde führen, ist nicht Ausdruck des Bemühens um die Einhaltung internationalen Rechts, sondern dessen Perversion.

Und regelrecht antisemitisch wird die Angelegenheit, wenn bei der Anwendung von Artikel 49(6) auf Israel von der internationalen Gemeinschaft ausschließlich Handlungen von Juden ins Visier genommen werden, während die der arabischen Bevölkerung ignoriert werden.

„Wenn Israel ein Verbrechen begeht, indem es seinen Bürgern erlaubt, in Gebieten zu leben, die als besetzt oder umstritten definiert werden, dann müsste das vernünftigerweise auf jeden Israeli zutreffen, der in die umstrittenen Gebiete zieht, nicht nur auf Juden.

Das würde Tausende Beduinen und israelische Araber beinhalten, die in Viertel von Ort-Jerusalem wie Jabel Mukaber, Beit Sahur, Beit Safafa, Beit Hanina und Shuafat gezogen sind und dort Tausende illegaler Häuser errichtet und Geschäfte eröffnet haben.“

Ist die internationale Gemeinschaft wirklich der Ansicht, dass Israel dazu verpflichtet wäre, seine arabischen Bürger davon abzuhalten, sich in Ost-Jerusalem oder im Westjordanland niederzulassen? Verstößt es gegen die IV. Genfer Konvention, wenn ein israelischer Araber zu Verwandten nach Ramallah, Nablus oder Jenin zieht?

Oder wird hier einfach mit zweierlei Maß gemessen, indem Juden anderen Verpflichtungen unterworfen werden als Araber?

Zusammenfassung

Die gebetsmühlenartige Wiederholung der Behauptung, dass israelische Siedlungen im Westjordanland nach internationalem Recht illegal wären, täuscht über den Umstand hinweg, dass sie auf einer bemerkenswert kleinen wie fragwürdigen rechtlichen Basis aufbaut: Mit der exzessiven Interpretation eines einzigen, wenig präzisen Satzes wird eine völkerrechtliche Verpflichtung für Israel kreiert, die auf keinen anderen Staat und keinen anderen Konflikt auf der Welt angewendet wird.

Um einen Teil der Unklarheiten von Artikel 49(6) der IV. Genfer Konvention zu beseitigen, wurde die entsprechende Bestimmung im Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofes aus dem Jahr 2008 umformuliert. Dort wird in Art. 8(2)(b)(viii) „die unmittelbare oder mittelbare Überführung durch die Besatzungsmacht eines Teils ihrer eigenen Zivilbevölkerung in das von ihr besetzte Gebiet“ zu einem Kriegsverbrechen erklärt.

Dass die Erweiterung auf „mittelbare Überführung“ eingefügt wurde, zielte direkt auf Israel ab. Geltendes Völkerrecht wurde daraus allerdings nicht: Israel ist, wie die USA, Indien, Russland, die Türkei und Dutzende andere Staaten auch, kein Vertragsstaat des Internationalen Strafgerichtshof und daher an dessen Bestimmungen nicht gebunden.

Doch selbst wenn man Artikel 49(6) so weit interpretiert, dass ein verbotener „Transfer“ von Teilen der eigenen Zivilbevölkerung in ein besetztes Gebiet bereits vorliegt, wenn ein Staat diesen nicht organisiert, sondern bloß auf irgendeine Art begünstigt oder fördert, lässt sich daraus keine pauschale rechtliche Verurteilung aller israelischen Gemeinden im Westjordanland ableiten.

Viele sind das Ergebnis privater Initiativen, die zum Teil gegen den Willen des israelischen Staates durchgesetzt und auf Land gebaut wurden, das entweder in jüdischem Besitz war, bevor Jordanien das Westjordanland illegal okkupiert und alle Juden vertrieben hat, oder das auf rechtlich einwandfreiem Wege gekauft wurde. Zumindest in diesen Fällen „können weder der Geist noch die Buchstaben von Artikel 49(6) Anwendung finden.“

Geradezu eine Perversion internationalen Rechts stellt der Versuch dar, aus der Genfer Konvention die Verpflichtung abzuleiten, dass Israel jegliche Niederlassung eigener Staatsbürger jenseits der Grünen Linie verhindern müsse. Wie der internationale Vergleich zeigt, werden hier an den jüdischen Staat völlig andere Maßstäbe angelegt als an alle ähnlich gelagerten Fälle weltweit:

„Israel ist der einzige Staat seit dem Zweiten Weltkrieg, der ständig in UN-Resolutionen für die Besetzung eines Gebiets und den Transfer seiner Bevölkerung in das ‚besetzte‘ Territorium verurteilt wird“.

Angesichts der völlig unverhältnismäßigen Aufmerksamkeit, die von der so genannten internationalen Gemeinschaft auf israelische Siedlungen gelenkt wird,

„stellt diese ständige Kritik Israels eine offenkundig diskriminierende und unfaire Anwendung internationalen Rechts dar. Das legt die Vermutung nahe, dass die dauernde Kritik der israelischen ‚Siedlungspolitik‘ nicht von der Sorge um die Unverletzlichkeit des Rechts oder die Erfordernisse von Gerechtigkeit getragen wird, sondern von anderen politischen und militärischen Überlegungen.“

Inhaltsverzeichnis: 

Israels Grenzen: Zur Grenzfrage im arabisch-israelischen Konflikt (1/9)
Die Resolution 242 
 

Bedingungen für sichere & anerkannte Grenzen Israels (2/9)
Der einseitige Rückzug ist gescheitert

Friedensprozess in Israel (3/9)
Rabins Vermächtnis

Israels Souveränität und Völkerrecht (4/9)
Wer ist der legitime Souverän?

Israelische Besetzung und Souveränität Palästinas (5/9)
„Wie ihr besitzt, so sollt ihr besitzen“

Selbstbestimmungsrecht der Völker in Israel (6/9)
Probleme und Bedingungen

Illegale Siedlungen Israels und Genfer Konvention (7/9)
Die IV. Genfer Konvention

ISiedlungen in „besetzten“ Gebieten weltweit (8/9)
Völkerrechtlich vergleichbare Fälle

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